Montag, 26. Mai 2008

o flammende helle

du goldenes licht
regen des himmels
küsse mich
.
~
J.G:

auflösung des chitinpanzers

"Die dreipfündige Wachstube des Sapiens, dieser so junge Zellhaufen am irdischen Stammbaum der Evolution, scheint bei dem Versuch, das gesamte Szenario mit elektrischem Zucken und Zappeln vermitteln und kategorisieren zu wollen nicht nur, ich muss es hier einmal nicht ganz wertfrei formulieren, übermotiviert und eingebildet, sondern auch schlicht überfordert zu sein

Die gesamte lebensbiologische Verkehrslage kollabiert regelmäßig sexuell an dieser Kreuzung wie ein finnischer Liebhaber bei dem Versuch bei all der kosmischen Ausdehnung im Alltag nüchtern zu bleiben.

Vor der Veröffentlichung der Zeilen habe ich arg gezaudert, ich gebe es zu, ich hatte Angst, große Angst, eine alte Kinderkrankheit des erwachsen Lebens vor sich selbst, die Angst, dass diese feine Porzellantasse, bevor man auch nur einen Schluck daraus genommen hat, auf dem Transport vom Ursprungstal in das raue Leben zu Bruch gehen könnte.

Ich muss ihnen gestehen, meine Billionen Zellen drohten nicht nur in langjährigen, mühevollen Behördengängen des industrialisierten Alltags vorzeitig in der freudlosen Mechanik der Arbeit zu erstarren, sondern in dem Herumirren in trüben Verwaltungsschächten bemerkte ich auch bei dem Versuch die diaphane Kostbarkeit wohlbehalten durch Zeit und Raum zu tragen, eine schauerlich verschulte Herrschaft, die unermüdliche dabei ist, meine kindliche Neugier im Staub der Anweisungen und Verordnungen zu beerdigen.

Mit Übermut und Leichtsinn überspringe ich seit vielen Jahren diese morsche Sprosse am Stammbaum mit aller mir aus Kindertagen noch zur Verfügung stehenden Freude am Dasein.

Es ist für die Quantenkatz, eine ewige Dummheit der unbewussten Art, sich selbst überzeugen zu wollen. Ein ruinöses Verfahren staatlicher Verwaltung, das lebendige Gold behördlicherseits genehmigen zu lassen, damit es privat endlich glänzen kann."

aus: Licht den Tagen   

©   by  J. G

to divine

"Die kleinste Division in der größten Ausdehnung ihrer Schwingungszahl, die poetische Differenz im Lichtsatz kosmischer Einheit, das physischen Quantum, radioaktiver Übertragungswert alphabetischer Niederkunft, keine Frage, ein Wunderpunkt, will als funkelnde Silbe in uns bemerkt sein und zu Wort kommen." J.G:

das spezifische Gewicht

"Die Polizei in diesem Dorf regelt seit einigen Jahren überwiegend nur noch den Verkehr, denn es gibt im ganzen Landkreis dieses Dorfes praktisch keine Kriminalität mehr. Im Gemeinderat hat man sogar einmal den Antrag gestellt, es war Montagmorgen, die Polizei ganz aufzulösen und aus der Polizeistation eine Kneipe mit dem Namen „blauer Delphin“ zu machen.

Einer technischen Panne habe ich es zu verdanken, dass ich diese Tage im schottischen Dauerregen auf die Habenseite meiner Biografie verbuchen kann. Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, dass ich am Sonntagmorgen mit einem weißen Indianer ganz allein vor einer schottischen Kneipe stehen und den Mond anschaue würde.

Sie müssen es mir glauben, aber in einer Kneipe vor den Hochmooren der Highlands geht es zu wie in dem Gemenge eines Rugbyspiels. Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass man das länger als eine Stunde aushält.

Umgeben von hochprozentigen Schlachtgesängen und undurchdringlich heißen Milchnebeln wurde ich so gegen halb vier von einem dichten Gemenge an den äußeren Rand der schottischen Galaxie gedrängt. Und wie aus dem Nichts tauchte plötzlich vor mir Mathew McIron auf.

In meinem Vorbeiflug hörte ich wie aus seinem Munde ununterbrochen ein melodisch pulsierender Sprechgesang strömte. Noch bevor ich überhaupt ein Wort verstehen konnte, trieb mich das Spiel der kämpfenden Herzen aus den gälischen Obertönen wieder hinaus in die raue schottische See.

Immer wieder wurde ich von dem schottischen Gebräu in die Weiten des Kneipenraumes hinausgeschleudert, nur um wieder und wieder wie auf einer Pilgerreise in einem kosmischen Strudel an McIron vorbeizudriften.

Stunde um Stunde nun umkreiste ich wie ein Wallfahrer den weißen Indianer, so wie die Moslems seit Jahrhunderten den schwarzen Stein.

So warf sich mit meiner Teilnahme an dem Ereignis eine erste Morgendämmerung im Funkenflug kleiner Wortfetzen elliptisch auf meinen Lebensfilm so wie Lichtteilchen sich den blanken Spiegeln von Radioastronomen aufleuchtend hingeben.

Nach all dem Tosen in der schottischen Nacht stand ich am Morgen auf einmal ganz allein neben McIron. Der Mond stand noch warm über den grünen Hügeln und er sagte: Da, der Mond, das reicht mir."

    ©   by  J. G: . aus: Licht den Tagen...

Vertrag ohne Unterschrift

"Wenn sie an dieser Serpentine des von mir aufgestellten Alphabets das Gefühl haben sollten, ich verstehe diese wirren Zeichen auf diesen elektronisch aufgestellten Seiten nicht, dann blättern sie lose darin herum, oder überschlagen einfach die eine oder andere Seite, sparen sich die elendig langen Ausführungen und kommen gleich auf die eigene Anhöhe des Unerlässlichen.

Schlagen sie die Seiten zu und blättern sie einmal zwischen ihren eigenen Aufzeichnungen, Notizen und Einkaufszetteln. Nachdem sie dort fündig geworden sind gehen sie ein paar Schritte spazieren und vergessen sie die ganze Sache für ein paar Stunden oder vielleicht sogar für ein paar Tage. Dann, an irgendeinem trüben Montagmorgen schlagen sie die Seiten, die sie vor Tagen verdrossen zugeklappt hatten, einfach wieder auf, irgendwo, und setzen die Fahrt ins Sonnengelbe bedenkenlos fort.

Ihre eigenen Aufzeichnungen aus den Urgründen des Alltages und der Entstehung der Welt in der einen Hand, in der anderen die aufgeschlagenen elektronischen Seiten. Sie werden jetzt feststellen, dass sie von wunderlichen Zeichen übernatürlicher Vermessenheit umgeben sind."

J.G: aus: Licht den Tagen voran

zum goldenen tiger

hopse
gefällt mir gleich
das wort auf der ersten seite
lese ich auf dem kurzen weg zum friseur
ein kinderbuch

der kleine buchhändler mit dem silbernen ohrring sagte
es bestimmt fünf mal hintereinander
ein trauriges buch, ein trauriges buch
es ist das erste buch
das den platz im regal frei macht

der alte mann nun mit fast 80 jahren übt weiter
ohne ochs und esel
hopst entlang der gründgenskante
und dankt mehrmals täglich brennend ins freie
alles auf einem bein

herr advokat
kennt die eisenbahn
und die langen tunnel hinter den bahnhöfen dieser welt
ach was, ich mach mir keine sorgen um ihn
schäumt er sich doch schon seit jahren den
rasierschaum mit einem warmen dachshaarpinsel
im tunnellicht der sockelheiligen prags
halbherzig ums helle gesicht, da strahlt nicht nur ein
zigeunerlicht
am ende des langen eisenbahntunnels
sondern man strahlt auch selbst bei der ankunft
wie die auslage eines augsburger juweliergeschäfts

onkel pepin strahlte schon lange vorher
es wird was mit unserer liebe
knipste er in die öhrchen der damen

und am ende seines lebens flüsterte er es auch
seinem könig ins ohr
es wird was mit unserer liebe

jetzt flüstert auch der herr advokat etwas
auf das vertikale notenblatt

mein großvater mütterlicherseits
josef schmidberger
bierbrauer aus schwarzenbach in niederbayern
der ahnte es auch, schrie aber laut
ewiges band
wie bindest du heute meine hände
brüllte er über den rangierbahnhof
als eisenbahnbeamter ohne kaiserreich
ganz fern der heimat
kam er beim rangieren
mit beiden beinen so unter die räder
dass die angehefteten zettel
an der holztür des güterwaggons
zu seinem einzigen halt auf dieser welt wurde
und er ihn als teilstück für´s ewig ganze
in einem jämmerlichen fall abriss und ihn als beweis mitnahm
hbf darmstadt
100 faß spatenbräu a 50 liter

volle regale, herr advokat
keine leeren gipfel
beweise, herr advokat, beweise, keine indizien

dem in ihrem fall eingesetzten vorsitzenden richter
ist es wurscht, wo, wann und wie sie ihre beweise sammeln
ob auf leisen zehenspitzen im fünften stock
des nicht schwindelfreien weltraumfahrers kafka
oder laut liebend
über der ewigen bierlache zum goldenen tiger
hauptsache mit einem ordentlichen schluss
und dann weiter
.
~
J.G:
Hommage an den tschechischen Schriftsteller Bohumil Hrabal

überaus

 still ein blatt im wind   ©   by  J. G: