Mittwoch, 20. Februar 2008

so viel welt

Der Kern des Schillerdramas um Maria Stuart:
Jeder Schritt, den sie zu ihrer Rettung unternahm, brachte sie dem Henker näher.

In der tragischen Qualität des Stoffes offenbart sich das eiserne Tor der physischen Gesetzgebung, nachdem Leben letztendlich nichts anderes übrig bleibt als dem Tod erlösend in die Arme zu fallen. So oder so.

Die gottlos Gesetzgebung des Göttlichen scheint in der Ereignistiefe unseres Universums die einzig bare Münze zu sein. Sinnlos. Trügerisch. Tödlich. Für den Weltenreisenden kein wahrer Grund sich vom Kauf einer Fahrkarte am Bahnhof Erde abhalten zu lassen. Will das Trugbild aufgedeckt sein, so muss sich der Seefahrer und Abenteurer auf seiner Reise über den inneren Ereignishorizont des Geschehens beugen.

Goethe, mit dem Schiller über Maria Stuart korrespondierte, lehnte die Szene ab, in der die beiden Königinnen aufeinander treffen sollten. Es könne nicht angehen, so Wolfgang, zwei Königinnen sich streitend wie Marktweiber oder Huren auftreten zu lassen. Schiller jedoch beharrte fest auf diesem Treffen und machte aus der moralischen Unmöglichkeit eine Notwendigkeit der sich selbst ins Lebensbild malenden Psyche.

Der blutrünstige Streit der Gedanken über die Vorherrschaft und die hinterlistige Intrige um den eigenen Vorteil, kennzeichnet die besitzanzeigende Herrschaftsform des Sapiens, ob nun Monarchie, Feudalismus, Kommunismus oder Kapitalismus.

„Gewalt nur ist die einzige Sicherheit, kein Bündnis mit dem Gezücht der Schlangen …“ , mit diesen Worten der Staatsräson und des Neides wirft Elisabeth ihre Rivalin Maria zu Boden, eine Staatsräson, die in den darauf folgenden 200 Jahren zur Legitimation staatlicher Kriege, irrsinniger Vernichtungsideologien sowie privater Henkersmahlzeiten werden würde.

Zu ihrer Amme lässt Schiller Elisabeth sagen: „O wie wohl mir ist, Hanna! Endlich, endlich, nach Jahren der Erniedrigung, der Leiden, Ein Augenblick der Rache, des Triumphs,… Das Messer stieß ich der Feindin Brust.“

Man kann es lesen, nach Jahren der Erniedrigung, erlösend der eine Augenblick der Rache.
In diesem dunklen Verlies, der Chimäre erlösender Gewalt, irrt Sapiens seit Jahrtausenden herum und lässt den Menschen nicht Mensch werden.

So in den Worten Maria Stuarts von Schiller wiedergegeben:

„Der Thron von England ist durch einen Bastard, Entweiht, der Briten edelherziges Volk, Durch eine listige Gauklerin betrogen. – Regierte Recht, so läget Ihr vor mir. Im Staube jetzt, denn ich bin Euer König.“

Im Angesicht der nahenden Verurteilung durch das Henkerbeil begeht Schiller einen Frevel, der in Wien zur Absetzung des Stückes führte.

Beichte und Abendmahl kamen auf die Bühne und das Stück in Wien auf den Index. Die Selbstbegegnung angesichts des Todes macht Schiller in dieser Szene öffentlich und zeigt den bis dahin verhüllten Fundus privater Reue und Beichte. Ein Skandal.

Schiller zelebriert im Angesicht des Todes auf der Bühne das Tor zur Freiheit, das sich in dem Abfallen der Angst des Irdischen für den Verurteilten öffnet.

Schiller begann, was noch heute fortzusetzen ist.
Die Abkehr von der selbstzerstörerischen Gewalt und die Hinwendung zur Menschwerdung.

Die Rückerinnerung an den Ursprung der Welt ist bei Schiller weder von der Nomenklatur der kirchlichen Orthodoxie verstellt, noch von einer Unterwerfung unter das Regime einer weltlichen Herrschaft. Mit der Inszenierung des irdischen Dramas auf den schmutzigen Brettern der Welt eröffnet er an den Betrachter das Angebot selbst Zeuge zu werden an dem höchsten Genuss des Gemüts, dem in Freiheit angelegten lebendigen Spiel des Lebens und seiner ins Licht befreienden Atmung. Dies dürfte nicht uninteressant sein für die Evolutionsmedizin, da doch Schiller letztlich an der irdischen Beklemmung dieser Atmung, einer kruppösen Pneumonie, zerbrochen ist.

In dem Distichon „Mein Glaube von 1797 äußert er sich zu seiner Rückbindung.
„Welche Religion ich bekenne? Keine von allen, Die du mir nennst! Und warum? Aus Religion!“

Die Verkehrung der Dinge.
Die mordende und selbst zerstörerische Kriegsfinanz des Sapiens beansprucht in ihrem triebhaften Halbwissen, religiöse wie säkular verpackt, die Idee des Göttlichen und verdunkelt mit diesem monströsen Blendwerk die Aussicht des Menschen auf den Platz des himmlischen Friedens sowie den an und für sich unverschlossenen Pfad zu sich selbst.

Das Bekenntnis Schillers zum schöpferischen Willen findet sich in dem Wort: „Nehmet die Gottheit auf in euren Willen, und sie steigt von ihrem Weltenthron“

Frei nach Wilhelm von Humboldt, am Ende seines Lebens:
„Ich habe so viel Welt, als ich konnte, in Menschheit verwandelt“

J.G:

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