Freitag, 24. Mai 2019

U zlatého tygra

hopse
gefällt mir gleich
das wort auf der ersten seite
lese ich auf dem kurzen weg zum friseur
ein kinderbuch

der kleine buchhändler mit dem silbernen ohrring sagte
es bestimmt fünf mal hintereinander
ein trauriges buch, ein trauriges buch
es ist das erste buch
das den platz im regal frei macht

der alte mann nun mit fast 80 jahren übt weiter
ohne ochs und esel
hopst entlang der gründgenskante
und dankt mehrmals täglich brennend ins freie
alles auf einem bein

herr advokat
kennt die eisenbahn
und die langen tunnel hinter den bahnhöfen dieser welt
ach was, ich mach mir keine sorgen um ihn
schäumt er sich doch schon seit jahren den
rasierschaum mit einem warmen dachshaarpinsel
im tunnellicht der sockelheiligen prags
halbherzig ums helle gesicht, da strahlt nicht nur ein
zigeunerlicht
am ende des langen eisenbahntunnels
sondern man strahlt auch selbst bei der ankunft
wie die auslage eines augsburger juweliergeschäfts

onkel pepin strahlte schon lange vorher
es wird was mit unserer liebe
knipste er in die öhrchen der damen

und am ende seines lebens flüsterte er es auch
seinem könig ins ohr
es wird was mit unserer liebe

jetzt flüstert auch der herr advokat etwas
auf das vertikale notenblatt

mein großvater mütterlicherseits
josef schmidberger
bierbrauer aus schwarzenbach in niederbayern
der ahnte es auch, schrie aber laut
ewiges band
wie bindest du heute meine hände
brüllte er über den rangierbahnhof
als eisenbahnbeamter ohne kaiserreich
ganz fern der heimat
kam er beim rangieren
mit beiden beinen so unter die räder
dass die angehefteten zettel
an der holztür des güterwaggons
zu seinem einzigen halt auf dieser welt wurde
und er ihn als teilstück für´s ewig ganze
in einem jämmerlichen fall abriss und ihn als beweis mitnahm
hbf darmstadt
100 faß spatenbräu a 50 liter

volle regale, herr advokat
keine leeren gipfel
beweise, herr advokat, beweise, keine indizien

dem in ihrem fall eingesetzten vorsitzenden richter
ist es wurscht, wo, wann und wie sie ihre beweise sammeln
ob auf leisen zehenspitzen im fünften stock
des nicht schwindelfreien weltraumfahrers kafka
oder laut liebend
über der ewigen bierlache im goldenen tiger
hauptsache mit einem ordentlichen schluss
und dann weiter
.
~
J.G:
2008
Hommage an den tschechischen Schriftsteller Bohumil Hrabal

Montag, 20. Mai 2019

Gleis 13


Wie sieht die Ethik des zivilen Überlebens im Amerika der 70 Jahre des letzten Jahrhunderts aus?

Die Eltern von Michelle Obama haben ihrer Tochter folgende Worte mit auf den Weg gegeben:
„Das Leben ist nicht fair. Das ist eben so. Du bekommst nicht immer, was du verdienst, aber du musst hart arbeiten, um zu bekommen, was du willst. Und selbst dann bekommst du es manchmal trotzdem nicht.“ 

"Journalisten, Interpreten und Kritiker tummeln sich im Text der beschriebenen Welt. 
Poeten holen Licht, 
das Wort 
aus dem Morgenrot,
aus der unbeschreibbaren Welt."

Johan van der Leeuwen



In der "Zeit" vom 15. Januar lese ich ein Interview von Asa Kasher, Prof. der Philosophie. Er berät die israelischen Streitkräfte.

Er versucht den Akt der Selbstverteidigung Israels mit dem Satz zu rechtfertigen „Das Töten sei nicht der moralische Kern“, der moralische Kern sei die  Selbstverteidigung. Er selbst habe die Richtlinien für den Kampf gegen den Terror mit verfasst. 

Der Angriff auf Gaza rechtfertigt er als „Kriterium des letzten Hilfsmittels“ gegen die Hamas.
Glaubwürdig erzählt er, dass ihn jeder einzelne Fall, in dem ein Mensch zu Schaden kommt, schmerze. 
Er triumphiere nicht, so wie die Palästinenser Selbstmordattentäter feiern, wenn Menschen getötet werden müssen, aufgrund der Sicherheitslage Israels. Er empfinde keine Freude, wenn es also sein muss. Am Ende des Interviews wird es etwas eng für den Joungleur ethischer Richtlinien.

Der Journalist spricht die Kühle der Kalkulation an, mit der Israel „zielgenau“ im Gazastreifen terroristische Aktivitäten mit dem Töten von Menschen abwickelt. Der Philosoph greift in die Schatztruhe der christlichen Vorbilder. Er zitiert Thomas von Aquin, der sich es nicht nehmen ließ über einen gerechten Krieg nachzudenken.

Thomas nannte drei Bedingungen für einen Krieg:
1. Eine Mandat, auf dessen Befehl hin der Krieg geführt werden muß...
2.  Einen gerechter Grund...
3. Drittens, die rechte Absicht...

Mit der letzten Frage wird die Lage ernst für den Philosophen.
Legitimiert nicht die ethische Reglementierung des Tötens jenen Rest an Selbstzweifel, der Humanität erst ausmacht, so Patrick Schwarz, der Journalist.

Antwort: „In der Bibel steht sinngemäß: Zögern hat seine Zeit und Entscheiden hat seine Zeit.
In der Militärakademie diskutieren wir im Fach Ethik alle möglichen Ansätze, Aspekte und Prinzipien. Aber dann gibt es einen Punkt, an dem gehandelt werden muss.“

Johan van der Loewen ruft mich an. Er sagt: Die Entscheidung unterliegt dem limbischen System.
Also - lass es. 

"let it be" The Beatles


Das meine ich, wenn ich von philosophischer Plastikfolie spreche, der Sinnverpackung des Sapiens. Die zweibeinige Spezies, mit der binären Ethik von „Sein oder Nichtsein“ mental eingezäunt in dem Weltbild der Unauflösbarkeit der Gegensätze, rechtfertigt mit dieser „Kunst der Auslegung“ jegliche Tötung gegenüber anderen Lebensformen. 

Eine Gefangennahme, die den Sapiens seit tausenden von Jahren nicht Mensch werden lässt. 

Erstmals zitiere ich einen Satz von Herrn Helmut Schmidt, geäußert im Zeitmagazin. 
Thema: Über Kriege im Rahmen der Menschenrechte. Die militärische Intervention, so Schmidt, sei eine Option, in einen internationalen Konflikt einzugreifen. Die Erfahrungswerte zeigten aber, diese Maßnahme habe kaum positive Erfolgsaussichten. Es sei unausweichlich ein Element der „conditio humana“, dass es Grausamkeiten, Verfolgung und Unterdrückung immer wieder gibt. Sie sind da pessimistisch, gibt der Interviewer als Kommentar ab. Schmidt: Die Menschen werden eines Tages einsehen, dass man Gewalt nicht mit Gewalt ausrotten kann.

Van der Loewen mischt sich ein. Er sagt mir durch das Telefon, der Mensch schon, doch ob der Sapiens es sein lassen wird, bleibt zweifelhaft.

Gestern sah ich eine Sendung über Evolution. 
Gezeigt wurde u.a. die langjährige Arbeit eines Bionikers. Er wies im Experiment nach, dass die Evolution mit kleinen Schritten die großen Herausforderungen wagt und meistert. Es seien, so der Wissenschaftler, immer nur kleine Korrekturen gewesen, die die großen Übergänge eingeleitet hätten. 

Diese Einsicht soll hier ihren Platz finden.

So gehe ich mit den Worten von Herrn Schmidt mit.
Bis auf eine kleine Änderung des Vorzeichens.
Eine einfache Erkenntnis sei eingeflochten: es gibt nicht das Leben und auch nicht den Menschen, als statischen Begriff. Die beiden Begriffe sind eingebettet in einen Doppelaspekt, so wie das Licht, es ist immer beides, so wie es ist und so wie es werden wird. Beides. 

Nicht nur seit Darwin ist Leben doch von dieser Einfältigkeit befreit.

Schaut man genau hin, so ist ein klitzekleiner Unterschied zwischen der Spezies Sapiens und dem was er beabsichtigt zu werden, dem Menschen, festzustellen.

Die "conditio humana" wird von der Spezies Sapiens als naturgegebene Legitimation von Gewalt gegenüber anderen Lebensformen benutzt. 

Die "conditio humana" wird von der "Werdens Seite" der Spezies, von der Entwicklungsebene verwendet, von der Seite also, was werden soll, um sich von der Gewalt gegenüber anderen Lebensformen loszubinden.

Insofern haben wir es hier und heute mit einer Spezies zutun, aber mit zwei Entwicklungslinien.

Vielleicht ist der Satz „Sein.... oder .... Nichtsein“ von William, der Satz, der in der Geschichte der Buchstabenwelt der missverstandenste von allen ist." J.G:

15.01.2009

Freitag, 10. Mai 2019

super

weiß es nicht
so denk ich nur

McIron


ich...


„...das sind die Leute, im Grunde die ganze Welt“

Wenn die „Leute“ das Private nicht gut „veröffentlichen“, den lichten Leib im Alltag sich selbst und den anderen nicht „in communio“ jeden Tag aufs Brot schmieren, das Kleinod nicht aufrichtig in die Pfandleihe geben, das Lächeln nicht wonnetrunken an den Tischen der Kaffeehäuser verschenkem und das jüngste Gericht nicht mit Herz auf die Küchentische stellen, dann werden den Liebesleibern erneut die Silben aus dem frischen Wassergrün der Kehlen geraubt, noch bevor das Ohr sie vernommen, und ihnen wird wiederkehrend und wiederkehrend mit dem schwarzen Alphabet einer lichtlos gepredigten Ewigkeit das Heimwärts verwehrt.

J.G:


Donnerstag, 9. Mai 2019

masselos

„Seit gestern fegt ein Orkan aus Südwest über das Land.

Heute Morgen stellte mir meine Nachbarin ein Buch von einer Kolumbianerin, Ane Mendieta, vor die Tür gestellt. Ane hat „feminal figures“ visualisiert und geformt, eine Art von archaischem Alphabet des Urweiblichen. Die Zeichen und sich selbst hat sie in der Lehmerde Cubas freigelegt. Das hatte seinen Preis. Mit 36 Jahren hat sie sich kurz nach ihrer Heirat das Leben genommen.

In einer Woche bin ich erneut Gast im Schloss.

Nach dem Frühstück lese ich in der Welt einen Artikel über Martin Walsers Buch „Ein liebender Mann“.

Walser stielt sich mit knäblicher Lust unter das Stehpult und schlüpft im literarischen Kopierraum der Nation in den für ihn zu großen Rock, stolziert mit seinem Stock über das Karlsbader Kurpflaster, will in alternder Haut sich prostituieren, will öffentlich in den kleinbürgerlichen Schritt fassen, will selbst nach fühlen, was Liebe im sterblichen Abgesang aufhebend vermag. Walser 81, Goethe 74, Ulrike, seine Liebe, 19 Jahre.

Uraufführung des Lustspiels fand im Weimarer Festsaal statt. Von der präsidialen Leibstandarte und einem biederem Voyeurismus auf den Sockel der Literatur hofiert, fand sich unter kahlen Buchen und brünstigen Lüstern eine Bestsellergesellschaft ein, die vom Autor verschmäht hören musste, was Ulrike und Goethe in den Gassen des Marienbades nie gesagt hätten.

Das Feuilleton der Welt am Sonntag zeigte sich entsetzt über den kolportierten Zivilisationsverlust im Munde eines nationalen Denkmals, die reziproke Kulissenschieberei von Exaltation und Blasswerden auf der Bühne einer überschätzten Gesellschaft, das verkehrte Verzichttheater, die platte Entsagungsschau, die stupide Anrempelei auf der Kurgasse. „Dann schreib mir doch heimlich, Mensch“. Nie, so der Schreiber der Welt, nie hätte Goethe so etwas gesagt. Aber das ist eben Walser, eine unartig ausgearbeitete Erektion vor einem Bezahlpublikum.

Thomas Mann, so erfahre ich aus dem Artikel, hat sich mit „Lotte in Weimar“ schon im letzten Jahrhundert einmal Rock, Stock und Wort von Wolfgang ausgeliehen, um das Liebesgeflüster vor den Toren des jungen Leibes abzuhorchen.

