Samstag, 23. Februar 2013

heller einwurf









 So fragte der Physiker Schrödinger „Was ist Leben“.

Eigentlich hätte er eine solch sündhafte Frage in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gar nicht stellen dürfen, wo die bewusstlose Scheidewand in Natur- und Geisteswissenschaften im säkularen Halbfeld der Vermessung der Welt einen solchen akademischen Frevel bei Verlust der Reputation strikt verbot und kategorisch dafür sorgte, dass die blaue Kugel mit ihrer atmosphärischen Garnitur weißer Wölkchen weiterhin im politischen Drahtgitter einer geteilten Welt durchs All driftet.

Weh, weh! O unnützer Kadaver !“ Sophokles, Elektra

Mit Hilfe der durch den astronomischen Spiegel hinaus ins Freie gelenkten poetischen Anschauung, konnte Sapiens für einen Augenaufschlag der weltgeglaubten Leibeigenschaft entkommen, konnte aus dem kruden Dasein mit seiner Liebsten für eine Umarmung im grünen Heu verschwinden, konnte aus dem mit Blut besudeltem Ablasshandel und von drakonischen Katechismen eskortierten feudalen Stellungsbefehl eines „ora et labora“, aus dieser Fron für eine naive Beugung über den Horizont und einen fassungslosen Blick in den atemlosen Leib des weiblichen Kosmos desertieren.

Für eine halbe Erdumdrehung und einen Sommermorgen konnte das lebende Zwielicht dem gottesfürchtigen Verlies, dem von der Kanzelhöhe erhobenen Wortschwert des sündigen Fleisches, in den strohwarmen, leuchtend dunklen Anbeginn der Welt entfliehen.

Alles geschehen in der Ewigkeit eines Glockenschlages, bevor der von den Kanzeln, Kathedern und Feldherrnhügeln in den Dienst genommene Erzengel das kinderzimmergroß geöffnete Tor achtlos zurück ins eiserne Schloss der Untertänigkeit hämmerte und der aus der Erde zu den Sternen hin erhobene Liebesleib wieder zurück kommandiert wurde in den elend lichtlosen Gewinn der Geldfresser.

Du tötest dich langsam, ohne das es dir gelingt,
dich von den Leiden zu befreien…“
Sophokles, Ödipus auf Kolonos

Der helle Atemzug, der Blick ins Freie, das kindliche Spiel, die Umarmung der Liebenden wurde zurück in die Klöster, Akademien, Schulen und Ämter und post mortem in die schöne Chimäre des Zelluloid verbannt. Mit römischem Recht gerichtet, in Buchstaben und Zahlen auf den Millimeter und die Sekunde im Evangelium der Arbeit peinlichst genau berechnet, werden die Liebesgaben der Meere und Winde noch immer allesamt in Büchern, Kellern, Museen und Archiven abgelegt, dazu verurteilt, lebenslänglich sich im Schlafe des Unbewussten wie Kasper Hauser mutterseelenallein zu Tode zu wiegen.

Da fragt Sie doch in ihrem Brief nach dem Warum, warum ich so frech das intime Zwischenreich der Buchstaben veröffentliche?

Ich war mir sicher, dass ihre angeordneten Bedingungen der kleinen und großen Bedeutungen in ihrem Zettelbuch nicht faltenfrei überstehen, ihre Ordnung auf dem schicken Schachbrett der roten Münder über den Haufen werfen. Ich sah, dass ihre Zinnsoldaten zu „halbwegs und ortsfremd“ um ihren König herum postiert waren, eine offene Flanke, und das sie aus diesem von mir gebotenen Schach nicht mehr herauskäme und wir, sie und ich, den letzten Brief geschrieben haben werden und somit der kleine Funke Liebesfeuer höflich verglüht.

Dame von c3 auf c4“

Vollendete Vergangenheit.
Alles umsonst.

love in vain“ Rolling Stones

Sie will es so.
Keinen Preis zahlen.

Ich, das sind die Leute, im Grunde die ganze Welt“ J.G:

Wenn die „Leute“ das Private nicht gut „veröffentlichen“, den lichten Leib im Alltag sich selbst und den anderen nicht „in communio“ jeden Tag aufs Brot schmieren, das Kleinod nicht aufrichtig in die Pfandleihe geben, das Lächeln nicht wonnetrunken an den Tischen der Kaffeehäuser verschenken und das jüngste Gericht nicht mit Herz und Hand auf die Küchentische stellen, dann werden den Liebesleibern erneut die Silben aus dem frischen Wassergrün der Kehlen geraubt, noch bevor das Ohr sie vernommen, und ihnen wird wiederkehrend und wiederkehrend mit dem schwarzen Alphabet einer lichtlos gepredigten Ewigkeit das Heimwärts verwehrt, da wo alle herkommen und noch nie waren."


  ©   by  J. G:
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J.G:

so spät noch

Monsieur,  kommen sie herein mein Atelier steht ihnen offen ach ja das große Bild bin noch nicht ganz fertig ihren Brief habe ich gelesen si...