Dienstag, 26. August 2008

sunset boulevard



"Meine ganz private Vermutung bleibt, hier haben wir es mit einem schwarzen Arbeitskasten unbewusster Administration zu tun, aus dem Licht weder raus noch rein darf. In langen Fluren und völlig abgeschirmt vom eigenen Lichteinfall wird das souveräne Haupt der Zellen rund um die Uhr mit einem eisernen Katechismus messender Religiosität rational für Arbeit und Konsum dienstbar gemacht.

Was immer das auch sein mag, doch dieses zivile Maß frömmelnder Primaten besteht in der gesetzlich verordneten Vorschrift, zwanghaft ganze Lebensgenerationen  arbeitend zwischen Null und Eins hin und her rennen zu lassen, obwohl es doch schon die Spatzen von den Dächern pfeifen, das alles eins und jedes beides ist.

Eine halsbrecherische Klettertour, die ich Ihnen zumute, sozusagen eine erhebliche Sondervorstellung liebender Substanz an beiden Orten gleichzeitig zu sein. 

Es ist so, als würden sie von allen Zellen, aus denen die Evolution sie im Laufe von 4 Milliarden Jahren zusammengesetzt hat, und das sind nicht wenige, nach Auskunft der universitären Elite sollen es 100 Billionen davon allein in einem Körper sein, als würden sie also von allen Zellen ihrer Lebensmaterie die alte Projektionsfläche, die Zellmembran entfernen, so wie die Projektionsfläche in dem Kino, in dem Sie gerade Platz genommen haben.

Eines kann ich ihnen versprechen, langweiliges Abonnementtheater ist dies gewiss nicht, eher könnte es zu einer Aufführung auf dem eigenen Sunset Boulevard werden.

Allerdings, dies will ich vorsichtig formulieren, bei der ersten Aufführung dieser Art, würde ich erst einmal mit keinem ausverkauften Haus rechnen. 

O.K., ich sage ihnen die Wahrheit, das ist für die weitere Reise nicht nur in diese Zeilen unerlässlich. In den ersten Hundertmillionen Aufführungen werden sie am Eingang keinen einzigen Besucher begrüßen können. Den einzigen, den sie als Gast in ihrem eigenen Kinotheater sehen werden, sind sie selbst.

Das heißt nicht, das sie allein sind, keineswegs. Sie sind bei dieser Aufführung ohne Leinwand angehalten beides zu sein, beides gleichzeitig, ganz simpel, so wie es in der ursprünglichen Fassung der Entstehung des Lebens im Drehbuch steht, Schauspieler und Publikum, Teilnehmer und Beobachter, Einzeller und Mehrzeller, Mensch und Gott in einer Person. 

In dem engen Maß ziviler Verfassung ergreift uns zumeist in der Nähe einer solch masselosen Identität, ein sehr befremdliches, haltloses, schwindelerregendes, ja zutiefst ängstliches Empfinden, ein irrsinnig machendes Gefühl wahrer Unwirklichkeit, mit dem wir den Kochtopf unseres schlichten Daseins unglücklich befeuern. 

Gleichsam kommt es vor, dass die politische Spezies des mentalen Zwielichts, diese unmittelbar, an das Herz klopfende, helle Nachbarschaft, beides gleichzeitig zu sein, ruinös ignoriert und mit der akademischen Beschriftung von Sinnestäuschung, Trugbilder, Irrlichter, Phantasmagorien, Hirngespinste, Delirien, Illusionen, Chimären, in das zivile Gruselkabinett der Halluzinationen abheftet. Das sieht nach einer ziemlich schlecht bezahlten Anstellung in Zeit und Raum aus, nach einer erbärmlichen Position in dem Unternehmen „Arbeit macht frei“, einem mentalen Vorposten, der sich in dem engen, zerebralen Zirkus Jahrhundert um Jahrhundert in einer Gemeinde von Ignoranz und Torheit, in dem engen Kästchen Lebenstod, selbst gefangen hält.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich an dieser Stelle der Geschichte auf sie keinen vertrauenswürdigen Eindruck mache und als Mitglied der Spezies des Homo Sapiens doch einen recht unvollendeten Blick auf den Zustand meiner abgestammten Art zulasse. 

Doch ich habe ihnen bereits zu Beginn meiner Erzählung versucht mitzuteilen, dass auch an mir die Ahnung, es könnte eine kosmische Konstante den Ablauf des Alltags unmittelbar bestimmen, Spuren hinterlassen hat."

  ©   by  J. G:

lichtfallen


"Nur einmal ist es mir bisher gelungen im Niederfahren in das Lilienweiß der Augen des Geschöpfs zu blicken und dieses Gloria, dieser ungeheuer strahlende Stillstand von allem, diese alles durchdringende bewegte Unbewegtheit als Lichtsatz irgendwie Halsüberkopf in meine Kamera zu schaffen. 

Vor der Veröffentlichung der Zeilen dieses Buches habe ich arg gezaudert, ich gebe es zu, ich hatte Angst, große Angst, eine alte Kinderkrankheit des erwachsen Lebens vor sich selbst, die Angst, dass diese feine Porzellantasse, bevor man auch nur einen Schluck daraus genommen hat, auf dem Transport vom Mündungsdelta in die Metropole, zu Bruch gehen könnte. 

Ich muss ihnen gestehen, meine Billionen Zellen drohten nicht nur in langjährigen, mühevollen Behördengängen des industrialisierten Daseins vorzeitig in der freudlosen Mechanik der Arbeit zu erstarren, sondern in dem Herumirren in trüben Verwaltungsschächten bemerkte ich auch bei dem Versuch die diaphane Kostbarkeit wohlbehalten durch Zeit und Raum zu tragen, eine schauerlich verschulte Herrschaft, die unermüdliche dabei ist, meine kindliche Neugier im Staub der Anweisungen und Verordnungen zu beerdigen. 

Mit Übermut und Leichtsinn überspringe ich seit vielen Jahren diese morsche Sprosse am Stammbaum des Sapiens mit aller mir aus Kindertagen noch zur Verfügung stehenden Freude am Dasein.

Es ist für die Quantenkatz, eine ewige Dummheit der unbewussten Art, sich selbst überzeugen zu wollen. Ein ruinöses Verfahren staatlicher Verwaltung, das lebendige Gold behördlicherseits genehmigen zu lassen, damit es privat endlich glänzen kann.

Ich habe mich entschlossen, das Bild werde ich trotz aller Bedenken, in diesem Winter veröffentlichen, denn schon beim Entwicklungsvorgang im Labor, als das Bild wie aus dem Nichts aus der Tiefe des Zellvakuums auf mich zuraste, sah ich mich vertikal in der Erdmitte nach oben hin in dem hellsten der drei uns bekannten Himmel festlich belichtet. 

Das Gefühl herrlich verletzt zu sein, ragt seit dem Anblick dieses Bildes aus meinem linken Schulterblatt wie ein Pfeil, der mich von vorn im luxuriösen Fall durchbohrt." 

  ©   by  J. G: 

so spät noch

Monsieur,  kommen sie herein mein Atelier steht ihnen offen ach ja das große Bild bin noch nicht ganz fertig ihren Brief habe ich gelesen si...