Stefan Zweig schrieb dazu:
„"Lotte Kestner, die ehemalige Lotte Buff, die Jugendgeliebte Goethes und unvergeßbar als die Lotte des Werthers, kann der Versuchung nicht widerstehen, nach fünfzig Jahren, nach einem halben Jahrhundert Goethe, den Theseus ihrer Jugend, wiederzusehen. Ein Großmütterchen, reichlich delabriert von der Zeit und sonst weise geworden durch sie, begeht sie die süße Torheit, noch einmal das weiße Wertherkleidchen mit der rosa Schleife anzuziehen, um den ordensbesternten Geheimrat an die süße Torheit seiner Jugend zu erinnern. Und er sieht sie, ein wenig geniert, ein wenig gestört, und sie sieht ihn, ein wenig enttäuscht und noch geheimnisvoll berührt von diesem etwas gespenstischen Wiedersehen nach einem halben Jahrhundert. Das ist alles. Eine Fabel, groß wie ein Tautropfen, aber wie dieser ein Wunder an Farbe und Feuer, wenn angestrahlt vom oberen Licht." (Stefan Zweig)

„…wenn angestrahlt vom oberen Licht“, was für ein Spalt im dunklen Erz.

Im Taumel des Niedergangs, im freien Fall der Vergeblichkeit jeglichen Begehrens wird mit der Hingabe des Leibes die Gnade des Flutlichts im kosmischen Stadion der Liebe erfleht.

Der Landartkünstler Heizer hat in Nevada mit seinem Schaufelbagger jahrelang ganze Landstriche deswegen ausgehöhlt, nur um den Asphaltprimaten mit „double negative“ zu zeigen, was er eingeschlossen in Perspektiven und Funktionen von Zivilisation sediert teilnahmslos übersieht.

Ein Seidenspinner.

In „Tod in Venedig“ wagt sich Thomas Mann auf damals gesellschaftlich vermintes Gelände. In dem Buch deckt der Autor den homoerotischen Leib in der Hingabe des Schriftstellers Gustav von Aschenbach zu dem Knaben Tadzio auf und begräbt damit auch seine bürgerliche Lebenslüge von einem strengen Eheglück. Am literarisch aufgedeckten homoerotisch leiblichen Verlangen ihres Mannes erkrankt, traf sich Katia mit ihrem Mann Thomas im Kurort Davos. Beide sich gegenseitig um Nachsicht und Verständnis bittend. In der Höhe des Kurortes fand Thomas Mann zu seinem Zauberberg und Katia in eine tragfähig, vergebende Dankbarkeit.

Ein erlösender Fingerabdruck in der Feuersbrunst der Materie scheint den Homo Sapiens nach gut viereinhalb Äonen immer wieder in das seitenverkehrte Buchstabieren von Pech und Schwefel zu verleiten.

„Alles was entsteht, ist wert, das es zugrunde geht“, lässt Wolfgang aus Weimar seinen Mephistopheles in Goeth´scher literarischer Alleinherrschaft fabulieren.

Mephisto spaziert geschäftstüchtig im Atem der ersten Hölle, in einer Sonnenwelt, einer vom Vergehen und Entstehen durchdrungenen Materie, die von Anfang bis zum unendlichen Ende hin wohl ungnädig strahlt, offensichtlich radioaktiv permanent auf Sendung ist, deren Frequenz die zweigeschlechtliche Spezies des Sapiens dumm und mit archaischer Angst bekleidet verteufelt.

Der amerikanische Schriftsteller Salinger schreibt:
„Die Wirkung radioaktiver Partikel auf den menschlichen Körper, über die man im Jahre 1959 so viel geredet hat, sind alten Liebhabern von Dichtung gar nichts Neues“

Nun verlangt der animalische Leib in seinem Begehren das Herz der Liebe, den unvergänglich strahlenden Leib zu umarmen und ihn nicht nur von Ferne zu verehren. Dabei ist es wurscht, ob der Gegenstand der liebenden Verehrung ein Weib oder ein Mann, eine Eisenbahn oder ein Küchenstuhl ist, Hauptsache Körper, ewig Sonne, Wasser Strand. Warm und weich, herrlich weiblich männlich ausgedehnter Liebeslieb.

Wie soll man das Kunststück jedoch fertig bringen, wenn das, was mit Haut und Haar geliebt sein will, sich mit bloßen Händen nicht fassen lässt. Wie soll man den Glanz des Himmels bewahren, wenn schon im Pflücken des Klatschmohns das unsterbliche Rot aus dem sterblichen Herzen weicht. Wie soll man den Auftrag des Liebesboten nur erfüllen, wenn das, was einverleibt sein will, ohne gefressen zu werden, wenn die gesamte Phalanx der Denkprimaten seit Jahrtausenden liebeskrank daran zu Grunde geht.

In seinen Marienbader Elegien ging Wolfgang der Sache auf den eitlen Grund.

Mit dem Atemzug verlorener Anhöhe und gesellschaftlicher Bewunderung gestand er in den ersten zwei Zeilen des letzten Verses: "Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren, der ich noch erst der Götter Liebling war".

Weder die Höhe des nationalen Denkmals JWvGoethe noch Glanz und Ehre höfischer wie weiblicher Bewunderung, auch nicht der Schmerz des Abgewiesenen, haben den Fels aufzubrechen vermocht. Die letzte Zeile des Klageliedes: „Sie (die Götter) trennen mich - und richten mich zugrunde.“

Auch Martin holt sich mit seiner halben Erektion im Schädel an dem Liebesfelsen seine Beule. „Es gibt das Paradies: Zwei für einander. Es gibt die Hölle: Einer fehlt.“

Frau Levetzow, der Mutter seiner Geliebten Ulrike, schrieb Wolfgang dann einen Brief.

„Heute, verehrte Freundin, auf dem Lande, freundlich veranstalteten Festlichkeiten ausweichend, stelle ich jenes Glas vor mich, das auf so manche Jahre zurückdeutet, und mir die schönsten Stunden vergegenwärtigt. Nach so wundersam unerfreulichen Schicksalen, welche über mich ergangen, an denen Sie gewiss herzlichen Anteil genommen, wende ich mich wieder zu Ihnen und Ihren Lieben, einige Nachricht erbittend, die Versicherung aussprechend: Dass meine Gesinnungen unwandelbar bleiben. Ilmenau am 28. Aug. 1831 treu angehörig JWvGoethe“.

Nicht alle haben es mit ihren Füßen bis auf die karstige Höhe geschafft, haben sich schon im ersten Anstieg selbst Ausblick und Flamme genommen. Wolfgang war geologisch gebildet, lies lieber den Werther sterben und blieb selbst am Leben.

Warum springe ich an diesem stürmischen Morgen in meinem Glaspalast auf diesen Sonntagszug?


Habe ich doch selbiges seit Jahren im Reisegepäck, schreibe mir an dem eisernen Rad der Geschichte wie der Zurücknahme des literarischen Selbstmordes Buddhas Herz frei und Finger wund, so als wolle ich mit dem naiven Spiel des göttlichen Kindes über den erblindeten Spiegel des erwachsenen Denkens wischen, damit für einen Augenblick Licht aus dem Anfang der Welt vom Scheitel bis zur Sohle fällt.“

Die Geschichte hat ihren Ausgangspunkt in der Erzählung „Ein herrlicher Tag für Bananenfisch“, in der Salinger (Neun Erzählungen) seinen buddhistischen Helden in einem Hotel am Meer Selbstmord begehen lässt.

Im Hotelzimmer 507 drehe ich den Sargdeckel um, hebe den Selbstmord Buddhas auf und lasse den Charakter in einer anderen Zeit und in völlig anderen Zusammenhängen auferstehen.

Das Comeback.

Gleichsam wird damit das Scheitern der Poesie an der Welt aufgehoben. Die Poesie scheitert nicht an der Welt, sondern sie hebt die Welt darin auf.“

P.S.

Für Wolfgang und Ulrike

„Zwei in einem Nest“ (ein Auszug)

Der Fahrstuhl fuhr zurück in die Eingangshalle.

Im Hotelzimmer 507 hing der Telefonhörer neben dem Telefonapparat, pendelte gewichtslos hin und her und tippte dabei dreimal flüchtig gegen den rosa Teppichboden.

Der Duft eines Parfüms strömte wie eine Herde hellbrauner Gazellen über den Flur des 5. Stockwerks.

„O Madame, legen wir uns vertikal ans Licht.“

Unbewegt lagen sie da, in all der tiefen Physik, masselos empor.

Die kleine Zeichnung rechts neben der offenen Zimmertür, mit 2 blauen, einer roten und einer weißen Stecknadel an die Wand geheftet, war blendend gelaunt.

„Das Tote ist nicht tot, Seymour, eigentlich ist es bewusst, flammend, so wie Johannes es in seiner Feuerschrift prophezeite.“

„Die Aborigines wandern schon seit Jahrtausenden in diesen Feuerlinien.“

„Dein alter Freund J.D. versucht seit Jahrzehnten mit unveröffentlichten Doppelhaikus eine strahlende Lichtung durch das Blei der Sesshaften zu schlagen.

„Schreiben ist eine Sache, umherziehen was anderes.“

Sie stieg aus dem Bett und ging barfuss durch die halbgeöffnete Tür ins Badezimmer.“


© 2008 J.G:

Freitag, 3. Mai 2019

steinchen

im sand



poesie
so 
das wir 
im sterblichen 
unsterblich
zu grunde geht“

J.G:

kein Vergleich

„Sitze in meinem Wintergarten und schaue nach oben an die träge dahin ziehende graue Wolkendecke. Der Tag neigt sich seinem Abendrot entgegen und mit dem Sprung in das private Wochenende versucht man zu retten, was im Vormärz an menschlichem Habitus noch zu retten ist. Das humane Restlicht kann ich dann am Samstag und Sonntag an den Küchentischen und in den Cafes verschenken.

Das soziale Gefüge des Zusammenlebens kippt auf den Straßen, Fabrikhallen, in den Büros und Hinterzimmern dramatisch in ein tollwütiges Hantieren am globalen Abzug. Auftraggeber und Kapellmeister dieser grassierenden Willkür sind die Barone, Lichtklauer, Mörder und Macher eines zügellos monetären Wachstums, dass das gesamte Inventar des Miteinander der Menschen mit einem börsenfingierten Entlassungsschreiben zerstören, dass alles liebenswürdige im aufkeimenden Lichthof des Lebens mit Stumpf und Stiel auszurotten beginnt. Dieses Mal nicht mit dem völkischen Ruf „reinrassig“, das wäre zu einfach, denn die „Banalität des Bösen“ kommt nicht zweimal in den selben Kleidern, sondern dieses Mal wird zum Fahnenappell des "Wachstums" der Zerstörung der Lebensgrundlagen mit dem politisch korrekten Waffenrock der „Konkurrenzfähigkeit“ gerufen.

Zeitweise fühle ich mich auf den Fluren und Gassen der Welt von einem rüden Verhalten genötigt, das den Lebenswert des Mitgefühls als romantisch angehauchte, nichtsnutzige Attitüde endgültig zu den Akten zu legen, um an der Rampe der Umsatzzahlen höchst effizient die „Leichen“ in den Wirtschaftsnachrichten ausschließlich als „grammatikalische Form“ zu klassifizieren.

In den Hinterzimmern meiner Nachtträume sind es immer noch die geifernden Mordbanden in den braunen Uniformen eines Tausendjährigen Reiches, die mich „Judas verrecke“ rufend zusammenschlagen. Bei Tageslicht huschen die legalen Falschmünzer aus ihren weißen Häusern vor die Mikrofone, um im Großauftrag kruder Gestalten, die Notwendigkeit des Erstschlages gegen das im Herzgrund frei lebende Wort zu propagieren.

Die helle Erneuerung der Welt, der Sturm und Drang des jungen Lebens, wird schon vor der Reifezeit, im zarten Alter auf der rüden Kinderstrich des "immer mehr" geschickt.

Der minderjährige Cocktail marschiert tollwütig im rappenden Stechschritt der Kopie der Kopie, vom Hungerlohn der Silos erblindet als köstlich gezuckerter Werbespot, modisch dressiert und medial elektrisiert im Millisekundentakt, in den schon weit aufgerissenen Rachen eines globalen Verteilungskrieges.

Runter geladen!
Counter Strike!
Wehrübung des freien Marktes.
Nur Spaß!
Reinrassig.
Konkurrenzfähig.
Guten Morgen Vietnam!
Gestern Bagdad.
Heute Paris.
Morgen du, Damaskus.

Begeisterung.
Hurra. Und heil.
Nur anders.
Ganz anders.
Kein Vergleich.

Die Mobilisierung im Verteilungskrieg um Land und Masse, Pelz und Position hängt bereits großformatig an den Litfasssäulen. Sie sticht dem Kunden mit dem spitzen Stift der Rendite bereits am Portal aufreizend die Augen aus, damit er  rauschhaft quotiert seines freien Willens entbunden, im nächsten Moment die ihn entleerende  Bestellung anklickt.

In der gläsernen Enge einer monotheistischen Wachstumskultur unterschreibt er am nächsten Morgen untertänigst geblendet das Großformat, das makellose Wunschbild, den schönen Abgott, die glänzende Uniform, das rettende Ufer des „haben-müssens“, ohne je einen der Buchstaben des Stellungsbefehls in den Schützengraben des leibeigenen Arbeitskonsums gelesen oder verstanden zu haben.

Akzeptieren.

Nicht mehr nur neun Stunden am Tag arbeitet der Angestellte, sondern der Bedienstete ist rund um die Uhr im säkularen Ablasshandel angestellt.

Neun Stunden steckt er für 8,50 € Mindestlohn grüne Briefe in graue Briefkästen und nach Feierabend arbeitet er das archaische Hormon der Angst des Überlebens, den Killerinstinkt nach dem ultimativen Kick, erschöpfend in der erodierenden Manege seines Verlangens nach Nichts ab.

Er arbeitet und arbeitet, konsumiert und konsumiert, doppelt und dreifach, darf sich demokratisch legitim religiös fromm und säkular ungezügelt verschulden, so viel er will, denn sein Kredit wird wunschgemäß im Kleinformat großformatig beworben und am Monatsende hämmert Inkasso an die Tür des Reihenhauses.

Weltweit wird sein Schattenriss gewinnbringend gehandelt, sein Profil wird verkauft und verkauft und verkauft und immer weiterverkauft. So wie es jedes Kleinformat in seinen kühnsten Träumen immer ersehnt.

Privatfernsehen.
Feudal demokratisierte Leibeigenschaft.

Am Küchentisch bekommt er dann übermorgen die Quittung.

Die Kids kündigen den genetischen Sozialvertrag, nennen dich nicht mehr Mama oder Papa, sondern Fotze, Alter, Wichser, klauen dir den Rest des Lohns aus dem Blechkasten, schnüffeln Klebe, treten den Klassenkameraden mit gezockten Stiefeln in die Fresse, stecken in den mondlosen Nächten Autos in Brand, rotten sich mit Fusel dicht, kiffen sich bis zum Morgen den Konsumschädel leer, um dann auf dem Weg in die Lernkaserne im Club der toten Dichter die Wortwaffe handfest in den blauen Himmel zu halten und durchzuladen.

Allgemeine Mobilisierung.
Nur anders.
Ganz anders.
Kein Vergleich.

Ganz anders als wir es aus den Geschichtsbüchern kennen.

Modern Talking.
Post moderne Mobilisierung von suizidalem Verhalten, dass am Ende der Einkaufsstraße als Maximalprofit, lebend oder tot, abgeschöpft wird.

Die Kasse stimmt.
Guten Morgen Vietnam!
Berlin ist dran.
Kein Vergleich.
Nur Anders.
Ganz anders.

Aus Geschichtsbüchern, Filmen und mündlichen Überlieferungen ist das Gefühl den heimatlichen Boden verlassen zu müssen noch wach. Eine Zeit vor der Machtergreifung des zeugungsunfähigen Höllenhundes steigt ins Bild, eine Zeit, als die kruden Banden die jüdische Bevölkerung und sonstiges menschliche Antlitz bereits durch die Straßen der Republik jagten und die feinsinnigen, kritischen, klugen, musischen Bewohner des Landes an den Küchentischen und in den Cafes über Widerstand und über eine Flucht ins Ausland nachdachten.


Quo vadis! Wo treffen wir uns!“
© 2008 J.G:

ja


nein
lesen sie nur
das ist
zwar ein bisschen kompliziert
aber das kriegen wir schon hin
Vertrauen sie uns
Nein
Warten sie
Ich erklär es ihnen
Nicht heute
Morgen
Nein übermorgen
Nächste Woche
hab ich vielleicht Zeit
Zuerst aber
bitte schön hier
ein Kreuz
Nein
Nicht da
Da
Jetzt geht es aufwärts
Hier
Die Erklärung
Ich weiß
Nicht ganz einfach zu verstehen
Dazu braucht man Allgemeinbildung
Lesenschreibenrechnen
Da muss man sich schon ein bisschen bemühen
Und vor allen Dingen beeilen
Wenn sie wissen was ich meine
Das ist Lebensunterhalt
Da muss man sich ranhalten
Sputen
Überstunden
Mehr arbeiten
Schichtarbeit
Nachtarbeit
Arbeit ist das was zählt
So ist das halt
In dieser Welt
Nicht einfach
heutzutage
Alles nicht einfach zu verstehen
die Sache mit Europa
ich geb es ja zu
und dann Globalisierung
Gewinnmaximierung
Terrorismus
Umsatzrendite
Rentenkürzung
Kriminalität
Einschaltquote
Durchsuchungsbefehl
Alles nicht einfach zu verstehen
Was ist schon gerecht auf der Welt
Wichtig ist doch
das es vorangeht
mit der Wirtschaft
da müssen alle mithelfen
da muss jeder ein Motor sein
ohne große Zündungsmucken
Präzision ist gefragt
Versteht nicht jeder
auf den ersten Blick
geb ich zu
Dafür brauchen wir Experten
Doch zuerst die Finanzen
Wir brauchen Geld
Keine Angst
Die Last tragen wir doch alle
Besser alle als keiner
Oder
Mehrwertsteuer wäre vielleicht mal wieder dran
In jedem Falle
brauchen wir mehr Einnahmen
das ist notwendig
Bruttosozialprodukt
Schließlich ist alles knapp
Sehr knapp
Da müssen alle sparen
Ursachen gibt es viele
Die Welt ist komplizierter geworden
Und schneller
Da muss man mithalten
Das ist nicht ganz einfach
Vor allen Dingen brauchen wir
mehr Experten
sehen sie
sie haben ja schon fast
alles verstanden
und ausgefüllt
Ein paar Sachverständige
eine gute Studie
neue
Vorstandsvorsitzende
Sie wissen
Das kostet
Keine Angst
Im Prinzip
können wir das alles erklären
Ich sag es frei heraus
Wer sagt schon heute die Wahrheit
Wir brauchen mehr Geld
und Zeit
Im Regierungspalast
Was, sie sind durcheinander
Keine Angst
Wir kennen da Therapeuten
Psychologen
Gehirnforscher
Wirtschaftswissenschaftler
Schuldnerberatung
Die werden das schon hinkriegen
mit ihnen und all den anderen
die nicht mehr so leicht mitkommen
die werden uns das alles erklären
Aber sicher
sie sollen ihre klare Aussage haben
Ich verstehe sie absolut
Doch ich kann da im Moment
nichts für sie tun
Morgen
nein Übermorgen
kommen sie einfach in mein Büro
ach nein
morgen geht es nicht
Termine
Sie verstehen
nein
rufen sie mich doch einfach an
meine Sekretärin
stellt sie dann durch
Das klären wir
mit ihrem Arbeitsplatz
Sicherheit
Selbstverständlich
Sicherheit
Heute Abend
Heute Abend hält die Kanzlerin
eine Erklärung
Alles im Fernsehen
Live
Dann wissen wir alle Bescheid
wie es weitergeht
und dann kann es endlich losgehen mit dem Aufschwung
Das schaffen wir schon
mit ihrem Arbeitsplatz
und dem Kindergartenplatz
und der Gewalt auf den Straßen
Und letztendlich haben wir doch noch unser aller Gottvertrauen
Das eint uns doch
Das kriegen wir schon
in den Griff
Das mit den Katastrophen
das mit den Terroristen
kriegen
wir auch noch in den Griff
Alles
kriegen wir letztlich in den Griff
wozu haben wir unseren Verstand
Wir brauchen nur noch
ein bisschen mehr Geld
Ja, doch, sie haben ja Recht
Der Mensch ist letztlich ein Tier
Unberechenbar
Da muss man letztlich
hart durchgreifen
Ordnung schaffen
Das machen wir schon
Da können sie uns ruhig vertrauen
Hier
Nein da
Da machen sie bitte
Ihr Kreuz
.
~
  ©   by  J. G:

so spät noch

Monsieur,  kommen sie herein mein Atelier steht ihnen offen ach ja das große Bild bin noch nicht ganz fertig ihren Brief habe ich gelesen si...