Donnerstag, 28. Februar 2008

licht aus dem eigenen garten

Mein König, verehrte Mitglieder der königlichen Akademie

Bei dem kostbaren Gut, das in unserem Körper tagtäglich umgeschlagen wird, das unsere Lebensmaterie passiert, handelt es sich dem ersten Anschein nach um ein rein physisches Ereignis.

Diese Sicht der Dinge ist historisch wahr und ein fester Baustein in der Erkenntnis über das Wesen und die zyklischen Gerichtetheit der Evolution. 

Jedoch gehört sie ab heute offiziell in das Archiv der Geschichte.

Es handelt sich um ein Ereignis aus den frühen Anfangsbedingungen jenes Universums, das wir bewohnen. Eine radioaktiv verschlüsselte Botschaft, eine physikalische Information, eine strahlende, inwendige Begabung des kosmischen Geschehens, ein im Grunde die Materie aus ihrem unbewussten Schlaf aufhebendes Ereignis, das wir in unserer Kultur ganz allgemein in seiner ausgedehnten Verteilung mit dem Namen Geist beschriftet haben.


"die ununterbrochene Nachricht,
die aus der Stille sich bildet."
Rilke

Mein König,
dieses kosmische Ereignis, dessen lebendiger Ertrag und bewusster Übergang wir sind, dieses Ereignis beschrifteten die Schulen des Landes seit Jahrhunderten an der äußeren Seite mit der Zahl „Zwei“. Diese Zahl trägt physisch den Namen der sichtbaren Verteilung des Ereignisses im Kosmos, Materie.

Mit den überlieferten Koordinaten erkennt die Akademie des königlichen Hofes das kosmische Ereignis als eine stufenweise, aufwärtsgerichtete, bewusste Einheit in einer physikalischen Vielfalt der Verteilung von messbarer Energie und sichtbarer Masse.

Mit diesen Koordinaten erhält der Mensch einen täglich begehbaren lokalen Zugang zum kosmischen Ereignis auf der Innenseite seiner eigenen Lebensmaterie, der Passage im Zellkörper.

Dieser Körper, mein König, ist ein offenes Buch, nach oben und unten weit, nach innen hell erleuchtet.

Von der Innenseite ist dieses ultraleichte Buch mit wunderschön, strahlend hellen Zeichen beschriftet, die die Sänger, Nomaden, Handwerker und Sternendeuter seit Hunderttausenden von Jahren, seit acht Erden, als Poesie in den Fortgang der Welt eintragen.

Durch die poetische Aufdeckung und Aufhebung des schwarzen Todesurteils auf der Kinoleinwand des Körpers, der Zellmembran, der epidemischen Tradierung des Lebens als einer unumgänglichen Grablegung, gelangt der Mensch „ins Freie“, wie mein guter Gefährte aus Weimar in seinen geologischen Lichtstudien nicht müde wurde allen ans Herz zu legen.

Diese Innenseite der Lebensmaterie, so die mündlichen Überlieferungen der Freibeuter, ist nicht mit mathematischen Ziffern oder monotheistisch mit kryptischen Zeichen angeschwärzt und verstellt beschriftet, sondern sie trägt die Inschrift "zweifach eins".

Physikalisch strahlt der Wert der kosmischen Handelsware, nach Erkenntnissen der königlichen Akademie, supraschwach.

„Die Sonne, die in der Finsternis weilt“
Rig Veda III.39.5

Psychologisch, so die Überlieferung, ist diese Handelsware in der ursprünglichen Tiefe ihrer Lebensphysik jedoch schon vor allem lebensbewusst.

In der Rhythmik und in dem Klang des poetischen Wortes mündlicher Überlieferung erhebt diese freie Handelsware den denkenden Homo Sapiens auf die lichte Ebene eines bewussten Menschen, auf der er sich in der Klarheit eines schöpferischen Willens endlich im Unendlichen werden und erfüllt sieht.

aus: Casa Nova  ©   by  J. G:

Montag, 25. Februar 2008

für vincent

In dem Buch „Das Geheimnis der Farben“ von Victoria Finlay, las ich einen Satz von einem kleinen, untersetzten Mann.


„Es gibt Maler,
die die Sonne in einen gelben Fleck verwandeln,
aber es gibt andere, die dank ihrer Kunst und Intelligenz
einen gelben Flecken in die Sonne verwandeln.“ P. Picasso

In dem Buch macht sich Frau Finlay, eine Engländerin und lange Jahre Kulturredakteurin bei der South China Morning Post, auf die Farbreise in die Länder der Welt. Hier eine kleine Geschichte aus Indien.

„Was ist geru?“ fragte ich.
„Orange“, erwiderte er und zeigte auf sein Gewand, das ihn als Angehörigen der höchsten Klasse der Bihar-Yogis auswies. „Es symbolisiert das innere Licht.“ Und gelb? „Gelb ist das Licht in der Natur. Es regt die Seele an, während Schwarz die Seele beschützt.“ Ich nickte und bedankte mich, doch er war noch nicht fertig. „Sehen sie, Gelb muss erst einem Reinigungsprozess unterzogen werden.“ Victoria Finlay

In dem langen Prozess der Umwandlung des Physischen in Bewusstsein, eine Reise durch Äonen, steht die Spezies Sapiens in ihrer Entwicklung zum Menschen seit Jahrtausenden ständig vor einer schwarzen Wand, die hartnäckig im Gehirn des Denkprimaten behauptet, man käme, wenn überhaupt, in alle Ewigkeit nur tot auf die andere Seite. Wenn die Zellen das sterbliche Mantra dieser schwarzen Wand als universell gesetzgebend dahin beten und ihm mit dem Ritual dieser elenden Wiederholung die eigene Auffahrt in das Sonnenhelle versperren, so wäre die sinngebende Folge, dass die Zellen des Körpers, aus dem das Leben sich seit Äonen organisiert, dass diese Zellen womöglich selbst mental begabt, empfänglich sind und das die Spezies Sapiens in ihnen noch etwas weiteres, ein helleres Gelb auf die Leinwand pinseln kann." J.G:

was ich sehe

„Hier außerhalb einer Grashütte, auf einer Holzbank,
ohne den geringsten Lärm, keine Menschenmassen,
keine Termine, keine Axt zu schleifen,
kein Geheimnis zu wahren, allen Raum und alle Zeit der Welt,
und mein Herz so durchsichtig
wie das Glas Tee in meiner Hand.“

„Sie flochten Stühle, rupften Hühner,
bündelten Feuerholz, zählten leere Flaschen,
füllten Korn aus Säcken in kleine Tüten, schlugen ihre Esel,
schoben oder zogen Handkarren,
sammelten alles Erdenkliche unter der Sonne zusammen,
um es aufzuheben.“

Ted Simon

Samstag, 23. Februar 2008

wahllos








die feudale landnahme
die leibeigenschaft
des sapiens am menschen
die ewige sklavenpredigt
im arbeitslager der geldvermehrung
der meuchelnde rachen
lebenstod
an leib und seele
kriegt
am ersten grünen mond
im museum lichtloser herrschaft
ein bett ein tisch eine lampe ein blatt ein stift
und sein stilles gnadenbrot

J.G:

in der feuerpause


hinter den herzkammern maschinen stop
fluten
der maschinist, mit seinen ölverschmierten händen
ändert den kurs

unten am kai
du
was für ein lächeln

dann
leinen los

die halbe überfahrt noch
zartes süßes kommen

o du mein alter passagierdampfer
bist blind geschlagen in deinem lack
auf deinem vordeck
diesem schrägen irgendwas
auf diesem dahinliebenden blauen rand
werde ich endlich hören können was sie sagen
und was sie singen so fern
was da sein will
im großen und ganzen
auf breiten und längen

auf hoher see
funke ich die aktuelle position der schiffspassage
für die peilung
habe ich funkraum und stille
heimat und deutschland allein genügt hier nicht
stille also

stillstand
stillstand, so sagen die treuhänder der blanken münze
stillstand, das sei der tod

ich einzeller auf der funkbrücke
ritze mir auf der überfahrt durch die meeresenge
als beweis vor und nach
all den geheimdiensten und gerechten
einen notenschlüssel an die zersiebte bordwand
und schreibe mein lied
kratze es durch die farbe des rostigen lebens an das nackte eisen
vorbei an den querschlägern und granatsplitter
hin zur liebeskante

an aus
seit millionen von jahren
fressen und gefressen werden

im noblen speisesaal des dampfers
überleben sie reichlich
versicherungen der art
die ewige wiederholungen
ein serienerfolg
ein beutepanzer aus chitin
die s-klasse
lebenslänglich arbeit
sterblicher gewinn

in den privaten kabinen
die andacht
das denkmal: „ich hab´s geschafft“

fressen und gefressen werden
an - aus

meer des lebens
begradigt begraben
leichtmatrosen unter deck

weiter geht´s mit dem gekritzel des maschinisten
oben rechts
unter dem kohlestrich ein dünnes auf und ab
kaum zu entziffern
eine wirtschaftsbilanz der besonderen art
leben
das vom tode lebt
24 stunden heckenschütze
an - aus

ich erinnere
erst auf die beine, dann musst du warten
bestimmt kommt noch einer aus dem versteck da drüben
der will bestimmt helfen
den schieß in den bauch
warte noch, warte
vielleicht kommt noch ein dritter
dann hast du sie alle drei
dann kassier ab

ich funke
tageskurs gefallen
börse ohne wert
mit offizieller genehmigung der schusswechsel
die generäle ordern nachschub
schiffseigner fordern mehr von dieser fracht

an - aus
fressen und gefressen werden
dreikommafünfmilliarden jahre

dann
in der früh
noch vor der dämmerung
die letzte funkbrücke
ich stöpsel herum
verbinde den rest der welt
übertrage alles was mir in die quere kommt
sende auf die brücke, in die suiten und kabinen
hinunter zum maschinisten
rauf zum kapitän

guten morgen sarajewo kosovo
die news
roter schnee vor deinem haus
europa
in deinem keller der moslem
erschossen
erschlagen der serbe auf deiner treppe
vor deinem dorf der kroate
gelyncht
die da
ja, die zwei mit der plastiktüte in der hand und dem hungergesicht
wer erschlägt die

dazwischen noch
kurz vor sendeschluss die einschaltquote aus der heimat
65 millionen tote
menschen
da
erschlag du sie
die versauen uns hier alles
stehlen uns das wasser und rauben uns den zuckergott

abschalten
brüllt der maschinist
abschalten
maschinen stop
kurs ändern
einen anderen kurs für dieses eisen

maschinen stop
fluten

steuerbord schlagseite
schiff sinkt rasch
sie schreien
sie kreischen
wo ist der funker

besatzung löst sich auf
ich funke noch den rest striche und zahlen
gehe dann auf position null

für mannschaft, mörder und passagier
kiemenatmung und beiboote

hinter der kalten wasserwand dann
tiefoben
atme ich grundlose kuhle
honigbrunnen unter dem riff
treibe dahin
fresse keinen mehr
in den reisfeldern
vor den toren pretorias
erschlage keinen mehr
in den straßen von new york
vor der heimatküste
so
wie wir es in der alten haut schon zu tausenden gemacht haben
im indianerland
erschlagen erst die kinder
dann die frau und dann erschlagen sie mich
den kleinen funker aus shanghai

maschinen stop
fluten
an - aus
an
aus
aus

aus dem poém "mein könig" von Jonathan Goodwill

geschrieben und vorgetragen im Frühjahr 1992
anläßlich einer veranstaltung im rahmen einer spendenaktion
für die flüchtlinge in restjugoslawien
  ©   by  J. G: 

Mittwoch, 20. Februar 2008

so viel welt

Der Kern des Schillerdramas um Maria Stuart:
Jeder Schritt, den sie zu ihrer Rettung unternahm, brachte sie dem Henker näher.

In der tragischen Qualität des Stoffes offenbart sich das eiserne Tor der physischen Gesetzgebung, nachdem Leben letztendlich nichts anderes übrig bleibt als dem Tod erlösend in die Arme zu fallen. So oder so.

Die gottlos Gesetzgebung des Göttlichen scheint in der Ereignistiefe unseres Universums die einzig bare Münze zu sein. Sinnlos. Trügerisch. Tödlich. Für den Weltenreisenden kein wahrer Grund sich vom Kauf einer Fahrkarte am Bahnhof Erde abhalten zu lassen. Will das Trugbild aufgedeckt sein, so muss sich der Seefahrer und Abenteurer auf seiner Reise über den inneren Ereignishorizont des Geschehens beugen.

Goethe, mit dem Schiller über Maria Stuart korrespondierte, lehnte die Szene ab, in der die beiden Königinnen aufeinander treffen sollten. Es könne nicht angehen, so Wolfgang, zwei Königinnen sich streitend wie Marktweiber oder Huren auftreten zu lassen. Schiller jedoch beharrte fest auf diesem Treffen und machte aus der moralischen Unmöglichkeit eine Notwendigkeit der sich selbst ins Lebensbild malenden Psyche.

Der blutrünstige Streit der Gedanken über die Vorherrschaft und die hinterlistige Intrige um den eigenen Vorteil, kennzeichnet die besitzanzeigende Herrschaftsform des Sapiens, ob nun Monarchie, Feudalismus, Kommunismus oder Kapitalismus.

„Gewalt nur ist die einzige Sicherheit, kein Bündnis mit dem Gezücht der Schlangen …“ , mit diesen Worten der Staatsräson und des Neides wirft Elisabeth ihre Rivalin Maria zu Boden, eine Staatsräson, die in den darauf folgenden 200 Jahren zur Legitimation staatlicher Kriege, irrsinniger Vernichtungsideologien sowie privater Henkersmahlzeiten werden würde.

Zu ihrer Amme lässt Schiller Elisabeth sagen: „O wie wohl mir ist, Hanna! Endlich, endlich, nach Jahren der Erniedrigung, der Leiden, Ein Augenblick der Rache, des Triumphs,… Das Messer stieß ich der Feindin Brust.“

Man kann es lesen, nach Jahren der Erniedrigung, erlösend der eine Augenblick der Rache.
In diesem dunklen Verlies, der Chimäre erlösender Gewalt, irrt Sapiens seit Jahrtausenden herum und lässt den Menschen nicht Mensch werden.

So in den Worten Maria Stuarts von Schiller wiedergegeben:

„Der Thron von England ist durch einen Bastard, Entweiht, der Briten edelherziges Volk, Durch eine listige Gauklerin betrogen. – Regierte Recht, so läget Ihr vor mir. Im Staube jetzt, denn ich bin Euer König.“

Im Angesicht der nahenden Verurteilung durch das Henkerbeil begeht Schiller einen Frevel, der in Wien zur Absetzung des Stückes führte.

Beichte und Abendmahl kamen auf die Bühne und das Stück in Wien auf den Index. Die Selbstbegegnung angesichts des Todes macht Schiller in dieser Szene öffentlich und zeigt den bis dahin verhüllten Fundus privater Reue und Beichte. Ein Skandal.

Schiller zelebriert im Angesicht des Todes auf der Bühne das Tor zur Freiheit, das sich in dem Abfallen der Angst des Irdischen für den Verurteilten öffnet.

Schiller begann, was noch heute fortzusetzen ist.
Die Abkehr von der selbstzerstörerischen Gewalt und die Hinwendung zur Menschwerdung.

Die Rückerinnerung an den Ursprung der Welt ist bei Schiller weder von der Nomenklatur der kirchlichen Orthodoxie verstellt, noch von einer Unterwerfung unter das Regime einer weltlichen Herrschaft. Mit der Inszenierung des irdischen Dramas auf den schmutzigen Brettern der Welt eröffnet er an den Betrachter das Angebot selbst Zeuge zu werden an dem höchsten Genuss des Gemüts, dem in Freiheit angelegten lebendigen Spiel des Lebens und seiner ins Licht befreienden Atmung. Dies dürfte nicht uninteressant sein für die Evolutionsmedizin, da doch Schiller letztlich an der irdischen Beklemmung dieser Atmung, einer kruppösen Pneumonie, zerbrochen ist.

In dem Distichon „Mein Glaube von 1797 äußert er sich zu seiner Rückbindung.
„Welche Religion ich bekenne? Keine von allen, Die du mir nennst! Und warum? Aus Religion!“

Die Verkehrung der Dinge.
Die mordende und selbst zerstörerische Kriegsfinanz des Sapiens beansprucht in ihrem triebhaften Halbwissen, religiöse wie säkular verpackt, die Idee des Göttlichen und verdunkelt mit diesem monströsen Blendwerk die Aussicht des Menschen auf den Platz des himmlischen Friedens sowie den an und für sich unverschlossenen Pfad zu sich selbst.

Das Bekenntnis Schillers zum schöpferischen Willen findet sich in dem Wort: „Nehmet die Gottheit auf in euren Willen, und sie steigt von ihrem Weltenthron“

Frei nach Wilhelm von Humboldt, am Ende seines Lebens:
„Ich habe so viel Welt, als ich konnte, in Menschheit verwandelt“

J.G:

ein wunderbarer anfang



„Mein Gott, dieser kleine Holzwagen
und die Lichter am Abend
es ist ein bisschen frisch, ja kühl
du hast ja eine rote Nase
komm, nimm meine rote Jacke
wir gehen zu den Pferden“ J.G:

Patagonien, so schreibt Chatwin in seinem Buch, Patagonien gilt in der abendländischen Phantasie für das Äußerste, den Punkt, über den man hinausgeht.
Hudson schreibt in seinen „idle days 1893

„Doch in jenen einsamen Tagen geschah es selten, dass mir überhaupt ein Gedanke durch den Kopf ging; noch seltener kreuzen tierische Erscheinungsformen mein Blickfeld oder bestürmen Vogelstimmen mein Ohr. In dem ungewöhnlichen Geisteszustand, in dem ich mich befand, war Denken unmöglich geworden.... Ich war zu der Überlegungen nicht mehr fähig: mein Kopf hatte sich plötzlich von einer Denkmaschine in eine Maschine mit einem anderen, unbekannten Zweck verwandelt. Denken war, als würde in meinem Hirn ein geräuschvoller Motor in Gang gesetzt; irgendetwas hieß mich ruhig zu sein, und ich musste gehorchen“


„Am Ende der Welt zu sein, das ist doch großartig“
Die junge Frau des Leuchtturmwärters auf Kap Horn

Die gut fünf Millionen Jahre Evolution sind erst der Gedanke, die äußere Form, die gedachte Vorstellung bewusster Lebensform.


„alles ist weit größer und heller
als man am schwarzen Ort des grammatischen Geschehens
überhaupt ahnt“

Johan van der Leeuwen


Wer den Ort des Geschehens, das „wachsam sein“ weiterhin im Gehirn sucht, sucht vergeblich, kreist im alten Weltbild wie die Sonne um die Erde, wie ein altes Zirkuspferd um den dickbauchigen Direktor.

Alles nur Dressiertes, Versponnenes, Matrizen, Schnittmuster, Schuldiktate, das trockene Brot des mentalen Primaten, Gedanken, Definitionen, Analysen, nichts wirklich Nahrhaftes.

Alles im Übergang.
Trommelwirbel aus dem Orchestergraben.

„schweben im Lebenden
wie Puderzucker über dem Sonntagskuchen“ J.G:

Alle Musiker sind mit ihren Instrumenten da.
Ein glänzender Auftakt in 100 Billionen Zellen.

„.....so setzt du also den buddha an die luft und ich pack mir fleisch
von eigens aufgezogenen tieren in die truhe.
da weiß man was man hat!“
Der Indianer

Strawinskys Musik eine Apokalypse, eine Energieenthüllung aus der tiefen Höhe des Erdinneren. Monströs. Riesig. Gewalttätig.

Die beiden Weltkriege im polaren Quadrat des Denkprimaten sind nur unbewusster Abzug, ein Negativ dieser alles verschlingenden Macht schöpferischen Wandels.

„Ein Hauch bewusster Materie
trank mich wie ein Sperling Wasser aus einer Sonntagspfütze“
J. G:

Primitiv enthüllt, sich selbst nicht kennend wer er ist, so sah ich den Menschen im Kostüm Sapiens, alles sei zu Ende, sich schwarz denkend, irrend, ohne eine Blüte im Haar.

Denken, ein flaches, rückläufiges Gewächs, ein Moos, hohl und in sich verloren der schöpferische Drang, ein Verlangen nach bewässerter Höhe. Versiert wie ein Talkmaster der letzten Stunden überwuchert es mit raffiniertem Geschwätz und totem Industriezucker blind wuchernd den lichten Grund der Erde.

Das geflügelte Pferd Pegasus schlägt mit dem Huf gegen den Fels und löst im schwarzen Stein den lodernden Sturm der mächtigen Herden des Lichts aus.

„von irgend nach aufn weg“
flanzdörfer, junger dichter aus DDR Zeiten,
man vermutet von der Stasi in den Freitod getrieben


Alles wird überführt.

„Das Glück, mit Menschen beisammen zu sein.“
Franz Kafka

Beizeiten muss ich meine Wegbeschreibung weglassen."

aus "schlamm des lotos"  ©   by  J. G: 

ahnungsloses licht

Irgendwann verlässt man den heimatlichen Herd in der Hoffnung in der großen weiten Welt jemanden zu finden, mit dem man dieses heimliche Gefühl teilen könnte.

Weder war es bei mir ein Lehrer, von dem ich glauben konnte, mich ihm in dieser doch recht privaten Angelegenheit anvertrauen zu können, noch wehte mich im bisherigen Verlaufe meiner Lebensreise der Wind des biologischen Fortpflanzungsprogramms an die Küste des naiven Verstehens dieses Phänomens.

Doch ich hatte mal wieder Glück. Eigentlich recht spät, doch Glück ist Glück.

In einer nächtlichen Autofahrt erzählte ich alles meiner heranwachsenden Tochter. Äußerer Anlass war ihre in den gelben Scheinwerferkegel des dahinfahrenden Automobils geworfene Bemerkung, es war so gegen halb 2 Uhr morgens, Liebe sei ein Verhalten.

Auf meine dumme Frage, wie meinst du das, fügte sie unbekümmert hinzu, sie wisse in dem Sekundenbruchteil eines Augenblick, wenn eine Person einen Raum betritt, was diese Person sich zum Frühstück auf das Brot legt, ob sie mittags warm isst oder erst abends, und ob die Kinder in der Familie einen „Gute Nacht Kuss“ bekämen.

Mitten in der Nacht war mir so, als hätte ich durch den dicken Chitinpanzer erwachsener Ermüdung helles Glockengeläut vernommen.

Das meine ich mit Glück.

Sie müssen mir glauben, ab jetzt hätte die Fahrt nicht lange genug dauern können. Um kurz vor 6 Uhr morgens waren wir am Ziel unserer Reise und ich hatte ihr alles, aber auch wirklich alles erzählt.

In dieser Nacht erfuhr ich, dass ich nicht allein von dieser seltsamen Gewissheit befallen bin, sondern in dem hellen Geläut erinnerte ich, das jeder, aber auch wirklich jeder Krümel Lebensmaterie von dieser Ahnung, bereits schon vor allem alles zu wissen, fast krankhaft befallen ist.

Nachdem ich mich dann in den frühen Morgenstunden seltsamerweise erfrischt auf den Boden der Ereignisse schlafen legte, passierte es, dass ich mich rückwärts an einer Hausmauer angelehnt fand. Die Mauer war zu meinem Erstaunen plötzlich sehr elastisch und hauchdünn, gefühlt wie ein feines Stück aufgespannter Seide.

In einem pompösen Fall durch die Tiefen eines ewig wachen Schlafes verschwand ich in der Mauer und stürzte auf eine mir unbekannte andere Seite der Welt.

Ich bin glücklich, denn ich weiß, das sie diese Zeilen sicher mit einem gesunden Anstand von Zweifel lesen werden, doch gleichsam kann ich ihnen hier versichern, wo ich auch hinkam durch diesen grandiosen Einsturz, nirgendwo sah ich noch einen toten Winkel, weder in mir, noch irgendwo sonst, weder am Anfang noch am Ende des Weltengangs.

Die Worte Beobachtung oder Erinnerung reichen bei weitem nicht aus, ihnen das Wahrgenommene hier in Buchstaben nahe zu bringen. Der Fall durch die Mauer ist eher abzulichten mit einer Kunstausstellung, auf der man all die roten Königssiegel versunkener Reiche zu sehen bekommt.

Des Weiteren sah ich eine weltweite Befundliste von Lithografien schwarz strahlender Melanome auf weißer Haut, die heute großformatig an den Wänden des Guggenheim Museums in New York hängen. Diese Ausstellung war arrangiert in einer Art von verwaltungstechnischer Demonstration, ein kunstvoll aufgestelltes Dokument zur Aufrechterhaltung öffentlicher Ordnung.

Eine sehr abenteuerliche Geschichte, doch bevor ich mich vollends der Lächerlichkeit preisgebe, will ich hier zu meiner Rettung noch von einem ominösen Lichtblitz erzählen, der sich kurz vor Morgengrauen ereignete, nachdem ich alles künstliche Licht in meinem Labor ausgeschaltet hatte.

Dieser Lichtblitz war nicht weiß oder hell aufleuchtend, wie man es kennt von einem Fotoblitz oder einem Blitz während eines Gewitters, sondern rabenschwarz. Und dieses schwarze Licht war im Grunde auch kein Blitz, sondern eine Explosion, eine Explosion von einem sehr, sehr großen Ausmaß, ja eine kosmische Explosion, die weit über das provinzielle Bild des Urknalls der Astrophysiker hinausgeht.

Nicht das ich im Einschlafen eine Explosion beobachtet hätte, nein, nein, das war es mit Sicherheit nicht, ich selbst war diese Explosion.

Diese Formulierung macht auch mir seit geraumer Zeit arge Kopfzerbrechen, wie muss ihnen erst zumute sein, beim Lesen dieses Satzes.

Ich selbst war also diese Explosion und dehnte mich in diesem schwarzen Blitz, in weniger als 10 hoch minus 109 zu einer Größe aus, die nicht mit Kosmos oder Universum beschrieben sein will, sondern mit dem Wort, das uns von Anfang bis Ende den Kopf verdreht, Liebe.

Dabei hatte ich seltsamerweise keine Angst, da ich selbst es war, der sich hier ausdehnte. In diesem explosionsartigen Vorsprung sah ich mich als dieses Ereignis durch eine dünne Haut, eine Art Membran springen, so wie ein Löwe durch einen Feuerreifen springt

Und genau in diesem Moment riss der Nebel in mir auf und ich erlebte, dass der Schleier der Furcht, der mich seit meiner Kindheit beim Anblick einer Gartenpforte wie ein Löwin anspringt und zu Boden reißt, bereits alles zu wissen, aber auch wirklich alles, wie von Zauberhand von mir genommen war.

Irgendwann, ich hörte draußen leise Stimmen und den Hund des Nachbarn bellen, schlief ich erschöpft ein.

Am späten Vormittag fasste ich dann im Bett sitzend den Entschluss, alles notdürftig niederzuschreiben und sie, ja sie an dem Ereignis teilnehmen zu lassen." J.G:

Dienstag, 19. Februar 2008

am gartentor

Das gleich vorneweg, es geht auf große Fahrt.
Das sagt jeder irgendwann in seinem Leben.
Dabei weiß er genau, er kommt in diesem nur bis zur Gartenpforte.
Und alle anderen wissen es auch.

Die Reise verlangt nach uralter Tinte.

Also schrieb ich, ich würde ins Archaikum reisen.

Das läge nicht 4 Milliarden Jahre zurück, sondern hätte eine Meerestiefe von 4 Milliarden Jahren Gegenwart, einem großen Ozean gleich, in den man in den Sommerferien hineinspringt, schwimmt, untertaucht und wieder auftaucht.

In dem Antwortbrief konnte ich von Bedenken lesen, die man besonders Töchtern zuschreibt, wenn sie ernsthaft besorgt sind, die Geschichte, die gemeinsam in der frühen Kindheit des Universums begonnen wurde, sei aus irgendwelchen Gründen heraus gefährdet oder könne gar scheitern. Mit einem ungewohnt ernsthaften Ton wurde ich schriftlich ermahnt, ich solle doch endlich mit den Dummheiten aufhören und zur Sache kommen.

Bitte lachen sie mich an dieser Stelle nicht aus, hatte ich doch schon als kleiner Junge bei meinen ersten Schrittchen eine Heidenangst, bei dem Ausflug zur Gartenpforte könnte es sich wirklich und wahrhaftig um eine Reise zum Ursprung des Lebens handeln. Nicht das ich vor irgendetwas Angst gehabt hätte, nein, das war es sicher nicht.

Es war vielmehr die bebende Furcht vor der handfesten Gewissheit, noch bevor die Reise überhaupt begonnen hatte, bereits alles zu wissen, alles, wirklich alles.

Ein ungeheures Erschrecken packt mich noch heute an jeder Gartenpforte, so eine Art übermächtige Ahnung, die mich aus der Tiefe, aus dem Unbändigen, aus dem toten Winkel wie eine hungrige Löwin blitzartig im Sprung zu Boden reißt.

Bevor diese mächtige Kreatur dann das Ende meines Daseins zwischen den Haustüren und Gartenpforten der Welt mit ihren Krallen unterzeichnet, hebt sie den Blick und verweilt eine Ewigkeit siegreich über meiner noch jungen Kehle.

Dann, in dem Versprechen der Art, sehe ich, wie die unbändig wilde Gestalt über mir senkrecht in das bislang Unerhörte schlägt und mit ihren Reißzähnen in einem grandiosen Schlag in die Tiefe den uralten Schwur im lebendigen Fleisch einlöst, das alles, aber auch wirklich alles gefressen sein muss."

aus "Licht den Tagen voran" J.G:

nach vorn geworfen


ins dasein
ein herrliches aus

J. G:

danke franz



anfang des jahrhunderts
musste man sich noch literarisch
in einen käfer verwandeln
so wie der franz aus prag
um die fluide welt
bewusster materie
als lebbare wirklichkeit
überhaupt
bekannt zu machen

heute ist es rum
beinahe
in betrieblichen fortbildungen
wird man geradezu genötigt
sich in einen käfer oder in einen baum
zu verwandeln
.
~
J.G:

Sonntag, 17. Februar 2008

an der wiege

"Von Meeresforschern erzählt man sich, dass, wenn sie allzu lange mit Delphinen zusammen waren, sie einen merkwürdig, aufstellenden Zug um beide Mundwinkel herum bekommen. Natürlich möchte ich an dieser Stelle nicht die vielen Mütter vergessen, die ja, was die Geräusche und Laute im und um das Kinderzimmer herum betrifft, eine Empfindlichkeit aufweisen, die sich mit jeder radioastronomischen Anlage auf der Welt messen kann.

Bei den ersten Lauten, ja, ich versteige mich bereits an dieser Stelle zu einer spekulativen, eine im Grunde mathematischen Formulierung aus der Welt der messenden Wissenschaften, sie betreffen all die Spekulationen um die Anfangsbedingungen unseres universellen Geschehens, scheint es sich um eine so genannte kosmische Konstante, also um strahlende Impulse mit brandaktuellen Meldungen aus dem Hintergrund des prunkvollen Palastes von Sternen und dunkler Materie zu handeln, die uns in den ersten Tagen in der Wiege des Lebens noch wie von selbst so glückselig aus der Kehle rinnen.

Nur kurz möchte ich sie darauf hinweisen, das es wegen dieser Annahme, Vermutung und Theorie, es könne diese Konstante wirklich existieren und sie könne sogar unser Leben im Alltag maßgeblich und sogar unmittelbar beeinflussen, doch einige soziale Verwerfungen, wissenschaftliche Unstimmigkeiten sowie politische Wahnvorstellungen Anfang des letzten Jahrhunderts bis in unsere heutigen Tage hinein gegeben hat.

Auch bei mir hat diese Vorstellung sichtbare wie unsichtbare Spuren hinterlassen. Das will ich ihnen an dieser Wegmarkierung der aufgestellten Buchstaben nicht vorenthalten. Äußerlich zumindest sieht man mir nicht all zuviel an, da mache ich eigentlich einen ganz normalen und vernünftigen Eindruck auf meine Mitmenschen, mit der einen oder anderen Ausnahme natürlich, doch davon später.

Gestatten sie mir an dieser Stelle einen unerlaubten Eingriff in ihr Privatleben, so eine Art Gesundheitsvorsorge. Dies halte ich unbedingt für notwendig, bevor sie sich ganz und gar der Geschichte ausliefern.

Das Schreiben von Lauten und das Lesen ebensolcher auf einem Stück Papier in einer ganz bestimmten, ja dichten Anordnung, scheint mir, für Leib und Leben nicht ohne Risiko.

Ein amerikanischer Schriftsteller schrieb in den 50ger Jahren des letzten Jahrhunderts einen kleinen Satz in einer nicht sehr bekannten, aber doch viel beachteten Erzählung. Diesen Satz möchte ich ihnen nicht vorenthalten.

„Die Wirkung radioaktiver Partikel auf den menschlichen Körper, über die man im Jahre 1959 so viel geredet hat, sind alten Liebhabern von Dichtung gar nichts Neues“

All das verführt mich zu der Empfehlung, gleich hier an dieser Stelle, ihnen, bei aller Kontenance und Respekt meinerseits vor ihrer Privatsphäre, sehen sie mal in einer unbeobachteten Stunde bei sich selbst nach. So eine Art poetischer Krebsvorsorge, wenn sie wissen was ich meine."

  ©   by  J. G:




Freitag, 15. Februar 2008

am fahrkartenschalter




„Im Zwischenstock, den zu benutzen die Hoteldirektion ihre Badegäste ersuchte, stieg eine junge Frau mit Zinksalbe auf der Nase gleichzeitig mit dem jungen Mann in den Fahrstuhl. „Wie ich sehe, starren Sie mir auf die Füße!“, sagte er zu ihr, als sich der Fahrstuhl in Bewegung setzte.
„Wie bitte?“ sagte die Frau.
„Ich sagte: Wie ich sehe, starren sie mir auf die Füße.“
„Ent-schuldigung!“ sagte die Frau und blickte auf die Fahrstuhltür. „Ich habe zufällig auf den Boden geblickt!“
„Wenn sie mir auf die Füße starren wollen, dann sagen sie´s frei heraus“, sagte der junge Mann. „Aber lassen Sie die verdammte Heimlichtuerei!“
„Bitte lassen sie mich hier aussteigen“, sagte die Frau zu der Fahrstuhlführerin.
Die Türen öffneten sich, und die Frau stieg aus, ohne sich umzudrehen.
„Ich habe zwei normale Füße, und ich sehe, verdammt noch mal, nicht den leisesten Grund, warum jemand draufstarren muss“, sagte der junge Mann. „Fünften bitte!“
Im fünften Stock stieg er aus, ging den Korridor entlang und betrat Zimmer 507. Es roch nach neuen Kalbslederkoffern und nach Nagellackentferner.“
Salinger, Nine Stories, a perfect day for bananafish

Alle haben wir unseren Zettel
Große Momente und steile Abgründe sind dort wie auf einer Schatzkarte verzeichnet.

Ein ganzes Sammelsurium von Kuriositäten und Sehenswürdigkeiten, Schicksalsschlägen und Wunder liegt wie ein ungepflügter Acker vor uns. Sehen wir uns die braune Erde genau an, so liegt die Krume mal freiwillig, mal schulisch verordnet, mal in Liebe hingeworfen auf dem Weltenkörper.

Alles ist auf diesem Zettel vermerkt, vom Anblick des dahin treibenden Planeten im All, dem Wunsch dort zu leben, von der aufsteigenden Flut der Heringe und dem Einnisten in das Mutterkorn, bis zum ersten und letzten Atemzug Glückseligkeit.

Alles ist verzeichnet, einen „½ Liter Milch, 1 Pf. Kaffee, Salat, Olivenöl, Blumen, Brötchen, Fisch, Wein“, über „Lisa hat Keuchhusten, bin beim Arzt“, bis zu „Freitag, den 16.9. Theater mit Luise, Sophie, Karl“, jede noch so kleinste müde oder helle Regung nach unten in die Physik der Grabesruh und nach oben in die sieben Himmel des Lichts, jeder noch so flüchtige Gedanke, jedes noch so zarte Gefühl, jede noch so schöne Empfindung, alles ist auf diesem kleinen Zettel vermerkt.

Eine herrliche Fahrkarte.

Auf deinem Zettel stehen: „ungewöhnliche Frau“ „wie alt“, „wie groß“, „gebunden“, „seltsame Erlebnisse“ und „aus der Tiefe schöpfen“ halbwegs und ortsfremd beieinander.

All das steht so nicht auf meinem Zettel.


Er: „Es regnet!“
Sie: „Ja, denke nur, dass es regnet“ Hamsun


Im angespitzten Beziehungsfeld der Geschlechter ist Ingeborg Bachmann bisweilen doch ein heller Wachposten. Lass mich eine Zeile von ihr aufs leere Blatt werfen. Vor vielen Jahren hat eine Freundin ein Buch über das Wasser geschrieben. Ein gutes Buch. Die einzelnen Kapitel hat sie mit Zeilen aus dem Gedicht "Böhmen liegt am Meer“ von Ingeborg überschrieben. Diese Zeile steht bei mir seitdem als heller Nachlass auf meinem Zettel.


„Ist alle Liebesmüh verloren, verlier ich sie hier gern“
Ingeborg Bachmann

Dienstag, 12. Februar 2008

am wasserloch



Eigentlich ist doch alles klar?
Oder?
Wenn da nicht das Leben selbst wäre.

Diesem herrlichen Leib aus Physik, Weib und Schokolade.

Erst halb erwacht, dümpeln und wühlen wir immer noch amphibisch in den Sümpfen unserer lichtlosen Instinkte, atmen ängstlich hinter dem Sonnenschirm des Nichtwissenwollens, inszenieren liebend leidende Pose, hintergehen klagend den Balg mit grellen Blitzen aus dem Gehirnschacht, diesem elenden Blecheimer aus rauf und runter, diesem beißenden Pumpen eines sauren Stoffes in den Lungensäcken, kriechen mit argwöhnischen Augen schmerzverzerrt zurück in das Gitterbett des Sapiens, in das erlösende Grab der Totenstille, dem kosmischen Ich und seinem lichtabweisenden Mantel, dieser schwarzen Wiege, diesem Nein-Ja-Nein, diesem mordlustigen Showroom des Sapiens.

Der Zweibeiner kriecht lieber an das erlösend geglaubte Kreuz, zurück in die geschlossene Anstalt, in die Schule der Kaserne, zwängt sich freiwillig in die modische Anstaltskleidung und bedient gehorsam den gläubigen Hospitalismus vor der Klagemauer, atmet lieber sterbende Galaxien, statt einen Augenblick Brot und Licht.

"Ich auch"
M. McIron

Sehe ich mich um, so sitzen einige andere mit mir zusammen in dem Gitterbettchen und wiegen sich im Nein-Ja-Nein Takt, wollen mit Gewalt zum Stein der Weisen, mit feuchten Träumen unter den Rock der Prälaten, wollen mit bangem Anklopfen erst eine amtliche Beglaubigung, zwängen sich händeringend nach Entschuldung in den Beichtstuhl, wollen mit wissenschaftlichen Beweise freien Einritt in die Beamtenwahrheit, wollen endlich sicher sein, wollen Jahrhunderte weiter so und ellenlang messen, bevor sie das Helle, die Sonne in ihrem eigenen Leib, als Lebensstoff, Wirklichkeit und Seele ihres Erwachens offen ansprechen und nach dem Weg fragen.

Gestern sah ich ein Interview mit Jim Rakete, einem Fotografen aus Berlin.
Er hat Plattenkameras am Start, Linnhoff und Mamiya, kosten so 10.000 Euro pro Stück mit allem drum und dran, produzieren eine brillante Tiefenschärfe, eine Läuterung, die die Nebelkinder im Alltag so vermissen und nur im kurzen Freigang um die Ecke, vielleicht im Liegen auf der Sommerwiese, in vorbeihuschenden Kinderaugen, im erschöpften "Guten Abend, was kann ich für sie tun" Wort eines Bankangestellten, im todmüden Augenwinkel eines Busfahrers beim Einwischen des Wechselgeldes, so nebenbei geschenkt bekommen.

Lohmeyer, der eloquente Frager vom Dienst, sonst ein guter Ballzuwerfer, stellte bescheuerte Fragen, so dass ich schon ärgerlich wurde über die einengende Stanzform, das Fragen einer intellektuellen Blindschleiche.

Rakete befreite sich durch nicht in die Kamera blicken, er antwortete mehr dem leeren Raum und wortsuchend dem Fußbodenbelages seines Berliner Studios.
Warum kommt mir Rakete in den Sinn?

Sehe ich mich um, sitzt Rakete neben mir im Gitterbettchen, obwohl er schon mit dem, was er tut, Linse fängt Licht ein, raus aus dem irdenen Grab ist.

Doch er wird nicht müde, sich selbst nicht zu trauen, beschmiert sich immer wieder und gerne mit Asche und vernebelt sich im Dunst des Intellekts, ja kokettiert mit dem sauren Denkstoff des Zweifels, so als müssten wir, solange wir Sauerstoff atmen, Zweifel atmen, müsste das Menschsein, das kleine Pfötchen Licht auf dem Zellfilm, vor dem Stellungsbefehl der eisernen Kommandantur des Sapiens, in Himmel, Höhlen, Höllen und Dunkelkammern wie Juden vor den Häschern im Keller verstecken.

Rakete, was soll das Versteckspiel?

Jeden Tag, wie jeder andere Sapiens, stehe ich auf und gehe in die geschlossene Anstalt eines Abgesangs, eines Zuchthauses des Arbeitskonsums, Schule der Nation. Freigang habe ich manchmal nachmittags, wenn die Tiefebene windig den Himmel freigibt und ich auf zwei Rädern raus kann, so wie Wolfgang aus Weimar vor den Bewunderern, den nach dem Mundrednern und vor den Anhimmelnden nach Italien zu den Zigeunerinnen flüchtete.

Mache ich meine Arbeitstür hinter mir zu, drehe den Anstaltsschlüssel des feudalen Grundbesitzes in seinem demokratisierten Schloss herum, gehe auf den Bürgersteig, steige in den Bus, setze mich allein, stehe gemeinsam mit anderen auf, steige aus, kaufe ein, steige wieder mit anderen ein, fahre mit dem Bus, steige aus, gehe heim. Auf den Stufen in den 1. Stock des Haues, schon vor der eigenen Haustür, nestele ich herum, versuche zuerst all die jungen Sprengstoffgürtel mir vom Leib zu binden, die mir auf dem Heimweg wie heilige Bücher von all den anderen Morgenlandfahrern heimlichst um den Leib gebunden wurden.

In der Nacht dann wieseln die Sprayer mondlos über die Gleise und hämmern wie Arthur und Friedrich die feinen Sprengladungen auf den Hochsicherheitstrakt des unbewussten Betons. Eine hochexplosive Legende schreit da von den Mauern in die Welt, eine spasmische Wahrheit aus Gangsterrapp, grell geschminkten Lolitas, einer Überdosis Zucker aus Fick deine Mutter, prügelnden Muttersöhnchen, die allesamt tagsüber auf den Kasernenstühlen der Fabriken, Büros und Schulfluren wie Fische auf dem Trockenen unentwegt vor sich hin zischen, zappeln, zündeln, nach Licht, Luft und Leben schnappen.

Das eiserne Zollamt, der knöcherne Geizkragen, das mentale Gerippe, das mathematische Kontor des eigenen Vorteils, zahlt jedoch weiterhin mit vereidigter Miene das unsterbliche Kleinod, den bewussten Leib, als sterblicher Münze aus.

Im Kopf allein wird das Ereignis zum Selbstmordanschlag und zum Triumph für all die Titanen und Lichtklauer, die schon die Massengräbern längst gewinnbringend ausgehoben haben. Heraus marschiert kommt ordensgeschmückte ehrlose Parade der Hungerleiber, Schwerhörigen, Ohrabschneider, Einsiedler, Märtyrer, Mörder, Witwen und Waisen, all die Einbeinigen, die Abfallsuchenden und all die Stillgeweinten am Ende des Zuges mit ihren Trommeln und Posaunen.

Laute Kinderleichen.

So ist das in gekrümmter Zeit, an dieser gottverdammten Ecke der kosmischen Provinz, dort wie hier, wo sich Existenzen lebend und tot ständig wieder begegnen, alles so herrlich doppelt ist und sich alles in Vorfreude auf das erste Wort im Freihafen der Küchentische und Kaffeehäuser liebend zu umarmen beginnt.


Schaut man sich jedoch genau an den Küchentischen und in den Kaffeehäusern um, hört man genau hin, so sitzen Nomaden und Sternendeuter nebenan am Tisch. An den Ufern der Zusammenkunft, zwischen all dem Kuchen, Schnaps und Kaffees, schweben die Silben gliederlösend wie weiße Wölckchen durch all die nichtsnutzigen Ohren.

Sieht man in die Gesichter der fremden Wanderer am anderen Tisch, erkennt man sein eigenes. Eine Radio am Zellgrund, eine helle Passage, kosmischer Handelsweg, hoch empfindlich für Sendungen aus dem Hintergrund des Welttheaters, empfängt sekündlich das aufhebende Signal, das alles Dasein mit dem Nullpunkt zum Traualtar trägt.

Die Tür ist offen.

Die Pest des Denkzweifels, diesem elend schwarzklebrige Stoff, der seine Spuren als ein sinnloses Ende, als eindimensionales „umsonst“ wie ein Totengräber seine Schaufel und Grabrede auf der Zellmembran allesfressend hinterlässt, lenkt das kleine Signal aus den Anfangsbedingungen notorisch und elend dumm als falschen Hilferuf auf das Schlachtfeld des gewinnbringendes Mordens, bebaut mit Denkmälern und untermalt mit philosophierenden Seufzern.

Ach und ja.


Ich sitze auf meinem Stuhl, renn in meinem Labor herum, spitze meine Feder und schreibe und schreie mich still nach unten wie ein Schlagbohrer im Kohleflöz ins Freie, so wie jeder auf seinem langen Lebensseil balanciert, solange bis die säuselnden Atome das Theater der sterblichen Verfassung verlassen, frei nach oben driften und mit einem "ichbines" endlich im Unendlichen wieder bewusst aufatmen. Dann, in einem unmerklichen Augenblick, sehe ich auf und um mich und finde mich in der weiten Ebene der Savanne wieder, wie ich mit anderen Impalas zum Wasserloch gehe und Licht hole." 

J.G:

Sonntag, 10. Februar 2008

das ganze


zu beiden seiten
ausgezahlt
fusion der sonnen
öl der grünen liebesfrucht



vollendete teilung
das greenhorn
muss nicht mehr warten
der indianer
muss nicht mehr kommen
.
  ©   by  J. G: 

Samstag, 9. Februar 2008

herrlich verlassen

"zwei tage sind zwei leben
worte sind sonnen" 


M. McIron

Ganz allein.
Kein Laut.
Ein Juwel.
Materie umarmt sich selbst
Das ewige Talent.
Beseelter Leib.
Bereits im Heben des Dolches erkennen die Mörder die glanzlose Einbildung und lassen von dem ruchlosen Vorhaben ab.

Das Poem fällt.
Im NU.
Auf das Blatt.

„wenn es zeit ist
verlasse ich die umtriebige stadt
ziehe an einem schneebedeckten wintertag
in die roten wälder“


Johan van der Leeuwen
Deine Briefe verlieren das Spröde.
Indianer, was für eine Anmut, was für ein heller Schwung in deiner Feder.

„mein geliebter
ich vermisse dich sehr
lachend bist du fort
ich blieb allein im leeren foyer
in dieser stille floss noch einmal das warme oel deiner silben
über meine heiligen hügel“ J.G:

Indianer, ich sehne mich nach deinem langen Haar, nach dem hellen Kupferglanz.


„also gut madame
studieren wir
lieben
und geben davon“ J.G:


Du bist es.
In deiner jungen, waldgrün kanadisch farbfrohen Cordhose.


„meine hände lösen sich vom lenkrad,
ja, jetzt
jetzt, wo ich dir diese worte schreibe
reißt meine gegerbte haut
der silhouette sprung aus der mächtigen nacht
zeichnet einen hellen bogen aus meiner lebenslinie
ich sehe noch einmal
wie der sichelmond in meinen wassern tanzt
fühle
wie du mit deinen schwarzen hände
das junge salz
aus meiner quelle schöpfst“ 


J.G:

der weiße tisch

früchte und blüten


„hoch tief kommen die tage zur welt
wie regen auf die trommel fällt“
van zandt


des dichters atem
vergoldet
das liebesblatt


„Ich sprengte durch jene Nacht ohne Ende, allein,
Lehmgrund streifend und Korn und Träume und Quellen.
Hinter mir ließ ich die Wälder
Zusammengeschrumpft wie Jahrhunderte,
die Bäume, die sprachen,
Metropolen, grüne, des Bodens Geschlechter“
P. Neruda

die nacht schläft
ruht in wonne


„es ist noch vor dienstbeginn
und ich sinke auf die knie
einen kinderschuh über dem horizont küsse ich den heiligen hügel
lege mein schwarzverschmiertes ohr in ihren schoß und höre
ja ich höre wie das alte glas in mir zerspringt
o was für ein glanz auf dir
mein kohleherz“ 


J.G:


der morgen
frisches erwachen
was für ein heller glanz
auf allen dingen



„Zwei Sonnen im Innenhof zogen flammend ihre Bahn“
M. McIron

und dann das gartenbett
im dunkelroten mohn
ganz dicht
bei all den grünen gräsern
die blauen himmelsdecken

Ganz und gar Sie.
Mit einem Lungi um die Hüften sah ich sie von der Terrasse kommend.
Erfüllt hinaus ins Freie.
Nur kurz.
Die Farben gewischt.
Für den Bruchteil einer Sekunde nahm ich das in Sommerfarben hingeworfene Bild an mich.
Beglückt auf der Erde.
Der Indianer saß vor seinem Tippi.
Sie, den Blick in Rosen.
Wonnetrunken.
Leicht aufgestützt, die Ellenbogen auf den angezogenen Knien.
Tabak in der rechten Hand. Wolken machend.

„Sie ritt in jener Nacht
den besten aller Wege“
G. Lorca


  ©   by  J. G: 


Donnerstag, 7. Februar 2008

alles so zart...

...so hingeworfen
„Wir haben die Poesie,
die bare Münze,
damit wir nicht im Sterblichen zu Grunde gehen“ J.G:

Wie gut wir miteinander sind, wenn wir uns haben.

„Bob Parker legte sich den Namen Cassidy zu
und ritt in ein neues Leben,
das nach Pferden und Leder roch
und keine Grenzen kannte“ 
Bruce Chatwin

"Indianer, es ist nicht nur die ängstliche und eitle Sehnsucht nach einem trauten Heim, sondern eher das stille Begehren und der laute Wille die Klamotten gut zusammen zuschmeißen und etwas Neues zu beginnen. Mit dir, ja mit dir sage ich, doch die zivile Gleisanlage verwehrt mir die Einfahrt auf das herrliche Abstellgleis in den Bergen. Nach so viel Liebesstunden, so viel Hingabe an das Dasein fühle ich den silbernen Strom und das an den Ursprung erinnernde Salz „ich liebe dich“, das in meiner Herzkammer schlafend in seinem Seelenbett liegt.

Indianer, wir schreiben die Tage, sehnen, verlieren, mailen, telefonieren sie notdürftig und liebend zusammen, was dir und mir so fehlt ist das Leben der Tage. Wir geben das, was wir sind, so wie es auf der ägyptischen Säule der Isis eingeschlagen zu finden ist: Ich bin, was da ist.  

©   by  J. G: 

das urteil


„Passieren lassen“
M. McIron

Handlungsanweisung der Nomaden und Sternenndeuter.
Heimwärts.
Nach vorn.
Zum Ursprung hin.

Die Evolution erwirbt ihren nächsten Lichtsatz.


„Alles ist zweifach eins“ J.G:

Bislang als nicht handhabbar, zu gefährlich für die einfachen Menschenhände, wurde diese strahlende Invasion verwaltet, verschlossen, verriegelt, verbannt in Archive von Jenseits und Hölle.

Religiös als strafende Instanz und Fegefeuer, wissenschaftlich als unentschlüsselbares Unbewusstes, militärisch als staatliche Atombombe, zivil als unsägliche Terroranschläge, politischen mit der steuerlich feudalen Lebensverwaltung in Arbeit und Konsum, betriebswirtschaftlich in automatisierten Produktionsstätten, krankhaft infiziert mit dem tendenziellen Fall der Rate, dem blutleeren Strich von Massenentlassungen und der fanatisiert entfesselten Schlagzeile von totaler Leibeigenschaft, der seelenlosen Fron eines digital überwachten Arbeitskonsums.

Die Spezies Sapiens wird in ihrer  Denkart im zivilen Menschenzoo als nützlicher Idiot, als arbeitendes Alibi gehalten, ihrem inneren Begehren nach Licht und Leben, nach Freiheit und Kreativität nur scheinbar mit moderner Stimmabgabe nachgegeben.

Mit Abgaben und Steuern amtlich in Iris und Gen ordnungsgemäß identifiziert, darf sich der Steuerbürger mit Moral, Schulwissen, Fortpflanzung, Arbeit und Konsum schwer beladen und bis zur Grablegung ordentlich beschäftigen.

In Andacht zu verfallen ist dem Bürger von Amts wegen nur monetär bewilligt.
Münzverhaftet.

Schamrot sitzen all die Lampenklauer im Pantheon des gemeinen Volkes, unserem nach allen Seiten hin offenen Geburtshaus, entmündigen uns mit dem feudalen Schein von freier Wahl, stehlen uns das weite Licht.

Nichts sagend sitzen die blutleeren Figuren meinungsmachend da, all die Stellvertreter der Geheimdienste, all die Direktoren der toten Museen, die Abteilungsleiter der zivilen Ämtern, all die Prälaten des seelisch leer gepredigten Kirchengestühls, all die Vorstandsvorsitzenden des Zins und Zinseszins, all die Einkäufer des wissenschaftlich erprobten Kriegsgeräts, all die verratenen Verräter, all die Mörder ihrer Mörder, all die schlagkräftigen Chefredakteure der monströsen Überschriften, all die entpolitisierten Generalvertreter weißer Häuser.

Die zwölf Wirtschaftsweisen reisen ab.

Der Schatz des Priamos ist gefunden.
Es ist wahr.
Hintergrundstrahlung passiert.
Fundamental Alles.
Alles Tote und alles Lebendige.
Alles.
Beides gleichzeitig.

Übergang.
Die privaten Terroristen und staatlichen Generäle legen die Waffen nieder.
Lassen alles Sein.
Geben endlich Ruhe im Buch der blutigen Denkmäler.
Private Bombengürtel abgelegt, staatliche Atomraketen verschrottet.

Mütter und Soldaten pflanzen Erdbeeren, ernten Kohlrabi im eigenen Garten.
Die Väter lesen am Strand, spielen mit den Kindern.
Großvater streicht das Haus neu.
Großmutter studiert an der königlichen Akademie.
Die Kinder balancieren mit einer roten Wattejacke auf der eingefallenen Mauer.

Der Mensch hebt sich selbst auf.
Der Beginn in allem Diesseits.
Jenseits im Licht.
Eins. Zwei. Drei.
Unsterbliches im sterblichen Kleid.
Gold des Körpers.
Sonnenseele.
Physisch bewusst.
Da ist er.
Der Garten Eden.
Erde.

J.G:

Mittwoch, 6. Februar 2008

nach vorn

zugrunde
strömt der leib
licht holen
.
~
J.G:

ich bin du


ein freier

was ist
amerika


indianerland
.
~
  ©   by  J. G: 

break...

... on through to the other side“ J. Morrison


„Erfinden wir die Götter neu,
all die Mythen der Äonen,
feiern wir Symbole aus tieferen, älteren Wäldern.“
J. Morrison

Dienstag, 5. Februar 2008

an der liebe

madame
entzündet sich die karriere
des menschen
eine attraktion
der gottlose abstieg
in die göttliche materie
madame
unermesslich
zeitlos
ungeboren
unwandelbar
unergründlich
unendlich
erhaben
ewig
einsam
alles da
.
~
J.G:

nackt



mit ihnen
am strand
madame
herrlich

von mir geworfen
sind all die spiegel
ins blaue hinein

o madame
mit ihnen
verlasse ich das rad
quittiere arbeit
und wiederholung
bin entbunden
aus der null

madame
der kleine ausflug
in all die leuchtenden körper
hin zum weltenanfang
o madame
mit ihnen am strand
welch süße hingabe

madame
sehen sie doch nur
meere brechen auf
fluten sie und alles ich
unverhüllt nach oben

so ganz dicht
madame
an ihrem feuermund
kann materie sich erinnern

hier madame
kommen sie
der breitengrad
nach innen
kommen sie

madame
was für ein süßer sprung
überquert hier den horizont
alles masselos
nach vorn geworfen
erwacht materie

o madame
der ewige strahl
passiert den augenblick

madame
wir sehen uns ungeteilt
hier
die münze
schnell
ins blaue hinein
.
~
© by J.G:

Montag, 4. Februar 2008

in der liebe

die alles ist
findest du
an der grundlosen kuhle
in allen schemen
dem geraune
alles und nichts
unter dem leichentuch der fauna
der membran deiner billionen zellen
auf einem goldenen vlies
hellauf
zwei in einem nest

J.G:

junger garten

im sechsten mond zinnoberkühl 
 an deinem leichtblauen boot bin ich berauscht 
von tausend verwaisten äonen 
möchte schlafen
schwarze banditen in prächtigen sätteln 
rauben mir aus den himmeln purpurworte 
 langobarde 
wildlicht 
zur halben nacht 
dann noch vor allem 
lass ich mir von dir den schuh ausziehen

© J. G:

mein könig




"... Beides muss ins Wort, so wie Liebende sich umarmen.

Mein König, im Kessel der unvereinbaren Gegensätze treibt die Welt wie ein großes Passagierschiff in eiskalter Nacht in das bereits aufgerissene Maul eines weiteren Krieges.

Während das Schiff unter der Generalität der Kriegskaste des Sapiens und unter dem Befehlsstand einer geteilten Welt auf die Katastrophe zusteuert, haben Besatzung und Passagiere bereits begonnen sich privat aus den religiösen und politischen Befehlsformen der Welt zu lösen.

Diese Abwendung zeigt massive Wirkung auf der Kommandobrücke der Kriegsfinanz. Mit dem Abbau privater Freiheitsrechte wie mit legitimierten Abhöraktionen und öffentlichen Überwachungsmaßnahmen sollen die Desertierten wieder zurück gebracht werden in die entseelten Kasernen von Arbeit, Konsum und bewachter Harmonie.

Mein König, das Schlüpfen des Schmetterlings am Baum der Erkenntnis ist für alle weithin sichtbar.

Mit der neuen Sprache, die beides in ihren Gegensätzen aufhebt, mit der lebendigen Grammatik mündlicher Überlieferung, wird der ewige Streit der Brüder, auch der im Heiligen Land, beigelegt werden können.

Die Menschen, bekleidet in den nativen Traditionen ihrer Herkunft, nehmen weise nach und nach davon Abstand zu sagen, dies ist mein Land.

Das ist der erste Schritt.

Sie werden die römische Rechtsposition des Stärkeren ablegen und es als Friedenszeichen empfinden, das ihre Gotteshäuser so nah beieinander stehen, kohärent, so wie das Licht seit Anbeginn der Welt an beiden Orten gleichzeitig ist und keinen Ort dem anderen bevorzugt.

Eines Tages werden sie sagen, dies ist unsere Land, so wie dies unsere Erde ist.

Ist das Wort „unser Land“ gesprochen, hält der Friede in den Herzen des gelobten Landes Einzug.

Mein König, ich sehe und fühle das Leiden dieser Welt, ich trage es in seiner Unbewusstheit hinfällig an meinem Körper. Es ist der Schatten auf meiner Seele, der wie ein schwarzes Tuch die Sonne verdeckt.

Um dieses Kreuz aufzuheben, den heraufziehenden Krieg unberührt wie ein Gewitter am Horizont vorüberziehen zu lassen, ist es an der Zeit, dass die Sprache der Einhelligkeit Einzug hält in die Häuser, Plätze und Herzen der Welt.

Mit dem erhellenden Wort hebt sich das schwarze Tuch der Teilung der Welt, das seit Jahrtausenden wie ein Leichentuch auf allem Lebendigen und Toten ruht.

Mein König, die Sterne stehen günstig.

Schon in der letzten Dekade vollzog Sapiens innerlich die Abwendung von den alten Systemen der Kriegsfinanz und der leidvollen Zerstörung von Leben und begann separat vom medial inszenierten Waffengang der Stellungsbefehle im privaten Unterstand mit der Hinwendung zum friedlichen Miteinander. 

In den letzten Jahrzehnten gab es einen weiteren Schritt nach vorn, den man als inneren Durchbruch, das Betreten eines neuen Kontinents auf der Weltkarte einzeichnen kann.

Ganz und gar unbemerkt von den Reglementierungen staatlicher Verwaltung, abgeschieden von der Arbeits- und Konsumwelt, abseits der hassdurchtränkten Propaganda der fanatisierten Kriegsparteien, erreichte der Mensch im Sapiens einen inneren Aufgang, zu einem Hellauf, einem bewussten Miteinander.

Dies alles geschah unmerklich, still und leise, am Rande der großen Städte und Ereignisse, fernab aller künstlichen Beleuchtungen, genetischen Manipulationen, falschen Bilanzen und elektronischen Apparaten.

So wie der modernen Physik die masselose Einfahrt in die Wirkungswelt atomarer Teilchen gelang, so wie die Biologie mit einer weiblichen Röntgenbeugung in das Vorzimmer des Zellmechanismus eindrang, so wie die Astronomie mit der Rotverschiebung das Ohr an den Rand des kosmischen Beginns legen konnte, so war auch des Lebens Menschliche in dieser Zeit des elektronischen Aufbruchs an den horchenden Rand der Welt nicht untätig.

Gewaltsam aufgebrochen von dem Ereignis der zerstörerischen Auswirkungen der Kernspaltung sowie hell entflammt von der inneren Ansicht eines strahlenden Kontinents, gelang dem Homo Sapiens der naive Schritt auf die rettende Anhöhe, dem nächsten lichten Delta der Evolution. So wie an diesem heutigen Morgen, vor hunderttausenden von Jahren, der erste Primat von den Riesenbäumen stieg und mit nackten Füßen die weite Ebene des Geistes betrat.

In einer warmblütigen Ausdehnung, die der mechanischen Ausdehnung der Wissenschaft in die Mikro- und Makrowelt des Universums in nichts nach steht, umrundet "das ich weiß" des Sapiens heute auf allen Kontinenten im privaten Alleingang demütig staunend die innere Sonne, erkennt den hellen Stern des Miteinander als den ureigenen Anfang menschlichen Daseins in diesem Leben.

Aufgehoben in diese Erkenntnis wendet das menschliche Antlitz sich nicht nur von dem Besitzstand einer geteilten Welt ab, von seiner selbst zerstörerischen, seiner sprachlichen wie unpolitischen, feudalen Verwaltung, sondern steigt auch souverän über den ruinösen Ast einer Kriegskaste, deren Wachstumsformel nicht Leben, sondern nur Geld heißt.

Er wendet sich ab von der politischen und religiösen Aufteilung der Welt in zerstörerisch parteiliche Interessen. Er verlässt die Fabriken und die Büros, in denen der verheerende Druck des Kampfes ums Überleben inszeniert, geplant, verwaltet, produziert und verkauft wird. Er wendet sich ab von einer börsennotierten Kriegswirtschaft, die die Kulturen und Völker der Welt in einen weiteren für sie profitablen Vernichtungskrieg ideologisierend treibt.

Inmitten der politischen Vormundschaft und religiösem Kuratel eines schwergewichtigen Metabolismus, löst der Mensch des Miteinander sich aus einer leeren Wachstumsformel, windet sich aus dieser hohlen, gewinnsüchtigen Verpackung, entsteigt diesem sterblichen Kokon und wendet sich mit Herz und Verstand ab, um das Eigene, das Herz-Selbst eines Jeden in großer kultureller Vielfalt und in einem friedlichen Miteinander einzulösen.

Autorisiert von dem narrativen Wissen und dem wärmenden Gefühl der inneren Freiheit, selbst den Weg gehen zu können, wendet er sich mit Freude und Verantwortung dem Ideal der kreativen Teilnahme an der Schöpfung zu.

Mein König, damit ist die zweite Kopernikanische Wende abgeschlossen.

Ausführlich ist diese Darlegung in einer Rede nachzulesen, die ich auf Einladung des Club of Rome gehalten habe. Der Akademie lege ich diese Rede mit dem Titel „Creamus ergo sum“ schriftlich vor.

Mein König, die physische Gewinnmitnahme dieser für alle militärischen Geheimdienste unsichtbaren Umrundung war, das Materie und Leben in einer aufsteigender Reihe bewusst sein wollen, sie schon vor allem und in allem ein strahlendes Ereignis, ein abenteuerliches nach vorn, ein leuchtendes abenteuerliches Heimwärts sind, da, wo noch niemand war.

Mit der Umrundung der eigenen, inneren Sonne wurde die Einsicht in die Kohärenz von Materie und Bewusstsein unmerklich im mentalen Lebenskörper eingelöst und an den Küchentischen und in den Cafehäusern mit ersten Atemzügen vollzogen.

"Licht passiert" J.G:


Auf dem atmenden Bogen der mentalen Entwicklungsgeschichte können wir einen neuen Frühling erkennen. Erstmals erweisen sich im Lebenskörper Materie und Bewusstsein als äquivalent, so wie vor 100 Jahren auf den Rechenblättern der Physik Masse und Energie

Mit diesem privaten Aufgang ist die Sprache einer vielfältigen Einhelligkeit bereits im Entwurf.

Die Entwicklung hat nicht allein Ähnlichkeit mit den Vorgängen von vor 200 Millionen Jahren, als die Dinosaurier mit dem Stoffwechsel der Wechselblütigkeit die uneingeschränkte Herrschaft auf dem Planeten stellten.

Auf und um die großen Zehen dieser tierischen Wachstumsriesen kam nächtens ein besonderes Schauspiel zur Aufführung. Kleine Mäuschen tanzten im Schein des Mondes den Tanz der Unabhängigkeit von Temperaturschwankungen. Die Warmblütigkeit war erfunden. Mit dieser Organisation der molekularen Anordnung der Atome, mit dieser warmblütigen Konstante im Austausch der Elemente, bereiteten die kleinen Nager das Entstehen eines mentalen, eines von äußeren Einflüssen unabhängigen Ereignisfeldes vor.

Mein König, ähnlich der Organisierung der Warmblütigkeit ist auch der vor uns liegende Erkenntnisgewinn nicht mehr aus der Welt zu schaffen, so wie der Landgang eines Fisches, wie die Flügel eines Reptils, wie der Samenflug einer Pflanze und so wie die beobachtende Erkenntnis der vielen Sternengucker, das sich die Erde um sich selbst und um die Sonne dreht.

Mitten im eisernen Schlachtenlärm, dem zerstörerischen Verteilungskampf um fossile Ressourcen, wurde still und heimlich an den privaten Universitäten, den kleinen und großen Küchentischen der Welt, eine Wirkung, eine Kraft, eine Energie, eine neue Art zu atmen im sozialen Stoffwechsel des Lebens, im Zusammensein freigesetzt, der bewusster ist als alle politischen Verwaltungssysteme von Masse und Energie.

Bei dieser Kraft handelt es sich um ein mentales Wirkungsfeld im Zellorganismus. Das Wirkungsfeld vereint auf einer höheren Lebensebene politische und soziale Gegensätze differenzierter, berücksichtigt beides und bringt jedes für sich in wandelnder Vielfalt ans Licht.

So wie man Teilchen und Welle nicht mehr voneinander trennen kann, so kann man im globalen Wirkungsfeld sozialer Beziehungen „Ich“ und „Welt“ nicht mehr voneinander in unvereinbare Gegensätze trennen.

Aus dieser inneren Lebensphysik entsteht eine aufsteigende, hoch differenzierte Verbundenheit zwischen „Ich“ und „Welt“, die sich kreativer und differenzierter aufteilen und zur Wirkung bringen lässt, als es das rationale Maß des Sapiens je konnte.

Mein König, der große Boxer Muhammad Ali wurde einmal in Harvard von der versammelten Gemeinde der akademischen Elite um ein Poem gebeten. Blitzschnell, so wie er im Ring mit den Fäusten wie eine Biene zustach, so schnellte er zu Verwunderung aller Anwesenden das kürzeste Poem der Welt in die Menge: „Me We“.

Das Auditorium war begeistert

Das Wort  ist in der Welt."

   ©    4. Februar 2008  by  J. G: 

überaus

 still ein blatt im wind   ©   by  J. G: