Donnerstag, 31. Mai 2012

warten sie nicht


ich komme mit


an diesem losen tag
singe ich auf den treppenstufen nach unten
schnippe mit den fingern

I say goodby
to my eyes the old
I say goodby
to my mind the old

I say adieu
another lover then I heard
no path
no course
no end or goal 
there was

alles ohne amboss und klavier
schon in der früh
eine umarmung im kohlenkeller

da fällt der alte friedrich wilhelm hegel hinterrücks auf die knie
so wie van morrison mit seiner stimme vom kieselstrand
I`m down on my knees
für´s umdrehen braucht es keine zeit
aber lange dauert es, sehr lange
bis ich ihn sehen kann

ein unbemerkt häufiger beginn
kupferhände mit 2 briketts
jetzt das schwarze gold in meinen atemzügen
der verzicht kommt ohne brandung
die milliardenfrage löst sich leicht

das nacheinander hat ein ende

ich bin überrascht seine stimme zu hören
sie schrillt mikrophon
wie ich sie aus einigen vorzimmern von
sekretärinnen kenne

kommen sie, wir gehen nach oben, sage ich
nehme ihm dabei die zwei briketts ab
drücke ihm dafür 3 dosen erbsen
in die hände und sage
meine freundin besucht mich heute abend
kommen sie
selber nehme ich 2 flaschen wasser
und ein paar äpfel

im treppenehaus tippt er mir von hinten auf die schulter
und sagt, er fühle sich mißverstanden
vor meiner haustür im 1. stock starre ich
auf seine kleinen knorrigen hände
er betrachtet meine füße ohne schuhe und sagt
als ich den schlüssel im schlüsselloch umdrehe
nicht erst seit 200 jahren

mit der rechten fußspitze stoße ich die tür auf und sage
die dosen können sie auf die fensterbank stellen
dort drüben

auf dem küchentisch glänzt eilig das magazin
ich lege
die 4 stumpfhäutigen äpfel drauf und verfolge
seinen dünnbeinigen gang durch die küchentür

besonders mißverstanden hat man mein
gedrucktes wort, dass alle
weltgeschichtlichen tatsachen sich 2 mal ereignen
sie schreiben
einmal als tragödie
und ein anderes mal als lumpige farce

vor dem fenster in meinem zimmer
wurschtelt er die gardinen beiseite
meine lenden folgen in einem grandiosen fall
seinem blick ins freie

mir kam damals dieser gedanke
als ich meine schwarzen schnürschuhe
zum schuster brachte
ich rufe ihm aus der speisekammer zu
reden sie ruhig weiter
ich höre schon

die sohlen unter meinen alten schuhen waren nach
8 jahren abgelaufen
es war die zeit der phänomenologie des geistes

ich höre
reden sie nur
ermunterte ich ihn

...aber die kugelfläche
die welt des individuums
hat unmittelbar die zweideutige bedeutung
an und für sich seinende welt
und lage
und welt des individuums
entweder insofern zu sein, als
dieses mit ihr nur zusammengeflossen wäre...“

kaffee oder tee, rufe ich
tee
ich halte mich
atmosphärisch quer im türrahmen
den sahnebecher in der einen
in der anderen hand den mixertopf
und sehe
wie er mit erdkrummem buckel langsam auf dem
parkett hin und her wiegt
und dabei beide händchen
wie wundpflaster auf seinen augen liegen

...zusammengeflossen wäre
so sie
wie sie ist
in sich hineingehen lassen und
gegen sie nur als formelles bewußtsein
verhalten hätte...“

er dreht ab auf seinen logikbauch
hebt den kopf
muschelt seine ohren mit kupferglanz
und ruft laut
hin zu den ackerwinden
so wie damals der choreograph bei neruda

...oder aber welt des individuums so zu sein
wie das vorhandene
von ihm verkehrt worden ist“

die letzten dramatiker sterben aus
wie die elefanten in afrika, sagte ich 
und rutsche am rahmen
nach unten
wollen wir sie vor dem aussterben retten
vielleicht einen verein gründen

ist es nicht eine tragödie
wenn ich meine alten schuhe zum schuster
bringen muss, nur weil ich annehmen kann
dass es möglicherweise 2 thaler kostet, 
und ist es
eine lumpige farce, wenn
ich nach 8 jahren meine guten sohlen ansehe und
feststellen muss
dass dieses leder durchgelaufen ist,
 also
löcher hat und ist
es gleichwohl ein lebensbedrohlicher grund zur sorge
wenn ich diesen vorgang
in meinem leben
vielleicht 10 mal wiederholen muss

ist die geschichte
ein tragödie
gleich einer neuen schuhsohle und
ist sie eine lumpige farce
gleich einer abgelaufenen sohle, 
wenn sie sich so
überwindet

aus heller bronze lache ich ihn an
auf dem boden vor mir
liegt die orginalausgabe
eine lose blattsammlung
ungebunden 162 cm, friedrich wilhelm
helga, wie meine freundin ihn am abend
liebevoll nennen wird

morgen werde ich in der zeitung lesen
dass ein englischer historiker
zu der auffassung kommt
geschichte ereigne sich sogar zweimal als tragödie

mit diesen worten steht er auf seinen kleinen füßen
vor mir am türrahmen, nimmt mir den mixertopf
und die sahne aus den händen
zieht mich aus dem bild und sagt
kommen sie, gehen wir in die küche

hier, sage ich
haben sie einen mixer für die sahne
stecken sie den stecker in die steckdose
dort
aber passen sie auf mit der elektrischen energie

so langweilt man sich nie
schreiben sie in den zeitungen, sagt er
mögen sie apfelkuchen, frage ich
wir warten am besten auf ihre freundin
antwortet er

 ©   by  J. G:

Sonntag, 27. Mai 2012

auf keinen fall


"die nation am volksempfänger
der führer spricht
konsum macht frei"


politisch 
waren wir uns meist einig
sie  schon immer göttlich 
und ich noch mensch
keine autoritäten
bis auf die große mutter
mütterlicherseits
das helle kind meiner schwester
und den geigenlehrer meines sohnes
wir waren anarchisten
freies land
über geschmack stritten wir selten
im grunde
verstanden wir uns überhaupt nicht


J.G:


pfingsten zwölf









viel trouble in der welt
mathematisch
auch bei mir
keine bevorzugte stellung
im universum
im grunde
fühle ich mich 
im überall 
wohl

J.G:

uneben


unendlich land
nicht periodisch


J.G:


Donnerstag, 24. Mai 2012

poesis




Das Denkmal des Sapiens, 
eine nur schlecht beleuchtete Bühne.

Von morgens bis abends und noch im Schlaf
immer nur Sein oder Nichtsein.

Ein teuer und scharfbewachtes Plakat aus wahnwitzigen Fluchtszenarien spielt sich da seit Jahrtausenden auf den Brettern nach oben und unten, nach links und rechts gegen die eisernen Wände des kleinen Denkkästchens ab.

Eine irres Rennen mit dem Kopf gegen die Wand.

Eingeschlossen im Blendwerk des Endes von allem bleibt den Darstellern auf der Bühne der müden Großraumbüros, der schwindelnden Glaspaläste, der lärrmenden Montagehallen und in den religiösen Kampfanzügen im letzten Akt nur der heldenhaft besteuerte Mehrwert der Selbstzerstörung.

Zerstört werden muss, was zuvor im kleinen Denkkästchen über Jahrtausende mit einem monströsen Bauwerk weltlich angerührt und mit Eisen religiös vernietet wurde: 

Das Teilchen ruinöser Lebensphysik.
Die sterbliche Münze.
An der Börse gehandelt als erste Substanz des Alls.
Idiotischer Zinseszins.

Die Werbebanden des börsennotierten Hütchenspiels fingern mit weißen Nasen in ihren Propagandabüros in der Kaufhalle des Sapiens und berechnen auf dem Absatzmarkt von Landminen und Analogkäse raffiniert den Profit der Selbstzerstörung.

Die Bonifikation: münztrainierter Lebenstod.
Provinztheater.

Mit einem industriell befehligten Waffengang entledigte sich in den 1000den Jahren die Spezies des Sapiens fast der gesamten Hochebene der Natur, von dem Wissen der nativen Kulturen, über die Weisheit der Kräuterfrauen bis hin zu der Vielfalt der benachbarten Lebensformen in den Meeren, auf dem Land und in der Luft.

Der Mensch löst das Billet für diese ruinöse Lebensversicherung nicht mehr ein, verweigert das militärische Anwerben, kündigt über Nacht seinen Dienst in der Kolonialarmee des sterblichen Gewinns.

Die Logik des Wachstums, die Chimäre des reichen Überleben, die gottgegebene Aufteilung in Arm und Reich, in  Leben und Tod, verliert die Anziehungskraft.


Auf dieser unbeschriebenen Seite passiert es.
Das Blatt wendet sich.
Ein Wirkungsquantum passiert seit Äonen radioaktiv das Geschehen.
Informiert rund um die Uhr.

Dieses Wirkungsquantum enthält eine systemische Information für den Aufbau von bewussten Lebensformen, die jedoch vom Kopf des Sapiens in Gänze ins Unterbewusstsein eingesperrt, bei Tage beschattet und mit einem Verwaltungsapparat zensiert wird:

Die Äquivalenz von Materie und Bewusstsein.

Hundert Jahre nach der Aufdeckung der Gleichungsbrücke von Masse und Energie folgt an den Küchentischen und Cafehäusern der Welt die Aufdeckung der Äquivalenz von Materie und Bewusstsein.

Diese Hochzeit findet nicht im Kopfwerk, der Fabrikhalle des Sapiens, sondern im gesamten Körper ihr Notenblatt.

Im Hirn glimmt diese Information als Gedanke zeitlich nicht nur nach.

Im Zerebrum allein gelassen werden daraus nur Sprengstoffgürtel, Geheimdienste und Atomsprengköpfe. 

Für das Wahrnehmen dieser Passage gibt es im Körper eine radioaktive Empfangs- und Sendestation: 

das Mental der Zellen. 

Vom Werkschutz der binären Gedanken unbemerkt passiert die Information als Strahlungssatz auf der Zellebene den Lebenskörper. 

In der Zelle gibt es für diese Sensation ein spezielles Ereignisfeld.

Beides.

Über einen sehr weiten und kosmisch ausgedehnten Gegenwartsraum haben die Zellorganismen diesen Vorgang studiert und einen schönen Bahnhof mit einem herrlichen Wartesaal für diesen Personenzug geschaffen.

Der kosmische Lichtsatz passiert auf diesem Zell-Bahnhof den gesamten Lebensorganismus.

Der Körper kann so in allen Teilen die radioaktive Information aus dem Hintergrund des kosmischen Geschehens aufnehmen, kommunizieren und verwerten.

Unbemerkt vom relativen Gedankenlärm um Markt und Masse, Pelz und Position, erwirkt diese Information ihre Präsenz im schrittweisen Aufbau bewusster Lebensformen.

Die Aufnahme dieses Wirkungsquantums in die Lebensorganisation des Menschen erweitert die schöpferischen Möglichkeiten am weiträumigen Geflecht der Evolution. 

Ein neues Element im Periodensystem. 

HHSC2

Mai 2012

Johan van der Leeuwen

Donnerstag, 17. Mai 2012

Rig Veda V. 29.12


das Werk ist vollendet,
sie entdeckten diese Weite selbst,
auf der ein Deckel liegt“

marie








die Tage fliehen dahin

flugsand am Meer

sie erinnern sich, ja, mein Gott, Himmelfahrt, einer meiner Geburtstage im Jahr.
pfingsten und der Karfreitag, die beiden haben sie übersehen, Marie.


ein wunderbares Ereignisfeld.

der mentale Auftrieb des Homo Sapiens, Marie, hält im Kreislauf der Jahre Rituale ab, 
in denen das Unsterbliche im Sterblichen gefeiert wird.
ein wirkungsquantum.
poesie.

der Himmel heute, da komme ich mit dem Rad nicht ins Land.
so lass ich alles sein.
herrlich, so nah bei ihnen, Marie. 
alles liegt auf einer Ebene, indianisch.
auch hoch und tief.
marie, sie haben Kenntnis von dieser ungeheuren Dimension zeitlicher Ausdehnung.
ein schöner Wartesaal.
ihr Kleiderschrank, Marie.
gegenwart.
sehen sie doch nur, Marie, da.

eine schlecht geschliffene Linse auf der Zellmembran des Sapiens.
die Welt verkehrt. 
alles steht Kopf.
sieht nur null und eins.
tod und Leben.
ein kleines Kästchen Lebenstod.
kann sich nicht erinnern.
sieht nicht, was wahr ist.
sieht nicht den Glanz.
ursprung in Gegenwart.

michael Ende beschrieb in der "Unendlichen Geschichte" das Reich der Titanen, zu dem sich
auch Napoleon rechnete.
in diesem Reich der selbstgekrönten Häupter, dem Haus der Titanen, tragen sie Lampenschirme auf dem Kopf. 

der Differenz zwischen einem Königshaus und dem Bauwerk der Titanen ist, das sie den Menschen per Verordnung und Gesetz glauben und wissen lassen, dass er, der Mensch in ihrer, der Schuld der Titanen, steht.
bezahlen muss.
für alles.
schuldhaft.
viele leben lang.
zinseszins.

kinder dieser Welt, Marie, nehmen die Schuld nicht mehr unbewusst auf sich.
all die verbrechen an Leib und Leben.
in Liebe, der der Eltern.
in Verantwortung, der der Welt.

gebeugt über die Wiege.
die Erdkrume neu geboren.
welt in Frieden.
einmalig.

da schon vor allem alles strahlt, Marie, die Büchse der Pandora geöffnet wurde, 
die radioaktive Leitung zwischen Himmel und Erde jetzt auch telefonisch
überall in der Hand liegt, so bin ich der, der das strahlende Herzalphabet der Materie, die Lehmmurmel auf ihrer Bahn mit der Sonnenbrille der Poesie betrachte. 
auf dem Weg heim kicke ich sie dann mit meiner rechten Kinderhand in meiner Hosentasche zwischen all den anderen Glasmurmeln hin und her.

mehr mach ich nicht, Marie.
davon konnte ich beileibe die Finger nicht lassen.
eine literarische Delikatesse.

ich hoffe, es geht ihnen gut und sie sind wohlauf.
liebe Grüße und danke für den Wolkengruß

John

richtig rum

















hochland












warum bin ich hier, indianer


weil du dich darin sehen sollst

M. McIron

himmelfahrt













was für ein helles läuten 7
in den zellen 4
welch ein glanz 3
im menschenboot 4

J.G:

Samstag, 12. Mai 2012

herrlich

















ist es bei ihnen
madame


J.G:

mach











es anders


J.G:

macht

                                              






















                                                             ist anders


M. McIron

eigentlich

ist alles anders!


Was ist eigentlich damit gemeint?

M. McIron

rasselbande










eine million jahre des jagens, wanderns, sammelns,
des auf bäume springens und wieder runter,
des bauens, hämmerns und sägens, 
des kinderhütens und der grablegung,
des telefonierens und fernseh schauens,
des denkens und des tötens, 
diese sehr lange zeit des radio hörens 
ist erst die kinderstube
 der evolution mentaler Lebensformen

Johan van der Leeuwen

Freitag, 11. Mai 2012

das wirkungsquantum

zweifach eins

Johan van der Leeuwen

der ort

mechanischer Unruhe ist abgeschafft 

Johan van der Leeuwen

helles Gewand




"Der feine Boden, den ich da in meiner Zellmaterie betrat, war so handfest wie die rostrote Erde Südindiens.

Schwindelerregend der Fall. 

Auf einer 44 Milliarden Lichtjahre in den Kosmos reichende Nadelspitze sah ich mich. Gleichzeitig war ich der glühende Faden, der auf der anderen Seite lebendig eingefädelt wurde." J.G:

immer wieder lesen


An einem späten Nachmittag, in dieser schummerigen Viertelstunde, wenn in New York gerade die Straßenlaternen angegangen sind und man gerade anfängt, die Parklichter an den Autos einzuschalten – wenn einige schon brennen und die anderen noch nicht - , spielte ich im stilleren Teil der Seitenstraße, die der Überdachung am Eingang unseres Wohnhauses gegenüberlag, Bordsteinmurmeln mit einem Jungen namens Ira Yankauer. Ich war acht.“

J.D. Salinger

verschwunden












unglaublich 
wahr
das da
sein und wieder weg 


J.G:



Sonntag, 6. Mai 2012

Ouvertüre


„Was die Entwicklung der Souveränität und Kreativität 
des individuell schöpferischen Lebens 
auf der Grundlage demokratischer Entscheidungen betrifft,
sind wir nicht am Ende,
sondern erst am Anfang der Evolution bewusster Lebensformen.“ 


Johan van der Leeuwen

halbe klasse


„An der Spitze von Übergang und Ablösung der Moderne 
steht die Forderung 
nach einem verfassungsmäßig verankerten
Freiheitsrecht des Souveräns auf Kreativität.

Die Voraussetzung in der Bildungspolitik
bildet hierbei die strukturelle Maßnahme einer Halbierung der Klassen
zumindest auf europäischer Ebene.
Ebenso eine Durchsetzung der Halbierung der Arbeitszeit
als Voraussetzung 
für ein gutes Zusammenleben, Wachstum und Wohlstand  
in einer sozial höher organisierten Gesellschaft.“ 

Johan van der Leeuwen

derdiedas

illusion
im kopf
ist schnell gepflückt

J.G:

Freitag, 4. Mai 2012

So wie es euch gefällt


© Copyright 2004 by Jonathan Goodwill

So wie es euch gefällt

Der erste Satz, den ich vor all den roten Speckgesichtern im Theater von mir geben musste:

Madame, nach vorn fügt sich alles zum Ursprung hin“

Mit diesem Satz hörten die Zuschauer im knarrenden Gestühl blitzartig auf zu grölen. Denn als ich die Bühne betrat, stolperte ich nach ein paar Schritten des musischen Hochgenusses vornüber, tippelte, um das Malheur zu verhindern, wie ein kleines Hühnchen quer über die Bretterbühne, doch aller Sinn für Balance half nichts, ich kam peinlichst und offensichtlich mehr als authentisch vor der Geliebten des Herrn auf meinen grünbestrumpften Knien andächtig zum Stehen.

Mit meinen Schuhen, ich hatte dem Schuhmacher in der Watfordstreet noch nachdrücklich ans Herz gelegt, er solle sie bitte nicht so ausladend modisch spitz formen, bin ich beim Herumgehen um die Dame am linken Rande der Bühne in ihrem auf dem Boden schleifenden Rock hängen geblieben.

Bei der Generalprobe hätte mir der Schauspielmeister beinahe noch in den Hintern getreten, da ich meine grünen, spitzen Schnallenschuhe gar nicht an meinen Füßen hatte. Träumend versäumte ich die Schuhe rechtzeitig vom Schuhmacher abzuholen, da sich mein Blick an diesem Tag entrückt verfangen hatte in ein rothaariges Mädchen, das auf einem Holzkarren saß, der neben dem Marktplatz verlassen abgestellt war.

Er sagte noch, „und pass nur auf, wenn du um die Dame herum gehst, Jüngling und vergiss nicht bei deinem Satz, „Madame“ und "Ursprung" sind eins. Betone, aber naiv. Deswegen habe ich dich ja genommen."

Das Theater sollte im Mai uraufgeführt werden, zum Ruhme des Schauspielmeisters, der nur zwei Straßen neben der Watfordstreet in einem heruntergekommenen Tudorhaus wohnte.
Den halben Frühling verbrachte ich mit dem Satz „Madame, nach vorn fügt sich alles zum Ursprung hin“. Tagsüber arbeitete ich in einer Brauerei und verdiente mir ein paar Pennies nebenbei. Nicht das ich Fässer schleppte, nein, ich war noch ein junger Bursche, etwas zu hager, doch ansehnlich wie der Schauspielmeister immer sagte, jedoch für mein Alter etwas zu hoch aufgeschossen, so das immer, wenn die Gelegenheit sich bot, ich sogar in der letzten Reihe des Theater exzellent einen freien Blick auf das dramatische Ereignis hatte.
Meine Arbeit bestand darin, Rechnungen in weißen Umschlägen zu den Wirten der Schänken zu tragen. Dabei hatte ich tagsüber so manches Mal eine Aussicht auf die sündhafte Welt der einfachen Wirtshäuser.

Vielleicht rührte von dem Anblick dieser schamlos fleischigen Silhouette der Lust meine naive Einbildungskraft das Drama der Liebe hell und unberührt dem einfachen Volk zu offenbaren.

Ursprünglich sollte der Satz, den ich als Edelknabe zu sagen hatte, von des Liebhabers Seele entbunden an den Busen der Dame geatmet werden, doch der Schauspielmeister William meinte, er versage an dieser Intimität, er besitze zwar das Begehren des Fleisches und sein Geist sei erfüllt mit kosmischem Äther, doch es fehle ihm letztlich an Ahnungslosigkeit.

Dieser Mangel des Liebhabers an innigem Begehren brachte mich Schauspielschüler verfrüht auf die Bühne des öffentlichen Schauspiels der Liebe.

An einem kalten Frühjahrstag sah ich William wie er bei einer Probe von uns Schauspielschülern mit unserem Spielleiter, einem ehemaligen Schmied, sprach. Mitten im Gespräch winkte mich der Spielleiter plötzlich heran. Dort verkündete mir William kurz und knapp, er brauche einen naiven Jüngling und er wolle es mit mir versuchen.

All dies geschah kurz vor dem Osterfest. Ein paar Wochen darauf, an Pfingsten, sollte schon die erste bezahlte Aufführung im Theater stattfinden. Mir war es einerlei um was es eigentlich ging, bekam ich doch mit diesem verfrühten Wink des Schicksal die Gelegenheit einmal vor versammeltem Publikum auf der Bühne des Globe Theater zu stehen und einen Satz sagen zu können.
Es sollten tatsächlich zwei Sätze werden. Denn der Liebhaber brachte bei der Generalprobe das Erheben des Weibes in den Göttlichen Stand, so der Schauspielmeister William, nicht frei, sondern nur fromm von seinen Lippen. Das alles hätte keinen Eros, so der Schauspielmeister. Der Liebhaber zeigte Zornesröte in seinem eirunden Gesicht, warf daraufhin empört seinen Stock quer über die Bühne und verließ mit wehendem Gewand die Generalprobe.

Jüngling, komm her, sag du es, schnarrte William, ohne sich groß zu einem Drama handfesten Ausmaßes hinzureißen zu lassen. In dem wutschnaubenden Abgang des gedemütigten Schauspielers postierte mich William kurzerhand näher an die Geliebte heran, als es ursprünglich gedacht war.

Erstmals kam ich in dem großporigen pulsierenden Gesicht einer Dame dem theatralisch lodernden Eifer fleischlicher Lust so nah, wie ich ihn auf meinen Botengängen bislang nur in einem von Rauch, Suff und lärmenden Feixen durchtränktem Bühnenbild flüchtig erhaschen konnte.

Nun, auf, nur Mut, sagte der Schauspielmeister William zu mir, du kennst den Text ja zu genüge, los, los die anderen Herrschaften, hopp hopp Aufstellung. Erstaunlich war, dass das Chaos, dieses drunter und drüber der Probentage unerwartet ausblieb. So. als wenn nichts geschehen wäre stand ich neben der Geliebten und sagte den im Manuskript vorgeschrieben Satz:

O Madame, ihr schon immer göttlich
und alles ich noch Mensch“

Wunderbar naiv, applaudierte William, wunderbar.

Bei diesen Worten stand ich seitlich neben dem in Flammen stehenden Weib, so unangemeldet nah, dass ich das gewaltige Heben und Senken ihres Busens unter dem wallenden Aufzug wie das unmittelbare Aufbrechen und Verschieben von Kontinenten direkt vor mir bedrohlich auf mich zukommen sah.

Eigentlich sollte die Dame an dieser Stelle des Stückes in die Arme des Geliebten fallen, doch da dieser es vorzog sich übel zu fühlen an seinem Mangel an ahnungsloser Liebeskunst, sollte die Dame sich stattdessen erstaunt nach oben wenden, zu den himmlischen Fluren, so als kämen die Worte engelsgleich aus dem Seelenraum des Liebhabers.
hier
madame
der sterbliche flügel
ihr fliehendes verlangen
aus dem leib befreit
die eine seele
die letzte illusion empor“

Die Generalprobe gelang, bis auf den Aussetzer des Hauptdarstellers, der übrigens, so wie ich hörte, nach einem deftigen Wirtshausabend mit dem Schauspielmeister und haltlos berocktem Anhang wie von Zauberhand wieder zurück auf die Bühne der feudalen Welt fand.

Die Premiere sollte für mich zu einer Art von Heimsuchung werden. Seit ich beschlossen hatte den Weg des Mimen einzuschlagen, segle ich seitdem in stiller Passion auf und davon, ins Weite, immer entlang an der strahlenden Seite des Leben.

 o madame
welch schwindel
grenzenlos begabt
das helle in allem
eine übertreibung
in all der leere

Bevor der Vorhang sich für die Besucher des Theaters hob, richtete der Schauspielmeister eine Rede an die versammelten Herrschaften vor der Bühne und hinauf zu den bunten Röcken in den Holzgalerien. 

Hochverehrten Damen, meine geschätzten Herren

Willkommen im „Globe Theatre“

Die wahre Größe der kosmischen Bühne ist ein heiß umstrittenes Thema unter den Edelleuten, Bürgern und Bauern.

Die einen sagen, es gibt nur ein Universum, die anderen sagen, es gibt davon so viele, so wie es Sand an unseren Meeren gibt.

Beileibe, ich muss bei diesem Gedanken aufpassen, dass mir nicht schwindelt.

Nun gut der philosophischen Vorrede, der Vorhang soll sich heben.

Hochwohlgeboren oder nicht, all die Gestalten und Kreaturen, alle finden ihre Welt hier in diesem Theater.

Hier, ja hier auf diesen losen Brettern genießen wir all den Schwindel von Liebe und Leid.

Hier können wir den ganzen schönen Schein des Lebens ungestört betrachten und, meine Hochverehrten Damen, meine geschätzten Herren, und auch genießen.

Und wir, die Schauspieler und Akteure, ja wir Gaukler, wir machen ihnen da gewaltig etwas vor.

Heute Abend, hochgeschätztes Theatervolk, eine Uraufführung.
Sehen sie die Komödie

So wie es Euch gefällt.

Das Leben braucht seinen Schwindel.
Alle hier sind, unten wie oben in den Penny-Galerien wissen es, nur deshalb brauchen wir das ganze Theater. 

Ohne diesen Schwindel könnten wir nicht atmen.

Ruhm und Ehre für den König.
Edelvolk, Bürger und Bauern, strömt zusammen und feiert mit uns das ganze Theater.
Hochverehrten Damen, meine geschätzten Herren:

Vorgang auf.

Mit diesen Worten trat der Meister hinter den Vorhang, schickte uns in Position auf die Bretter und dann hob sich für die ahnende Welt da draußen der Vorhang für des Lebens komödiantisches Festspiel von abgöttisch liebender Verrücktheit und untröstlichem Liebesleid.

Im ersten Akt stand ich links am Aufgang bei der Holztreppe, der Schmied an meiner Seite. Er hatte sich gegen den Willen des Meisters hinter die Bühne begeben. Ich gebe unumwunden zu, dass ich ihn in einem unbemerkten Augenblick eingeschmuggelt und versteckt habe. Wenn es eines war, was der Schauspielmeister William nichts leiden konnte, dann war es, wenn seine Saufkumpanen aus den nächtlichen Gelangen die Aufführung hinter der Bühne sich anzuschauen wagten.

Der erste und der zweite Akt verliefen zur Freude des Schauspielmeisters und aller Akteure reibungslos. Bis auf das kleine Malheur am Rande, als des Liebhabers Hosenband am Ende des zweiten Aktes unerwartet entzwei ging. Seine Angebetete zuckte nur kurz auf mit ihren Augenbrauen und hielt sich in Anbetracht der ungeheuren Lächerlichkeit den Fächer blitzschnell vor ihr auffällig geschminktes Gesicht, das drohte aus den Fugen zu geraten. Die Brauen waren ihr gegen hilfloses Ersuchen um Gnade vor der Premiere mit Tinte geschwärzt worden, der Friseur hatte doch den kleinen Sack mit der Holzkohle vergessen. Vom Manuskript her war dies ein unbedingtes muss, denn die Vergötterte sollte vornehmlich mit einem übertriebenen gestikulieren ihrer Gesichtszüge Flagge zeigen, so dass auch jeder Trottel in der letzten Reihe des Theaters erkennen sollte, wenn die Angehimmelte Ablehnung oder Zuneigung zeigt.

Der Ritter der Liebe stand also vor seiner Angebeteten und befand sich in der Anbahnung zur entscheidenden Szene, in der er das Herz der Geliebten Dame erobern wollte. Nach einer höfischen Verbeugung trat er mit klackend aufdringlichem Schritt nach vorn und hob mit einem tiefen Atemzug zur entscheidenden Deklamation, die im vierten Akt zur Hochzeit führen sollte.

Sein Diener, so im Manuskript vorgesehen, stand Gott sei Dank neben seinem Herrn und rettete blitzschnell die Situation mit dem Überwurf eines mitgeführten Mantels und den Worten:

Mein Herr, schnell, die Pferde warten zum gemeinsamen Ausritt.

Im letzten Akt, dort wo die Fäden der Liebe entwirrt und es zur Versöhnung der Buhler und verfeindeten Familien am Hofe kommen sollte, erwartete ich mit heißem Herzen meinen langersehnten Auftritt.
Die Schnallen der Schuhe zog ich vor dem vierten Akt noch einmal außerordentlich nach und stand mit schmerzenden Füßen an der Holztreppe zur Bühne bereit zum Spektakel.
Ich sprang in der entscheidenden Szene mit jugendlichem Tatendrang wie ein schottischer Schafsbock auf die Lichtung der Bühne und sah erstmals von der Innenseite auf die große, farbenprächtige und erwartungsfrohe Welt.

In meiner unbändigen Freude, dass es tatsächlich wahr geworden ist, war ich einen Augenblick unaufmerksam, stolperte und fiel mit der ganzen Not eines Grünlings auf die Knie, direkt vor den samtroten Rocksaum der Dame des Herrn. Nun war der Herr der Dame ja nicht fort, wie bei der Generalprobe, sondern er stand bereit zur dramatisch gespreizten Liebesdeklamation.

Das Bild muss erbärmlich, ja jämmerlich ausgesehen haben und doch bin ich zurückschauend beruhigt, sind es doch offensichtlich die unvorhergesehenen Zwischenfälle, die bei allen Zuschauern schlagartig in nur kurzer Zeit eine bis ins unendliche hineinreichende Raserei von Frohsinn und Begeisterung auslöst.

Ausgesehen muss ich haben wie der heilige Antonius zu Füssen des Herrn Jesu im Beisein seiner Geliebten Maria, derentwillen er ja später auch aus dem Grab auferstanden ist, weil sie ihn so überirdisch geliebt habe.

das wasser der wanderungen
madame
sieht sich
im strom der dinge
von geburt zur geburt
gebunden
für und wider aufzugeben
um alles anzunehmen

Das im Welttheater der irdischen Provinz versammelte Publikum vergnügte sich gelungen und zu meinem Behagen dabei herrlich frei an meinem Kniefall und johlte in einer vor Beglückung trunkenem Wahn." 

 ©   by  J. G:

so spät noch

Monsieur,  kommen sie herein mein Atelier steht ihnen offen ach ja das große Bild bin noch nicht ganz fertig ihren Brief habe ich gelesen si...