Freitag, 18. Januar 2008

so wie es sein soll

"Bei unserem Aufenthalt im Schloss gab es ein Konzert im großen Saal, dort wo sie zu DDR Zeiten Turnunterricht abgehalten hatten und wo noch immer das Seitpferd wie ein quergelegter Sarkophag aus einer vergangenen Zeit schräg hinter dem schwarzen Flügel magnesiumbedruckt thront.

In diesem glänzend verstaubten Raum spielte Felix australisches Schwirrholz. Mit diesem Instrument begleitete er den jungen Goethe bei einem improvisierten Klavierkonzert. Ein grandioses Konzert war das, das auf dieser Welt seinesgleichen sucht. Mein Freund Harry, der bei der Bank Derivate handelt und in den Pausen auf dem Klo Eichendorf liest, sagt dazu immer, gegen unsere Konzerte sind die Aufführungen in der Royal Albert Hall ein glatter Schiss.

Irgendwie hatte ich ein beruhigendes Gefühl als ich ihn anschaute, denn in seinen Augen atmete unter dem Horizont noch immer ein großes, leuchtend blaues Meer tief ein und aus. Seine Rastazöpfe hatte er wie eine karibische Sonneninsel unter einer dunkelblauen Mütze achtlos aufgesteckt.

Im Zeitraffer, zak, zak, zak, erzählte er mir von seinen amourösen Abenteuern und wilden Eskapaden der letzten Jahren, ganz so, als stände die gesamte Erdgeschichte wie ein gewaltiger Fels vor mir und habe die ernsthafte Absicht lückenlos die Evolution der Arten mit ihren schillernsten Affären und ihren phantastischsten Tragödien in ganzen drei Minuten in allen Einzelheiten ausführlich vor mir auszubreiten.

Eine gewisse Zeit, so gestand er, habe er unter dem Laufpass seiner geliebten Doktorin gelitten, die er einen Sommer lang so heftig geliebt habe, dass am Ende alle Bilder der Ahnen der Reihe nach von der Wand gefallen seien.

Seine zweite feste Liebe der vergangenen Jahre, eine rassige Frau aus Südamerika mit bis zur Hüfte reichenden schwarzen Haaren, sei leider auch verflossen so wie Amazonas in der Wüste Sahara nach der Kontinentalverschiebung des Urkontinents Pangäas.

Doch jetzt sei alles wieder so wie es sein soll, freudetrunken und fruchtbar. Die Damen flatterten wie bunte Fähnchen am dänischen Nationalfeiertag vor seinem Fensterchen hin und her und er brauche sie nur noch ordentlich zu bedienen, dann käme alles von selbst, so wie es sein soll. So könne er mühelose mit ein wenig tirilieren Tag und Nacht Hochzeit feiern ohne jemals zu heiraten.

Groß und breit standen wir beide bei diesen Worten recht dicht beieinander und staunten über die unverhoffte Begegnung, eine Art von Bewunderung des Lebens, eine tiefe Selbstbegeisterung im eigenen Leib, eine im Grunde bodenlose Einsicht des strahlenden Körpers in das große Ganze, das niemand wirklich tot ist, niemand."

J. G:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

sapiens revue

„Die alten Kaiser besetzten das öffentliche Wort negativ.  Die Neuen machen das auch. Mit Macht. Der Mensch soll tunlichst seine sterbliche ...