Dienstag, 18. November 2008

ganz und gar

"Die globale Rendite-Privatisierung der elementaren Lebensgrundlagen wie Wasser, Erde, Luft und Feuer zeugt von einer seelischen Verarmung und geistigen Verelendung eines Denkprimaten, der im Stammbaum der Evolution mit dem Titel Sapiens eingetragen ist.

Eingemauert in einem egometrischen Arbeitshaus Lebenstod, umnachtet von einer unbewussten Verwaltung der physischen Welt, verwehrt dieses Arbeitshaus dem Menschen im Sapiens den Zugang zum nächsten Aufgang in der Evolution, die Einsicht und Zutritt in den Lebensraum der inneren Zusammenhänge, einer Welt bewusster Lebensmaterie gewährt, die sich losgebunden hat von der Gewalt und dem Töten anderen Lebensformen, da sie ja die eigenen sind.
Erst jetzt, mit dieser Erkenntnis in der Hand, rechtfertigt die Spezies ihren Namen, Homo Sapiens Sapiens."

Johan van der Leeuwen

Samstag, 15. November 2008

jetzt du


"Mit meinen Eltern saß ich in der ersten Reihe auf der Kirchenbank des kleinen Dorfes, als der Herr Pfarrer mir, dem kleinen Buben und den vielen anderen Erstklässlern auf dem braunen Kirchengestühl, die weite Welt da draußen erklärte und was wir alles zu lernen hätten, wenn wir am nächsten Tag erstmals die Schwelle des Schulhauses betreten sollten. 

Beim Vortragen seiner Rede lief er vor meinen von der Kirchenbank baumelnden roten Lederschuhen mit den braunen Bändchen auf und ab, so als eilte er mit wehendem Gewand verspätet aus dem Pfarramt zum nahen Friedhof, um dann im selben Augenblick, nachdem er die Tür zum Pfarrhaus zugeschlagen hatte, innezuhalten, mit dem Gedanken befasst, Schulbuchstaben im Pfarrhaus vergessen zu haben, das Gesangbuch, den kleinen Zettel mit dem Namen des Toten, so das sein schwarzer Kittel vor meinen staunenden Kinderaugen hinter ihm her wedelte, so wie das süße Parfüm der Frau Bäckerin, die uns kleinen Weltenwanderern im Gesang der Türbimmel jeden Freitag im Dorfe die roten Kirschbonbons gütig über den Tresen reichte. 

Im Innehalten drehte er sich auf seinen schwarzen Schuhen, die an den Absätzen bereits krumm und schräg gelaufen waren, zu den versammelten Lämmern und Schäfchen, zu denen auch ich gehörte, und erinnerte die erwartungsfrohen Äuglein mit ihren kleinen Händchen um die Schultüten an das, was es draußen in der Welt zu lernen galt. 

Die Parade des Pfarrers wiederholte sich mehrmals vor meinem klopfenden Herzen. Er eilte von rechts nach links, und dann wieder von links nach rechts, um an den Kehren immer wieder inne zuhalten, wobei das schwarze Gewand vom vielen hin und her am Saum ermüdet immer und immer wieder über die schwarzen Schuhe des Herrn Pfarrer wischte. So hörten meine kleinen Öhrchen eindringlich erstmals die Worte, dass man das Wissen der weiten Welt nur erobern kann, wenn man am nächsten Tag damit begönne, in der Schule eifrig lesen, schreiben und rechnen zu lernen.

Im eiligen Vorrüberhuschen des schwarzen Himmels vor meiner neugierigen Nase, der Umarmung der süßen Welt mit meinen kleinen Händchen, dem gütigen Blick meines Vaters zur linken und dem braunen Mantel meiner Mutter zur rechten, sah ich wie die Schuhe des Herrn Pfarrer von mal zu mal immer glänzender wurden, so wie die Sterne am Nachthimmel über dem Bahnhof, in dem wir seit drei Jahren zusammen mit meiner Großmutter und meinen drei älteren Geschwistern wohnten. 

Da mein Vater bei der Eisenbahn arbeitete und wir die ersten Jahre auf dem Bahnhof wohnten und ich einen der Prominenten des Dorfes kannte, den Herrn Bahnhofsvorsteher in seinem blauen Dienstjackett mit rotem Kragen und sechs silbernen Knöpfen, wusste ich schon sehr früh, welches Handzeichen Züge abfahren lies. Man musste nur bei Ankunft des Zuges dicht am Bahnsteig stehen, ein wenig warten, bis alle Fahrgäste ein und ausgestiegen sind, dann ein kurzer Pfiff, die Hand in Richtung Lokomotive heben und schon setzte sich eine lange, dampfende Eisenschlange auf Rädern wundersam in Bewegung. 

Als Zauberlehrling stand ich mit meinen Kinderbeinen Sommers wie Winters bei der Abfahrt der Züge neben dem Herrn Bahnhofsvorsteher und hob erst unbemerkt meine Fingerchen in meiner Hose, dann später so hoch erhoben wie der Bahnhofsvorsteher meine ganze Hand, so dass meine Fingerspitzen die drei Jahre der Lehre hochwanderten, von der roten Hosennaht bis hoch zu dem zweiten silbernen Knopf an der blauen Jacke des Herrn Bahnhofsvorstehers. 

Drei Jahre ging ich bei dem Herrn Bahnhofsvorsteher in die Lehre und am Ende meines Dienstes überließ manchmal der Herr Bahnhofsvorsteher nach seinem Pfiff meinen leuchtenden Augen das Abfahren der Züge mit den zwei Worten: Jetzt du. 

Als der Herr Pfarrer an dem Tag des kirchlichen Segens wie ein D-Zug rechts wie links an mir vorbei sauste und den jungen Seelen auf den Holzbänken Anfang und Ende der Welt zu lernen gebot, löste sich meine rechte Hand wie von selbst von der gelben Zuckertüte und erhob sich wundersam mit den Worten zur Abfahrt: Kann ich." J.G:

Sonntag, 9. November 2008

Samstag, 1. November 2008

ohne alles

"zu werden 
hob es mich auf"

"Ist die Flamme dann in mir durch den lautlosen Flug des Falken entzündet, öffne ich die Augen und fuchtle hilflos mit den Händen in der Luft herum, so als würde ich wie ein autistischer Schwarm von Milliarden Mücken versuchen, den gesamten Lichtsatz der Sensation in meiner Kamera in Sicherheit zu bringen." 

J.G:

überaus

 still ein blatt im wind   ©   by  J. G: