"Eine pulsierende Heerschau des Kommen und Gehens durchschwärmt mich seit jenen Kindertagen bei jedem sinnlichen Anflug von Gleisen und Bahnsteigen wie ein Heringsschwarm auf dem Weg zu den Laichplätzen. Dieser flimmernde Strom von Koffern, Ansagen, Umarmungen, roten Eisenrädern, Würstchenverkäufern, weißen Taschentüchern und Tränen, diese herrlich bewegte Elektrizität des Lebens erfüllt mein Herzblut mit einem ewigen Meer, dem hellen Leib der ungeteilten Erde.
Und all die Maler tauchten in die Tiefsee der Fläche ein, brachen den Malgrund schon lange vor mir auf, waren fassungslos über diesen ungeheuren Lichtstrom aus dem Innenhof der Welt. In den Grabenkriegen am kalten Hungertuch der Leinwand wie nach den armseligen Schnapsstunden mit all den amputierten Seelen, allesamt wüteten sie 300 Jahre nach Galilei zärtlich Safran, Ocker, Schwefel, Bernstein und Topas, spuckten, kratzten und salbten mit ihren Pinseln und Spachteln das Licht des Totgeglaubten auf den getünchten Untergrund.
Noch vor dem Tagesanbruch des 20. Jahrhunderts rissen sie das dunkle Couvert in sich auf und hantierten so wie Marie Curie berauscht mit dem strahlenden Leib der Erde.
Entflammt von dieser brennenden Lichtraserei, diesem lautlosen Donnerwerk der Herrlichkeit, diesem Crescendo in Glanz und Gloria, entfesselt und niedergerissen von diesem grellen Aufschein, begann das Genre der schönen Nutzlosigkeit die Mär von einer neuen Welt auf der Leinwand zu enthüllen.
Mit der elend dürstenden Leidenschaft und dem rauschhaften Gelage einer ganzen Epoche sprengte Vincent und seine Brüder die hermetische Fläche auf. In der Ekstase des einmal Gesehenen durchbrachen sie jede gesellschaftliche Konvention des Abbildes, durchbrachen mit dem gelben Schrei nach Licht die eiserne Mauer in der Tiefe der lebendig gewordenen Steine.“ J. G:
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