Donnerstag, 31. Januar 2008

hier...

... bin ich unter Menschen,
dort müssen sie immer nur arbeiten“


Nomadin in Oman

liebe auf papier


in der
großen rhythmischen nacht
liebe ich dich
a jour
lasse los
das alte lied der erde

am morgen
unter dem gelben mond
am fluss der worte
wendet sich alles
riesenhaft
empor

J.G:

in unserer zeit


in der alles technologisch strahlt
am baum der erkenntnis
herz und hirn verfinstert

da reift die frucht
für das helle wort
mit dem der sänger
die hochzeit
im leib von myriaden zellen
mit einer einzigen silbe
aufhebt

J.G:


„Die Wirkung radioaktiver Partikel auf den menschlichen Körper, über die man im Jahre 1959 so viel geredet hat, sind alten Liebhabern von Dichtung gar nichts Neues.“ J.D. Salinger


Mittwoch, 30. Januar 2008

und du


ziehst du vorbei an homer
vorbei an columbus
vorbei am diabetiker rilke
und alle den schwergescheiten
und still geweinten
ziehst du vorbei
an all den namen und zahlen der jahrhunderte

mein könig
es ist zeit einen mantel zu tragen
aus der metropole zu fliehen wird nicht einfach sein
die grenzen sind bereits geschlossen und
mit doppelter bewachung versehen
der behämmerung der rasenden stadt
ihren verflucht günstigen krediten
und all den quoten und talktürmen
entfliehen wir am besten zu dieser frühen stunde

in solcher zeit bewahrt uns kein grundsatz
vor verfall und mordbanden
in solchen zeiten des irrsinns, mein könig
schwärze ich mir zum schutz gesicht und meine nackten füße
ziehe damit grundlos vorbei und hinunter
nah heran
und dann weiter

dann hocke ich so wie damals
dicht am geschichtslosen feuerrand
neben mir der wuchtige arthur rimbaud
immer noch ein frühreifer
nach monsieur izambart
ein jähzorniger, brutaler kerl
mit derben fäusten

mit diesen fäusten
schlägt er noch heute jedwedem erbe
eins in die fresse

aus der hosentasche
kramte der afrikanische waffenschieber damals
ein stückchen käsepapier
le bateau ivre
o du mein trunkener kahn
rotzte er in das himmelweite lager

alles fiebrig
und noch immer unfruchtbar für alles seßhafte geschreibsel

so stocherte er mit seinen kurzen fingern
ein stück hartkäse aus dem papier
schob es hungrig in den mund
den schmierigen zettel
stopfte er mir in die rechte hand

ich merkte wie meine augen
hinter zwei schmalen sicheln versanken
an die brandung damit
stieß er in seiner schwindsucht hervor
dann siehst du die millionen goldener fische

ein verknülltes stück papier hielt meine hände
es roch nach mutter, licht und ziegenkäse
na los, mach schon
oder willst du warten bis die diebischen augen alles verderben

ich strich das papier auf meinen knien glatt
hielt es hoch
höher
höher
fluchte er
schräg verdammt
da
sieh doch

mühsam beugte er vornüber
schlug dabei beide fäuste 
in das faulige wasser

was hielten damals meine hände, mein könig
was sah ich

ich sah hindurch
das erinnere ich noch gut
durch alles hindurch

seltsam
heute
ja heute
vor meiner flucht aus der großen stadt
kommt es mir so vor
als hätte ich nach unten gesehen
so wie man in eine hafenpfütze schaut
darin den himmel und eine halbe laterne erblickt

© by  J. G: 

Sonntag, 27. Januar 2008

an keinem ort

Nach einer Woche der Genesung, viel Schlaf, abends meist Schwarzbrot mit Butter und einem Apfel, viel Tee und Wasser, viel Arbeit im Labor und einem roten Faden vom Indianer, sitze ich im Kaminzimmer bei gedämpftem Licht und versuche mich mit dem Alphabet zu orten.


„An keinem Ort“

Buchstaben wohnen hier nicht.

Links von mir, mit einem kleinen Schwenk des Kopfes, blättern meine analphabetisierten Sinne nichtsnutzig in meinem Bücherregal. Dort, rechts in der Ecke, auf einer Höhe von vielleicht 40 cm, zwischen einem Tagebuch und Shiva Moon, steckt das tibetische Buch vom Leben und Sterben. Vor Jahren habe ich die gebundene Ausgabe von meinem Freund aus Thüringen entliehen. Seit dieser spirituellen Entführung von Thüringen nach Hamburg führt dieses 500 Seiten Werk ein Einsiedlerdasein bei mir. Ein paar Mal habe ich es wohl in der Hand gehalten, doch im Grunde konnte ich damit nie so recht etwas anfangen. Jetzt in dieser Stunde, in diesem schwebenden Zustand „an keinem Ort“ zu sein, greife ich zu diesem Buch und schlage das Kapitel „Das wunscherfüllende Juwel“.

Ich Lese:
„Alles Negative, das wir jemals gedacht oder getan haben, ist letztlich auf unser Greifen nach einem falschen Ich zurückzuführen, das wir hegen und pflegen, … Alle negativen Gedanken, Emotionen, Begierden und Handlungen, …, werden vom Greifen nach einem Ich und von der Selbstsucht erzeugt.“


„Wenn alles Unheil
alle Angst und alles Leiden dieser Welt
vom festhalten an einem Ich herrührt
wozu brauche ich dann noch diesen großen bösen Geist“ Shantideva

In Tibet soll es viele außergewöhnliche Fälle von Selbstheilung gegeben haben, die mit der Aufgabe des Besitzes in einem engen Zusammenhang stehen. So sollen Menschen, die unheilbar krank waren, ihren gesamten Besitz verschenkt haben. Nach dem der persönliche Besitz „hingegeben war“ gingen sie zum Friedhof, um ihren Tod zu erwarten. Dort, am Rande des Lebens, dort, vor den Gräbern begannen sie sich zu lösen von ihrem Ich und dehnten sich voller Mitgefühl in das Leid der Welt aus. Anstatt zu sterben, geschah es manchmal, dass die Sterbewilligen geheilt von ihrer Selbstsucht heimgingen und sich eine Suppe kochten.


„Die Art der Gnade weiß von keinem Zwang,
Sie träufelt wie des Himmels milder Regen
Zur Erde unter ihr, zwiefach gesegnet,
Sie segnet den, der gibt, und den, der nimmt…“
Porzia in Shakespeares Kaufmann von Venedig

Ich klappe das Buch zu und stelle es wieder an seinen alten Platz.

Tage später lerne ich meine Lektion.
Ich kaufe einen Weihnachtsbaum.

Eine Unterweisung, die es mit jedem Zenkloster aufnehmen kann.
In den kargen Stuben wird den Novizen das Selbst in Reinlichkeit, Achtsamkeit und Mitgefühl gelehrt, nicht nur für das eigene, sondern für alles Leben, dass das ureigene ist.

Ich erinnere mich an eine kleine Geschichte, die ich vor Jahren in einem kleinen, blauen Büchlein gelesen hatte. Ein Novize rennt nach einem Jahr der Meditation freudetrunken über den Flur eines Klosters, klopft am Ende des Flurs an eine Tür, betritt mit einem zufriedenen Gesicht das Zimmer seines Meisters, der seitlich am Fenster steht und hinaus schaut. „Meister“, sagt er ohne abzuwarten, „Meister, jetzt, nach einem Jahr des Sitzens, so wie du es mich gelehrt hast, habe ich des Rätsels Lösung endlich gefunden, endlich weiß ich es.“ Der Meister sah bei den freudig beflügelten Worten des Novizen immer noch aus dem Fenster. Für einen kurzen Moment herrschte Stille im Raum, dann drehte der Meister sich zu seinem Novizen und sagte: „Was für eine Blume steht im Flur auf dem Fensterbrett?“

Ein weiteres Jahr des Sitzens folgte für den Novizen.

So sitze ich im Wintergarten und höre wie Regen auf das Glasdach fällt. In der rechten Hand halte ich meinen grünen Füller, drehe ihn wie eine Gebetskette zwischen Daumen und Zeigefinger endlos hin und her.

Alles was ich bislang gelebt, erdacht und schriftlich verfasst habe, erscheint mir an diesem Regentag im Dezember, einen Tag vor der Jahreswende, wie die Pflichtgebote des Novizen, die die sehnsüchtig erwünschte Aufnahme in den Orden vorbereiten. Die tausend und abertausende Worte der Jahreszeiten, all die silbernen Boote mit ihren glanzvollen Namen, gleiten im flirrenden Licht der großen Wasser dahin. Ich sehe sie kommen, sehe ihren Scherenschnitt, sehe sie fahren. Mit dem Knarzen der Riemen, dem Rufen der Bootsführer, dem Schlagen der Flügel, dem Begehren der Ufer, löst sich die uralte Tinte aus meiner Feder. Der schwarze Jenseitsstrich auf weißen Grund.

Nach ein paar Stunden kehre ich zurück an den Tisch, erinnere das Geschehen aus meinen atmenden Körperzellen, schreibe alles nieder, zeichne in einem hellen Auf und Ab Linien und Striche. In den kommenden Tagen sehe ich die Niederschrift mehrmals an, immer wieder halte ich sie in meinen Händen, bin verwundert über die Fluchtlinien am Horizont des Alphabets, die mir nicht wie geordnete Reihen von Buchstaben vorkommen, sondern wie ein Kassiber, das mir den Plan zum Ausbruch aus meinem Verlies durchreicht.

Nach Tagen nahm ich die Aufzeichnungen abermals vor, um Änderungen vorzunehmen. Dabei sah ich, als ich die Schriftzeichen erneut in den Händen hielt, dass sie mit mir spielten wie Gräser im Garten mit einem Kind. Die Worte, die mir etwas bedeuteten, die den Klang einer silbernen Münze auf einem Marmortisch hatten, entschwanden wie aufsteigender Rauch über einem sibirischen Dorf, und Worte, von denen ich glaubte, sie gäbe es nicht, niemals, sie wären auf ewig meiner Kehle verschlossen, dafür würde ich, auch wenn ich tausend Jahren leben würde, nie eine Silbe in meinem Liebesgrund finden, wurden mir aus dem sich öffnenden Augenlid eines Neugeborenen hellauf zugeworfen.

Licht ist da. Der Tag beginnt."  ©   by  J. G: 

verbotene Früchte




„Die Tage verlassen den Sonnenweg,
auf den Sandwegen
schwindeln die Odeurs“

Am Samstag fuhr ich musikalisch in den jungen Abendhimmel.

Die staatliche Jugendmusikschule hatte geladen und junge Musiker erhoben mit Notierungen Schuberts, Debussys, Bachs, Chopins, Schostakovitschs, Beethovens, Brahms das Ansehen der Erde.

Die Tochter meines Freundes war vorgesehen für die „drei Phantastischen Tänze“ von Schostakovitsch. Eine atemberaubende Rhythmik, wie sich herausstellen sollte. Nicht fließend, sondern ein aus aufbegehrenden Leibern fassungsloses Meer.

Beim Allegretto stolpert sie, fängt sich aber wieder und spielt den Tanz mit Bravour aus.

Sie, das junge Weib, eine Frühgeburt.
Lebendiges Gemälde, eine Reihe vor mir.
Das Wesen zart, leise, unscheinbar und doch brennend wie ein Scheiterhaufen.
Neben ihr eine langjährige Freundin.
Ein erregend schwarzer Haarschopf wallte über die Lehne des Stuhls und berührte mit glänzend kastanienbraunen Spitzen mein rechtes Knie.

„Zur radioaktiven Materie meines Körpers
habe ich inzwischen ein sehr persönliches,
ja man kann sagen ein intimes Verhältnis, wie zu meinem Hund.
Ich spreche mit ihr
und sie antwortet inzwischen äußerst klug auf diese Anrede.“

Johan van der Leeuwen

Die Klavierspielerin schaute zweimal während des Abends zu mir. Vor und nach ihrem haltlosen Spiel. Still gejagt wandte der unberührte Körper seinen schmalen Kopf nach rechts, hin zur geschlossenen Eingangstür.

Die Netzhaut aber wollte mich.

„Er erzählt darin ganz kurz
von einem kleinen Mädchen in einem Flugzeug,
das eine Puppe neben sich sitzen hat und deren Kopf so dreht,
dass sie den Dichter ansehen kann.“
J.D.- Salinger

Die Sonatina aus dem Actus tragicus „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ konnte an diesem Abend nicht gespielt werden, so die Entschuldigung von Frau Khoteeva, da die Querflötistin eine Erkältung hatte.

„Für den Dichter erweisen sich alle wichtigen Dinge auf dieser Welt – nicht Leben und Tod vielleicht, das sind nur Worte,
sondern die wirklich wichtigen Dinge – als schön.“
J.D. Salinger

Eine Schönheit machte mit „The girl from Ipanema“ den Auftakt.
Leichtsinnig passierten mich die Klaviernoten.

Die jungen Asiaten meistern Bach mit spielerischer Arroganz und mit weißen Söckchen. Seit tausenden von Jahren wischen sie jedes Sandkorn von den Füssen des Kaisers. Viktor Su stolzierte erst nach mehrmaligem Rufen aus dem Foyer quer durch den kleinen Saal zum Steinwayflügel und rotzte wütend das Präludium wie Fuge fis-moll aus dem wohltemperierten Klavier.

Mit seinem Abgang drehte er die Welt für 5 Sekunden rückwärts.

„Es war, als stünde einem auf der anderen Seite des Netzes Mutter Kali gegenüber, vielarmig und grinsend und ohne das geringste Interesse am Ergebnis“
J.D. Salinger

Der helle Konzertraum, halbgefüllt mit Eltern, Freunden und jungen Musikern, trug grelles, blassgelbes Schullicht an Wänden und Decken. Zwei Konzertflügel, einer glänzend, der andere matt, der eine links, der andere rechts von den bestuhlten Reihen, standen sich berührungslos gegenüber.

„Nachmittags trottete Curtis Caulfield mit Seymour und mir zum Central Park, und dort entdeckt ich, dass er den Ball warf, als hätte er zwei linke Hände – kurz gesagt, wie die meisten Mädchen werfen -, und ich sehe jetzt noch Seymours Gesicht vor mir, als ich wie ein Pferd, wie ein Hengst höhnisch wieherte. (Wie kann ich diese tiefenpsychologische Analyse wegerklären? Bin ich zum Feind übergelaufen? Sollte ich eine Praxis aufmachen?“
J.D. Salinger

Debussy ein Sonderling. Freiklassik. Meine verschränkten Arme senkten sich, gingen auf den Schenkeln nieder, gaben den Brustraum der Herzmaterie für die hereinstürmenden Photonen frei.

Huyung-Kyung Yi erquickte die Hörenden, belebte die Eingänge zum kaiserlichen Palast mit Himmelswasser. Mit den Tropfen der Keuschheit wischte sie die verstaubte Aussicht der Erwachsenen frei. Keine Sünde, keinen Tod. Überall nur noch Sonne. Chopin Nr. 15 Sostenuto Des-Dur.

„Denn ich fühle mich, wenn auch mild,
so doch ausreichend verbrannt“
J.D. Salinger

Endlich sie.
Schmal, wütend und allein.
Das Ich in mir senkt den Blick, schließt die Augen.
Totenstille.
Einen Augenblick begehre ich auf, denke. Doch dann entlasse ich die vorlauten Minister.
Schließe die Tore zum Palast.
Äonen keinen Laut.
Welch ein Wunder.
Materie, aus dem Inneren hell erwacht.
Dann das Allegretto.
Schwerelos.
Dann der kleine Fehler.
Sie errötet.
Mit ihm wischt sie im Andante die ersten Silhouetten bewusster Materie in den noch mentallosen Stein.
Ein phantastischer Fehler.

“Lös die Schweiz in dir auf“
M. McIron

Die weiße Spange in ihrem Mondhaar sah ich zuerst.
Dann den Blumenrock, der ihr über die Knie reichte. Die schwarzen Schuhe waren an den Fersen offen. Weiße Söckchen im Kaiserpalast. Bambus im Pazifikwind. Beethoven in den Reisfeldern. Alles im Saal leuchtete heimwärts.
Konzert C Dur op.15. 1. Satz Allegro con brio.

„Sie trug ein gelbes Baumwollkleid, das ich liebte,
weil es zu lang für sie war.“
J.D. Salinger

Unten im Foyer hing eine Ausstellung von ihr und ihr.
„Piano Inside – A Mystical Ride”

© J.G: aus der Erzählung “Schlamm des Lotos”

Samstag, 26. Januar 2008

leibhaftig


"Im Tag der Wachtraum.

Am Tisch mit drei Freunden.
Ich glaube, wir scherzten.
Auf dem Tisch lag ein Hut. Irgendwie.
Ich setzte meinem Freund, der mir gegenüber saß, den Hut auf, ohne den Hut anzufassen.
Aufgehoben. Aufgesetzt.
Alles ohne Kreuz, Bombengürtel und lila Rock.
Es war der gleiche Vorgang wie bei meinem Traum im letzten Sommer, nur das ich da selbst abhob. Da war ich noch allein. Jetzt war ich zu dritt.

Grandios.

Eingeschlafen bin ich am Abend allerdings mit einem ganz anderen Bild.
Zwei NULLEN bilden eine Einheit, also einsNull + einsNull = einsNull, so wie zwei Eheringe übereinander eine Einheit bilden. Von oben teilnehmend betrachtet, einer integralen Ansicht, sind die beiden Ringe also NULL, deckungsgleich, eins.
Mental sind sie zwei. Integral einsNull.
Alles im Universum existiert zweimal.
Zweifach eins.
In der einsNull Information wird offensichtlich das materielle Universum in seiner Teilung aufgehoben, bildet ansteigend ein neues Ereignisfeld von Materie, die sich selbst bewusst ist.

Einmal.
Zweimal.
Doppelt.
Mensch.

Dieser ganze Hokospokus verleiht Materie und Sapiens einen hinreißenden Spin, einen ungesehenen Dreh, eine anmutig Bewegung, die aus dem nur materiellen Universum flieht, sich sehnsüchtig nach Leben, Mensch und Gott ausdehnt, hinüber und hinein in ein weiblich aufgeladenen Kosmos. Herrlich.

Beide Träume, der Tag_ und der Nachttraum, gingen im Einschlafen zum Traualtar. Als geladener Hochzeitsgast bemerkte ich nach einiger Zeit an mir sonderbares, ich wurde im flimmernden Einsinken in den Schlaf fluid, flüssig.

Dann schlief ich ein.

Dann begann der Traum.

Frühes aufwachen, ich hatte frei.

Meine allererste Handlung, noch mit Schlaf in den Augen, ich steckte mehrmals die Finger meiner rechten Hand in die Wand, wollte sehen, ob es schon funktioniert.

Es ging noch nicht.

Doch ich kann selbst jetzt wahrnehmen.

Dann stand ich auf.

Am Nachmittag gab es ein Rendesvouz mit einer alten Freundin.

Wir waren für gut eine Stunde in der Kunsthalle.
„Goldgrund und Himmelslicht“ hieß die Vorstellung.

Eine Bildergalerie des späten Mittelalters war im Museum aufgebaut.

Leider hat die Ausstellung selbst enttäuscht.
Bis auf den Titel. Der war exzellent gewählt.
Die akademische Hängung im Raum hat der bewussten Lebensmaterie wieder mal nicht den Hauch einer Chance gelassen. Alles stand und hing völlig verkehrt, sodass die Spezies Sapiens noch weitere 2 Millionen Jahre hilferufend auf ihre Menschwerdung warten und aus dem kargen Wartesaal ihres kleinen Denkkästchens wie ein Primat die Überschrift „Goldgrund und Himmelslicht“ anglotzen muss.

Da war ich doch froh, als ich im Gang zum Cafe eine Replik „Goldfisch im Wasser“ von Max Ernst sah.

Warum erzähle ich eigentlich diesen ganzen Unsinn von Tag- und Wachtraum, von einsNull und levitierendem Hut?

Meine alte Freundin sagte im Aufbruch dann später zu mir, ich sei ein richtiger „Festkörper“ geworden."

J. G:

Donnerstag, 24. Januar 2008

die helle münze


„Alles fällt ins Licht.“
M. McIron


Nach den Überlieferungen teilte Gott Abraham, dem Vater aller Väter, seinen Willen mit.
So wurde es tradiert und mit schwarzen Zeichen auf weißem Grund festgeschrieben.

An diesem mütterlichen Rockzipfel halten sich alle fest, nicht nur Moslems, sondern auch Juden, Christen und all die anderen Glaubenssüchtigen. Die Familie Abrahams teilte sich danach in Flüsse und Landschaften von Generationen. Die Söhne und Töchter gingen fortan eigene Wege. So wie es sein soll.

Nach Jahrhunderten der Zwietracht, der Missverständnisse, der Ausrottungsfeldzüge, des Zanks, aber auch des zeitlich begrenzten Einvernehmens, sitzen sie wieder oder immer noch an einem Tisch und kommen nicht voneinander los.

Sie alle haben in den vergangenen Jahrhunderten in religiösen Visionen, weltlichen Idealen, individuellen Wertvorstellungen und Offenbarungstexten versucht, die geflüsterte Überlieferung aus dem Schnürboden des Welttheaters zu entschlüsseln und den Cantus des Erhörten der hungrigen Menge als Brot der Erlösung zu verkünden.

Organisiert in staatlichen oder religiösen Unternehmen, waren sie fromm und frei angetreten, das heilige Wort mit dem Siegel der Offenbarung fälschungssicher und profitabel zu übertragen.

Nun am Beginn des neuen Jahrtausends sitzen sie als Eiferer und Verfechter der heiligen Schriften beieinander, jedoch nicht als Söhne und Töchter, nicht als Geschwister eines Zweiges am Stammbaum der Erkenntnis, sondern sie sitzen sich waffenstarrend als Feinde gegenüber, sichtbar für alle Welt, rachesüchtig, von Angesicht zu Angesicht.

Unvereinbar, teilen sie die Welt in gut und böse, in Gläubige und Ungläubige, jeder brüllt tötet sie.

Der Islam sagt, keiner ist größer als Gott. Die Christen und die Juden glauben an den Messias, für die einen war er schon da, für die anderen kommt er erst noch, aber erst, wenn die Schwestern und Brüder vom Tempelberg vertrieben sind, die, die da sagen, er kommt sowieso nicht, denn keiner ist größer als Gott. Und der kommt nie und nimmer, sagen sie, da könnt ihr lange warten, denn er ist und war schon immer da.

Und dann gibt es noch die Hindus, die geizen sowieso nicht mit Göttern, die haben gleich Millionen, für jeden Affen und jedes Sandkorn einen. Die Buddhisten halten sich aus dem Gemetzel um die Götter ganz heraus, züchten weder Glauben noch Götter, entschuldigen sich mitfühlend und höflich, entschwinden blinzelnd ins staubfreie Vakuum.

Gottes Sohn – ein Wesen nach seinem eigenen Bilde - wurde in der jüdisch-christlichen Tradition als Rettung der Welt erschaffen, ein fleischliches Sinnbild für Erlösung aus dem Pfuhl der Nacht.

Dieses Bild kennt die Islamische Gemeinde nicht. Allah hat kein Ebenbild auf Erden. Das einzige Erlösungsbild, dass die Familie der Muslime kennt, ist die freie Hingabe und Unterwerfung an jenen, der kein Abbild ist.

In langen Reihen der Geschlechter selbstsüchtig angelegt, wirkt der Eifer hochexplosiv, verroht im Schrei von Schuld und Rache. Im einfachen Menschen, fernab der Ideologien, ruft die Hingabe  an das Erhabene im Leben seit Jahrhunderten ein tiefes Mitgefühl für das andere, das eigene, noch unbekannte Leben hervor. Aus der Tiefe der Raumes wird es aufsteigend, mit Stift, Farbe und Ton herrlich weiblich, lebensfroh aufs Blatt geworfen.

Seit den 2 Vernichtungskriegen im 20. Jahrhundert sitzen sie seit 1948 wieder einmal an einem Tisch, sind unfreiwillig Nachbarn in der heiligen Stadt.

Jerusalem, einen Steinwurf entfernt.

Die politischen Stromkabel aus aller Welt liegen dort als spirituelle Versorgungsleitung zu den Seelen ohne Isolierung um den Tempelberg neben und untereinander, manchmal sogar deckungsgleich übereinander. Jeder kann diesen Ort als Reisender aufsuchen und für Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Jahre oder gar sein ganzen Leben unmittelbar an diesem dramatischen Schauspiel betend wie  hilfesuchend teilnehmen.

Jeden Tag zeigt sich dieser Leib der Materie der Welt mit all seinen Wunden.

Es sind nicht nur Bomben, die dort um den Leib geschnürt auf Marktplätzen und Wohnsiedlungen von Racheengeln gezündet werden und vor den Bahnhöfen und in den Wartesälen der Seele in Autobomben, Stadtbussen, Geheimdiensten und Gehirnen explodieren.

Ein weit zurückliegendes, weithin strahlendes Ereignis wirkt unmerklich wie himmelschreiend im gesamten Organismus der Erde.

Seit Jahrmillionen von Jahren.

Der Eintrag ins Quartheft.

Der Zerstörungskraft des Krieges ist nicht die Quelle, die den widerstreitenden Geist in der Lebensmaterie der Hirne aufzulösen, friedlich beizulegen und zu versöhnen vermag.

Die Sänger, Handwerker, Nomaden und Sternendeuter haben den unerhörten Lichtsatz "tötet den Tod" poetisch an das menschliche Herz überliefert, ihn damit von außen nach innen verlagert, vom rohen Überlebenskampf der Natur in den Aufwärtsgang der Menschwerdung.

Die animalische Religion, das litaneienhafte Nachbeten wie die zwergenhafte Gesetzgebung, die den Tod als ewigen, unerbittlichen Erlass des Universums festschreibt, dieses Schwarzschild des Sapiens, hat den hellen Ton der stillen Post offensichtlich falsch notiert auf dem irdischen Notenblatt und über die Jahrhundert in ein unbewusstes Betriebssystem von „tötet das Leben“ katastrophal übersetzt.

Das offene Geheimnis wird sich zu Füßen der Berge, Flüsse und Städte erneut kenntlich machen, diesmal jedoch nicht für einen einzelnen, sondern öffentlich für alle, nicht als explosive, für den Menschen Elend und Leid bringende, sondern als Quelle eines seelisch begabten Wesens, Mensch, der wir alle schöpferisch sind.

Eine poetische Kraft wird auf der Bühne des Lebens wirksam, eine Begabung, die den Konflikt der Unvereinbarkeit der Gegensätze helfen wird besser zu lesen, einen Streit, der sich Jahrtausende mit dem Ruf des Krieges, tötet das andere Leben, nicht lösen lies.

Ein einfaches Wort ist es, ein blutjunger, kaum zu vernehmender Laut aus dem Anfängen der Welt fällt aus den Mündern. Es ist nur eine Silbe, die beglückt aus den wassergrünen Kehlen fließt."

„Nimm teil am Unteilbaren. Schöpfe Mensch.“ J.G:


quantum poesis



Bewusstsein hat einen Körper, einen strahlenden Körper.



„Über die physisch bewusste Einverleibung
der psychischen Dimension
von Radioaktivität
in das zellulare Betriebssystem,
gelingt der helle Durchstieg von der Materie
über das biologische Leben hin zu einem bewussten Sein.“

Johan van der Leeuwen


Die Passage der unbewussten Lebensorganisation erfolgte bislang in Unkenntnis über die evolutionäre Bedeutung des mentalen Wirkungsgrades der supraschwachen Strahlung im Zellorganismus.

Privat wie öffentlich gab es bislang keine mathematische Gleichungsbrücke, die eine lebbare Passage, eine Passage zwischen Materie und Bewusstsein, möglich machte.

Diese Brücke ist nun in der kosmischen Einstrahlung, ihrem psychisch-mentalen Wirkungsgrad in der gesamten Lebensmaterie gefunden und in ihrem Bedeutungszusammenhang für den weiteren Fortgang der Evolution erkannt.

Dieser Wirkungsgrad ist durch die mechanische Elektrifizierung des Lebens in den letzten 200 Jahren mit ausgelöst und gleichsam rasant beschleunigt worden.

Der einfache Mensch wendet sich im ersten jungen Trieb am Baum der Erkenntnis bereits von dem zwanghaften Vorgang der mechanischen Elektrifizierung der Materie ab und kehrt sich dem bewussten Geschehen im Inneren, seinem ureigenen 100 Billionenfachen mentalen Lichtsatz, seiner eigenen Sonne im physischen Zellkörpers zu.

Dieses "quantum poesis" ist bereits im surpaphysischen Bildungsprozess der Atome und in einem übernatürlichen Stoffwechsel der Molekülketten historisch ausgelöst und in einer neuen Art von Homöostase wirksam.

Dieses Quantum bildet die mathematische Gleichungsbrücke, hebt die Trennung zwischen Himmel und Erde im Kopf meiner eigenen Spezies auf und vereinigt auf dieser Brücke die beiden Enden des Weltgeschehens, Bewusstsein und Materie, zu einem lebbaren Körper.

© J.G: aus „Casa Nova“

Mittwoch, 23. Januar 2008

radioaktives versmaß

O Flamme
Todloses Feuer
Aller Erden
Mächtiges Kind
Im großen Leib
Hier strahlst du
Millionentausendfach
In Allem ich
Leuchtest aus der Tiefe
Selig heimwärts
Masselos empor
Brennst herrlich
Weiblich alles nieder
Sterbliches zu Grunde
Tastest
Fühlst
Suchst
Willst
Physisch
Das Eine
Bewusst
In sich selbst
Unsterbliches
In allen
Körpern
Materie aus Materie
o Schöpfung
Neu erschaffen

J. G:

Montag, 21. Januar 2008

o happy day

"Meinem Bruder Piere,

wie das Leben, so beginnt auch das Schauspiel Willliams inmitten einer verderbten Welt, einer Metapher für die Unvollkommenheit der Materie wie auch der hinfälligen Natur des Menschen.

Die Handlungen zielen auf den Übergang von der Bühne der zwielichtigen Intrige der Verdammnis auf das Plateau des Viva. Das „Heil“ wird in alle Windesrichtungen posaunt als der Triumph der Loyalität und der Gerechtigkeit eines siegreichen Ichs. Das Theater wie das Leben hat indess mehrere Akte, so dass das bislang ungelüftete Phänomen der Zeit seine Wirkung im Wandel an Mensch und Dingen unmerklich verrichten kann.

Einerseits ist sie „missgestalt, der argen Nacht Genossin“ und „mordet all, was ist“, doch ihr Ruhm bleibt es „der Fürsten Streit zu schlichten“ ebenso wie sie „ dem Trug die Maske abreißt und ans Licht bringt die Wahrheit“.

Meinen Freund aus dem Schloss habe ich einmal gefragt, von dem die Japaner sagen, er sei selbst eine Inkarnation, ob er einen König oder Kaiser kenne, der in den Jahrhunderten ein guter Herrscher war. Er hat mir einen aus der Reihe der Ahnen gesagt, mehr nicht. So sind auch bei William aus Stratford on Avon und seinen Geschichten fast alle Monarchen Verbrecher oder Schwächlinge, so dass nach der Inthronisierung des Potentaten die versammelte Entourage auf den rohen Gedanken kommt zu morden, um damit den ersehnten Sturz des Gebieters über Nacht herbeizuführen.

Im blutigen Spiel um die Macht zerfällt das Reich. Zwietracht, Verrat, Aufstände, Mord schmieden hinterrücks den Atemzug, in dem geschehen soll, was geschehen muss.

„ende gut, alles gut: das Ziel ist Krönung“

Bei der erneuten Inthronisation, offensichtlich ein magischer Moment der Krone, scheint das Volk wie verwandelt und von den Toten aufzuerstehen. In König Johann III. beschreibt William eine solche Zeremonie, deren überirdisches Ziel die Beseitigung des Despoten auf ewig den Glanz darstellt, an der die gesamte Natur in ihrem Streben wie Erfüllung teilnimmt.

„Um ihn zu feiern, wird die hehre Sonne
Verweilen und den Alchemisten spielen
Verwandelnd mit des edlen Augen Glanz
Die magre Erdenscholl´in blinkend Gold“

Mein Bruder, mit einem großen Herzen und mit der liebenden Umarmung, wie es nur Geschwister können, wünsche ich dir einen lichten Tag am heutigen 22. Januar 2008.

Alle guten Wünsche sind bei dir und ich hoffe, dass das gesamte Ensemble ihren dr. tamil nadu und Totengräber ihrer unbewussten Lebensweise hochleben lässt.

Deinen Lieblingsplatz in diesem Leben hast du ja gefunden.
Das ist eine gute Voraussetzung für die unverstellte Aussicht in die kommende Welt.
In einer stillen Stunde aus guter Langeweile und einem Tässchen Tee lässt sich am inneren Horizont schon die nächste Landschaft erkennen, in der man gerne übermorgen sein Lager aufschlagen und sein Feuer anzünden will.

Tom Robbins schreibt in seinem Buch „Chop suey“ über seinen Lieblingsplatz:
„Ein paar Meter weiter stehe ich plötzlich auf buchstäblich nacktem Sandstein, und dieser Sandstein fällt steil ab, fällt und fällt, sodass es einem Angst einjagen könnte, wäre es nicht so überwältigend schön. Wie Pan hocke ich auf einem feuchten, schwindelerregenden Vorsprung und kann auf die unter mir gleitenden Adler hinabschauen, in die Privatsphäre von Fischadlernestern hinein, über den sattgrünen Glanz des Blätterlebens und einen verborgenen, mit Seerosen bedeckten Teich, wo im Frühling eine Million Frösche über Kermits Wiederholungshonorar tratschen.“

Und wenn das alles nicht so unmittelbar klappt wie wir uns das in unserem Primatenhirn auf den modernen Bäumen so vorstellen, mit dem Sinn vom Janzen, mit den wahren Berufungen irgendeiner mythischen Evolution, den ganzen Hochpotenzen, dem Eingehen ins Göttliche und seinen unerschöpflichen Ekstasen, dann haben wir immer noch das Guthaben auf der hauseigenen Bank, das uns auf ewig strahlen lässt: die gute Ausfahrt mit dem Rennrad, anschließend einen Kaffee aus dem Hochland, ein Stück Kuchen auf dem Teller vom Bäcker um die Ecke, bitte mit Sahne, abends das Pokalendspiel im Ersten und am nächsten Tag ein Rendezvous mit einem achtbaren Weib.“


Gute Macht
Dein Bruder John

  ©   by  J. G:

Sonntag, 20. Januar 2008

jansen

"Im Rondell des ersten Stocks,
aufgehängt, das flüssige Blei.
Senkrecht.
Alles im Suff und mit abgebranntem Docht.
Hingekratzt wie hingeworfen.
Aus dem toten Leben fliehend, immer mit dem Stift voran.
hin zu ihr,
dem Weib,
dem Unzerstörbaren."

J.G:

alles nichts

„In einer der über hundert Höhlen der ehemaligen Handelstadt Kucha
an der Seidenstraße sind 72 Buddhas auf einem Wandbild abgebildet.
Die Bildnisse stammen aus dem 6. Jahrhundert n. Chr.
Auf allen 72 Bildnissen trugen die Buddhas Umhänge.
Die Umhänge waren aus Gold.
In allen Abbildungen fehlt der Umhang des Buddhas.

Was ist der Umhang des Buddhas?“

J.G:

du auch

egal
alles muss ins bild
der ganze gott
.
~
J.G:

poem

o madame
ihre blauen lider
geschlossen
herrlich
schauen sie
nach innen
madame
alles an mir
außen
ist in sie
erfüllt
berührt
den warmen sonnenleib
todlos
kann ich jetzt hören
was sie sehen
madame
welch wunder
im palast
der stein der weisen
passiert seit äonen
hellauf
die sekunde
schnell madame
kommen sie
umarmen sie mich

  ©   by  J. G:

Dekret der königlichen Akademie

„Jeder Mensch hat unabhängig seiner sozialen Herkunft, seiner kulturellen Zugehörigkeit, sowie seines persönlichen Bewusstseinsstandes einen kulturellen Bildungsanspruch auf das mediale Weltkulturgut: die Live-Ansicht der ganzen Erde aus dem Weltraum.

Mit der medialen Integration der Live Ansicht der Erde aus dem Weltraum in das öffentliche Bild der Welt, ergeht an den Menschen die Aufforderung aus dem kriegerischen Schatten des Sapiens herauszutreten und als Mitschöpfer auf den Plan der kulturellen Evolution zu treten.

Mit der aus dieser Ansicht freiwerdenden Kreativität und Begabungsverantwortung nimmt der Mensch gleichberechtigt am Weltgespräch teil.

Die Vielfalt der Lebens- und Bewusstseinsformen haben das erste Mal in dieser Welt in aller Öffentlichkeit die Möglichkeit, gleichzeitig lokal Bezug auf ein Ganzes zu nehmen, dass sie sichtbar alle trägt.

„Was schön ist,
weiß man, wenn man es sieht.
Aber es lässt sich nicht erklären,
nur zeigen.“
Ludwig Wittgenstein


Je erlebnisreicher der Mensch in seinem Fühlen, Denken und Handeln befähigt wird an der Entwicklung einer globalen Kulturgemeinschaft aktiv teilzunehmen, umso kreativer und verantwortungsbewusster werden sich die individuellen Handlungsebenen des Menschen organisieren.

Die Live Ansicht der Erde aus dem Weltraum befähigt den Menschen, sein bis dahin vom übrigen Ganzen der Erde geführten Denken, Fühlen und Handeln auch sozial in einer Gesamtaktivität wahrzunehmen.


„Die größte Zivilisationsleistung der Menschen ist es,
sich in einen immer größeren Zusammenhang zu stellen:
Erst in den Clan, dann in seine Nation,
in seine Religion, schließlich in seinen Kontinent
und dann auf seinen Planeten.“
Margaret Mead, Ethnologin

Es scheint von Bedeutung für das komplexe Zusammenwirken der verschiedenen Lebens- und Bewusstseinsformen zu sein, dass wir die Globalität nicht nur mental verstehen lernen, sondern darüber in der Öffentlichkeit einen vollständig neuen Kommunikations- wie Bildungsprozess von schöpferischem Willen entwerfen.


„Die Vielheit individueller Reflexionen,
die sich im Akt eines einzigen, gleichgestimmten Bewusstseins
sammeln und verstärken.“
Der Mensch im Kosmos
 Teilhard de Chardin


Einen Kommunikationsprozess, der die hohe Erlebnisqualität der inneren Zusammenhänge der Lebensmaterie bewusster im Alltag zur Kenntnis gibt.

Es bietet dem Menschen die potentielle Basis, auf einer gemeinsamen Erfahrungsgrundlage und einer neuen kulturellen Entscheidungsebene mit der Individualisierung in einer globalen Gemeinschaft zu beginnen, in der Einheit und Vielfalt, Wir und Ich, Gemeinschaft und Individuum, human kreativ, menschenwürdiger zusammenwirken.

Über diese Ansicht erlangt der Mensch die Fähigkeit Leben als Teil eines Ganzen zu sehen. Wobei sehen nicht allein als visueller Akt verstanden wird, sondern das "sich sehen" in einer Mitwelt eher als die lebendige Erfahrung, Einsicht und Gestaltung innerer Zusammenhänge von Materie, Leben, Mensch und Kosmos sich erschließt.

Philosophisch ist es das physisch bewusste Wiedererkennen des Einen in Allem, das sich selbst vielfältig in jedem einzelnen Teil schöpferisch erfüllt.“ 

Januar 2008

© J.G:

Samstag, 19. Januar 2008

alles ein dasein

„Franz, der Nebel lichtet sich, du kannst aufstehen“ J.G.

"In den frühen Jahren meiner Kindheit haben mich Buchstaben wenig berührt. Die Reihe der Buchstaben auf Papier und auf den Schildern aus Blech erschienen mir in den ersten Jahren meines irdischen Daseins nur schwarze, dreckige Flecken auf weißem Grund zu sein, auf die die Väter und Mütter, mir völlig unerklärlich, unentwegt am Morgen, den Tag über und sogar am Abend unablässig starrten. In der kindlichen Reife meines Spiels erschienen sie mir auch manchmal kleine, magnetische Eisenkringel zu sein, die auf einem elektrischen Karussell unablässig hin und her schwindelten und den Erwachsenen die Köpfe in alle Himmelsrichtungen verdrehten.

Oftmals hörte ich Erwachsenes Leben Worte sagen, die nach endlosem Starren auf Stapel von gefaltetem Papier nicht müde wurden die zivilen Bestände der Sprache solange zu wiederholen, bis alle offenen Türen und Fenster, alle roten Herzen des erwartungsfrohen Lebens damit zugemauert waren.

Um mich vor diesen schwarzen Lauten in meiner Kehle und den furchtsamen Falten in meinem Wolkengesicht zu schützen, trug ich oft, und das sogar mitten im Sommer, den lieben langen Tag eine dicke, rote Wollmütze. Ich habe sie heute noch. Diese war ich, zum Entsetzen meiner Eltern, nicht gewillt abzusetzen, auch nicht nach dem Zähne putzen, auch nicht beim zu Bett gehen, auch nicht nach mehrmaligen Ermahnungen es könnten sich Läuse auf meinem Kopf einnisten und auch nicht nach der elterlichen Besänftigung mit Aussicht auf eine Gute Nacht Geschichte.

Sogar im Schlaf, es klingt wirklich auch heute noch seltsam in meinen Ohren, auch im süß fiebrigen Schlummer der jungen Substanz, zeigte ich nach Auskunft meines großen Bruders, entgegen aller vorgetragenen verwandtschaftlichen und nachbarschaftlichen Befürchtung, eine strahlend kindliche Ausdehnung.

Eingerollt in die Fühler eines Schmetterlings, so verbriefte es mein ältester Bruder vor einigen Jahren in einem Schreiben aus dem Süden des indischen Kontinents, lag ich mit beiden Händen, die rote Wollmütze fest umschlungen, in meinem hellblauen Schlafanzug.

© by  J. G: 

sie

schon immer göttlich und alles ich noch mensch 
 schnell madame ein foto 
 © J.G:

Freitag, 18. Januar 2008

lux

o goldenes meer
du rausch im hellen
umarme mich
küsse mich
flute meine zellen

J.G:

so wie es sein soll

"Bei unserem Aufenthalt im Schloss gab es ein Konzert im großen Saal, dort wo sie zu DDR Zeiten Turnunterricht abgehalten hatten und wo noch immer das Seitpferd wie ein quergelegter Sarkophag aus einer vergangenen Zeit schräg hinter dem schwarzen Flügel magnesiumbedruckt thront.

In diesem glänzend verstaubten Raum spielte Felix australisches Schwirrholz. Mit diesem Instrument begleitete er den jungen Goethe bei einem improvisierten Klavierkonzert. Ein grandioses Konzert war das, das auf dieser Welt seinesgleichen sucht. Mein Freund Harry, der bei der Bank Derivate handelt und in den Pausen auf dem Klo Eichendorf liest, sagt dazu immer, gegen unsere Konzerte sind die Aufführungen in der Royal Albert Hall ein glatter Schiss.

Irgendwie hatte ich ein beruhigendes Gefühl als ich ihn anschaute, denn in seinen Augen atmete unter dem Horizont noch immer ein großes, leuchtend blaues Meer tief ein und aus. Seine Rastazöpfe hatte er wie eine karibische Sonneninsel unter einer dunkelblauen Mütze achtlos aufgesteckt.

Im Zeitraffer, zak, zak, zak, erzählte er mir von seinen amourösen Abenteuern und wilden Eskapaden der letzten Jahren, ganz so, als stände die gesamte Erdgeschichte wie ein gewaltiger Fels vor mir und habe die ernsthafte Absicht lückenlos die Evolution der Arten mit ihren schillernsten Affären und ihren phantastischsten Tragödien in ganzen drei Minuten in allen Einzelheiten ausführlich vor mir auszubreiten.

Eine gewisse Zeit, so gestand er, habe er unter dem Laufpass seiner geliebten Doktorin gelitten, die er einen Sommer lang so heftig geliebt habe, dass am Ende alle Bilder der Ahnen der Reihe nach von der Wand gefallen seien.

Seine zweite feste Liebe der vergangenen Jahre, eine rassige Frau aus Südamerika mit bis zur Hüfte reichenden schwarzen Haaren, sei leider auch verflossen so wie Amazonas in der Wüste Sahara nach der Kontinentalverschiebung des Urkontinents Pangäas.

Doch jetzt sei alles wieder so wie es sein soll, freudetrunken und fruchtbar. Die Damen flatterten wie bunte Fähnchen am dänischen Nationalfeiertag vor seinem Fensterchen hin und her und er brauche sie nur noch ordentlich zu bedienen, dann käme alles von selbst, so wie es sein soll. So könne er mühelose mit ein wenig tirilieren Tag und Nacht Hochzeit feiern ohne jemals zu heiraten.

Groß und breit standen wir beide bei diesen Worten recht dicht beieinander und staunten über die unverhoffte Begegnung, eine Art von Bewunderung des Lebens, eine tiefe Selbstbegeisterung im eigenen Leib, eine im Grunde bodenlose Einsicht des strahlenden Körpers in das große Ganze, das niemand wirklich tot ist, niemand."

J. G:

Donnerstag, 17. Januar 2008

das weite gehör

Entsiegelt 
vom vielwandigen Denken 
erhebt sich das Wort vom Sitz der Wahrheit.



„Nie war ich an der Realität interessiert, nie, immer nur an dem, was das IST ist und wie das Ist atmet, lebt und wirkt, ja, in dem was es beileibe noch nie war, erst noch werden soll."

 
©   by  J. G:

Dienstag, 15. Januar 2008

In der Dunkelkammer des Lichts

"Seien sie bitte nachsichtig, wenn ich schon hier mit der Tür ins Haus falle, doch die alphabetischen Ordnungslinien im molekularen Überleben bieten dem in Dichtung und Wahrheit herumstreifenden Denkprimaten derzeit nur eine unbefriedigende, eine am Grunde des Ereignisses nur verstellte Aussicht auf den ersehnten Lichtsatz.

Ob der mit Buchstaben bevölkerte Primat mit dem zivilen Triebwagen der Großstädte beschriftet an einer natürlichen Landschaft vorüber fährt und seinen neben ihm sitzenden Mitreisenden unversehens nach dessen Lieblingsplatz in der Kindheit fragt, ob er in einem postmodernen Sessel seit Monaten in der Flut der Anpreisungen eines Fernsehprogramms verharrt und ihm aus einer milden Erschöpfung heraus das Wort „Schaukelpferd“ entgleitet, oder ob er im obersten Stockwerk eines verglasten Wolkenkratzers die Geschäftszahlen des ersten Halbjahres auf seinem Schreibtisch wochenlang nicht aufschlägt.

Immer scheinen die schwarzen Buchstaben in Länge und Breite auf den losen Blättern so aufgestellt zu sein, dass damit nicht das letzte Wort gesprochen ist."

Aus der Erzählung "Licht den Tagen voran" J.G:

Tauschgeschäft

„Nachdem die Armen lesen, schreiben und rechnen gelernt hatten und sie jetzt lesen, schreiben und rechnen konnten was in der Welt los ist, kamen die Feudalherren in ihren demokratisierten Häusern auf die Idee Wahlzettel ins Spiel zu bringen. So begannen sie damit die Buchstaben und Zahlen auf den Wahlzetteln und in den Zeitungen zu vertauschen, so dass man nicht mehr lesen konnte was los ist.“ J. G:

Sonntag, 13. Januar 2008

den hügel hinauf


„la Chanson“

Entnommen und kommentiert aus dem Band „Ursprung und Gegenwart“ von Jean Gebser

Auf Seite 38 unter Punkt 2 eröffnet Gebser die illustre Galerie der perspektivischen Welt, vorgeformt in der Spätantike des Mittelmeeres, abgeformt ca. 1250 n Chr. in der europäischen Kultur.

Erwacht im griechischen Körpergefühl, des Abbildes eines Körpers, erweitert sich die Individualität des Homo Sapiens im ausgehenden Mittelalter um das Ich-Bild. Nicht mehr nur das allgemeine, idealtypische Abbild der Spezies ( z.B. Cäsar) ist jetzt auf Bildern von Malern zu finden, sondern das in der individuellen Vielfalt sich ansiedelnde Ich betritt die Ausstellungsräume der Weltentreppe.

Die ersten tastenden Ausflüge aus der schattenlosen Welt eines in die Fläche vermalten "In den Dingen sein", gelang dem italienischen Maler Giotto. Mit ihm wurde erstmals in der Zivilisation der Städte die räumliche Ausdehnung der Fläche in eine für wahr genommene Tiefe sichtbar. Die Spezies erwacht in diesem Abbild aus der Nacht des unbewussten Schlafes der Dinge, in den sie bislang inseelig im Kollektiv der unerwachten Bretterbühne eingesponnen war.

Sie öffnet die Augen in einer sich in der Ich-Perspektive entäußernden Welt. Die individuelle Besonderheit der Dinge sprießt aus einem sich nach innen dehnenden Standort und reißt plötzlich im Lebensraum sichtbar Tiefe in die äußere Wahrnehmung. Das Ich beginnt sich in lyrischer Leidenschaft in Bildern, Gedichten und Heldentaten in die neu entdeckten Abgründe zwischen Mensch und Natur zu stürzen.

Aus dieser Tiefe lodert die ungeduldige Glut des ewigen Wandels auf und erscheint auf den Bauerngesichtern des Mittelalters als hitziger Einbruch in den glühenden Strom dieses Wandels, die Zeit. Im Jahre 1283 wurde im Palasthof des Westminsters erstmalig eine Uhr öffentlich aufgestellt. Pabst Sabinus hatte diesen öffentlichen Glockenschlag bereits im Jahre 604 befohlen, um den Lauf des Tages in einem verlässlichen Maß zu künden.

In diesem kündenden Maß eilt die Spezies aus dem antiken Himmel in die Perspektive des äußeren Raumes und entwirft in den kommenden Jahrhunderten das Abbild eines nicht endenden wollenden „Gegenüber-Seins“ der Welt, das er fortan festverzinslich mit allen Mitteln in seinen Besitz zu nehmen strebt.

Aus diesem Umbruch innerer Wahrnehmung und äußeren Eroberung der Welt zeichnet ein Brief des Francesco Petrarca Worte, die er im Alter von 32 Jahren 1336 an Dionigi Roberti da Borgo San Sepolcro schrieb. Dieser Brief steht zuvorderst im vierten Buch der Familienchronik und berichtet von Petrarcas Besteigung des Mount-Ventoux.

Der Berg liegt in der Nähe von Avignon, nordöstlich, dort, wo die Rhone die französischen Alpen von dem Hügelland der Cevennen und dem gebirgigen Zentralmassiv Mittelfrankreichs scheidet. Der Mount-Ventoux ist von Avignon aus gesehen ein Berg, der mit klaren und ruhigen Linien breit ausladend in ununterbrochenem Anstieg sein Haupt in den provenzalischen Himmel hebt und abwärtsfließend auf der Norwestseite behütenden Schlaf in Mandelbäumen findet.

Die Landschaft um den Berg des Mount-Ventoux wirft in diesen Tagen des Jahres 1336 erhellenden Farben der gnostischen Tradition der ersten großen französischen Dichtung, „La chanson de Roland“ auf den jungen Augustinermönch Petrarca.

Diese Dichtung der Troubadours ist in den lichten Versen mehr der Welterkenntnis zugeneigt, als einem dem inneren Wissen gegenüber verdunkelnden Glauben.

Im Aufgang und Anblick sowie im Sehen der weiten Landschaft der Bergwelt des Mount-Ventoux wird Petrarca Zeuge einer epochalen Morgendämmerung. Eine von seliger Unschuld gemalter Schönheit zieht in Petrarca den schweren Vorhang beiseite und gewährt ihm in diesen Stunden der Höhe einen Ausblick in eine neue Welt.

„Den höchsten Berg unserer Gegend“, so beginnt Petrarcas Brief, „habe ich gestern bestiegen, nur von dem Verlangen geleitet, die namhafte Höhe des Ortes kennen zu lernen. Durch viele Jahre hindurch war dies in meiner Seele; von Kindheit an habe ich mich nämlich, wie du ja weißt, hier in diesen Gegenden herumgetrieben. Jener Berg, weit und breit sichtbar, stand mir fast allezeit vor Augen. Allmählich ward mein Verlangen ungestüm und ich schritt zur Ausführung, insbesondere nachdem ich tags zuvor beim Lesen der römischen Geschichte im Livius auf jene Stelle gestoßen war, wo Philipp, der König von Mazedonien, … den Berg Haemus in Thessalien besteigt, von dessen Gipfel zwei Meere, das Adriatische und der Pontus Euxinus, sichtbar sein sollen.“ Seite 42

Schon viele vor Petrarca haben Berge bestiegen, allerdings nicht aus ästhetischen Gründen, sondern aus militärisch, administrativen Erwägungen, die dem Auftrag einer Institution oder  Staates folgten.

„In den Schluchten trafen wir (er und sein bruder) einen alten Hirten, der mit vielen Worten versuchte, uns von der Besteigung zurückzuhalten und sagte… er habe niemals davon gehört, dass jemand Ähnliches gewagt habe.“

„Und noch im Aufstieg trieb ich mich selber mit diesen Worten an: Was als heute, beim Besteigen dieses Berges du erfahren hast, das kommt gewisslich dir und vielen zugute, die zu einem glückseligen Leben gelangen wollen…“

Auf dem Gipfel angekommen, überstürzen sich die Ereignisse.

„Erschüttert von dem ungewohnten Winde und von dem weiten und freien Schauspiel, war ich zu allererst wie vor Schreck erstarrt. Ich schaue: Die Wolken lagen unter meinen Füssen… Ich wende meinen Blick italienwärts, wohin sich noch mehr als dieser meine Seele wandte…Ich gestehe, dass ich seufzte, da ich den Himmel Italiens sah, der mehr meinem Geist als meinem Auge erschien, und ein unsagbares Verlangen ergriff mich, meine heimat wieder zu sehen… Und dann ergriff mich ein neuer Gedanke, der mich aus dem Raum in die Zeit trug (a locis traduxit ad tempora) Ich sagte zu mir selber: Zehn Jahre sind es her, dass du die Bologna verließest…“

In dieser inneren Erschütterung flieht der Franziskaner in dem Brief in Worten aus der ersten schuldhaften Begehung der Ausdehnung des Raumes zurück in den Geist und Leib behüteten „Goldgrund der Sieneser Meister“.

Nach dem schuldhaften Bekenntnis Verbotenes gesehen zu haben, fährt der Mönch in der Schilderung des gesehenen Raumes weiter: „Dann wende ich mich gen Westen, vergeblich suche ich den Rücken der Pyrenäen, dieser Grenze zwischen Frankreich und Spanien…Ich sehe die Berge der Lyoneser Provinz zur Rechten, und zur Linken die Fluten des Mittelmeeres, die auf der einen Seite Marseille bespülen und sich an Aiges-Mortes brechen; und obwohl die Entfernung weit war, sahen wir sehr deutlich; die Rhone selbst lag unter unserem Blick…“ Seite 43

Bestürzt von der Schönheit einer sich selbst sehenden Landschaft, sucht der Mönch halt in den Bekenntnissen des Augustinus, wobei ihm eine Zeile zufällt, die aus seiner inneren Heimat aufscheinend seine Schuld aufhebt.

„Gott ist mein Zeuge, und jener der dabei war, (Bruder) dass mein Blick auf folgende Stelle fiel: Und die Menschen gehen die hohen Berge bewundern und die gewaltigen Flüsse und die Unermesslichkeit des Ozeans und die Bahnen der Sterne, und sie geben sich dabei selber auf (et relinquunt se ipsos“. Aufgefahren von dem Ton der inneren Stimme, die in auf dem Gipfel erreicht seelisch erhebt, fährt er fort: „Bestürzung erfasst mich, ich gestehe es, und meinem Bruder, der diese Stelle auch zu lesen wünschte, bittend, mich nicht zu stören, schloss ich das Buch, erzürnt darüber, dass mich auch jetzt noch irdischen Dingen zugewandt hatte, da doch selbst die heidnischen Philosophen es seit langem mich hätten lehren sollen, dass außer der Seele nichts bewunderungswürdiges (des Anschauens wert) sei (nihil praeter animum esse mirabile), und dass im Vergleich mit ihrer Größe nichts groß ist.“ Seite 44

Dem Brief ist nach diesem Bekenntnis ein tiefer Atemzug anzumerken. Überraschend folgen auf dieses Nachsinnen monumentale, die Zeit übersteigende Worte: „Als ich alsdann im Betrachten dieses Berges meine Augen sattsam befriedigt hatte, wandte ich meine inneren Augen in mich selber hinein (in me ipsum interiores oculus reflexi); und von jener Stunde an war es, dass man uns nicht reden hörte…“

Am Ende des Briefes, das Sehende, im "sich sehen" in sich aufhebend, verborgen im seelischen Grund, schreibt er: „Soviel Schweiß und Mühe, damit der Körper dem Himmel um ein kleines näher komme …, etwas ähnliches muss die Seele erschrecken, die sich Gott annähert.“ Seite 44

Von jenem Tag an, so schreibt Gebser in seinem Buch „Ursprung und Gegenwart“, bis zu seinem Lebensende dauert in dem Franziskanermönch Petrarca das Ringen an, das durch den Aufbruch der sehenden Weite seiner Seele in den äußeren Raum ausgelöst wurde.

  ©   by  J. G:

roter mohn

madame
endlich
das radioaktive flussbett
der kosmische atem der materie
alles strahlt
grundlos auf
im endloskörper
o du göttlich schöne
du physisch bewusstes überhaupt
in all den 1000 sonnen
meiner zellen

J.G:

am sonnentor

so nah
madame
so nah

J.G: 

o madame


grandios
nehmen wir teil
am unteilbaren
unfassbar zart
und weiblich das leuchten
in den zellen
souverän
lebt materie
diesen lichtsatz
atmet radioaktiv
alles liebe
zahlt bar
die helle münze
strahlend hin
zu beiden seiten

J. G:

Samstag, 12. Januar 2008

"Sie, ...

die Kuh, ich, das Pferd."

Menschen und Liebe.
Sonne auf blauem Stein.

Der farbenprächtige Planet treibt im Glanz der hellen Beugung.
Mit ganzem Leib nur noch nach vorn zum Ursprung hin.
Ein grandioser Überfall.

In seiner inneren Umarmung findet dieser Leib hinter allen Fluren des Hominiden Schemens, hinter allen Herzkammern der sehnsüchtig Toten, hinter allen Schößen der endlos aufeinander folgenden Geburten, in all der Leere des unendlichen Nichts, glückselig zwei in einem Nest.

„Nichts ist eine Membran“ M. McIron

Donnerstag, 10. Januar 2008

Licht den Tagen voran


Die Geschichte hat ihren Ausgangspunkt in der Erzählung „Ein herrlicher Tag für Bananenfisch“, in der Salinger (Neun Erzählungen) seinen buddhistischen Helden in einem Hotel am Meer Selbstmord begehen lässt.

Die hier aufgelegte Story dreht den Sargdeckel, hebt den Selbstmord auf und lässt den Charakter Seymours in einer anderen Zeit und in völlig anderen Zusammenhängen auferstehen. Ein Comeback.
Gleichsam wird damit das Scheitern der Poesie an der Welt aufgehoben. Die Poesie scheitert nicht an der Welt, sonder sie hebt die Welt darin auf.

Ein Lichtsatz.

Mit dem Lichtsatz wird ein helles Kaleidoskop entworfen von einer Lebensmaterie, die aus allen Knopflöchern strahlt.

Der Autor dringt mit seinen flimmernden Schriftzeichen in die Niederlassung eines Lebensbereiches vor, der bislang allein von Wissenschaft, Informationstechnologie und Militär benutzt wurde: die physische Ausstrahlung der Materie.

Das Ereignis der Materie, feste Basis, doch nicht innerstes Motiv von Leben, hat einen strahlenden Hintergrund, der seit Urzeiten alle Welten - Radioaktiv - über das Neueste in Kenntnis setzt.

Der Autor bedient sich dieser physischen Realität und näht mit dem Genre der radioaktiven Poesie erstmals handfest einen hellen Knopf an das schwarz bedruckte Nachthemd der Literatur.

Eine poetische Novität.

Dieses Bravourstück ist nach über 100 Jahren einfältigen Vordringens in die Welt der kleinsten Teilchen nicht nur überfällig, sondern das Handwerk des Dichters erwirkt in der Novität der radioaktiven Silben eine erhebende Aussicht, die jedem achtsamen Leser einen ersprießlichen Platz auf der dichten Verzweigung am Stammbaum der Evolution offeriert.

Die Umarmung der Liebenden öffnet die Tür in die wirkliche Welt. Der schwarze Schleier der Teilung des Lebens, den J.D. Salinger noch als unsichtbares Motiv für den Selbstmord seines Helden literarisch als unüberwindbar ins Schlachtfeld der Erzählung geführt hat, fällt.

Eine Sensation.

Der Anmut verfallen, fordert diese grandiose Aussicht auf den Innenhof der Welt inwendig die Liebenden auf etwas zu tun, was bislang dem Souverän, dem Selbst des Menschen, dem lebendig strahlenden Eisenkern politisch wahrzunehmen und zu tun verwehrt geblieben ist: 

"Nimm teil am Unteilbaren, schöpfe Mensch." © J.G:

sapiens revue

„Die alten Kaiser besetzten das öffentliche Wort negativ.  Die Neuen machen das auch. Mit Macht. Der Mensch soll tunlichst seine sterbliche ...