Donnerstag, 20. Mai 2010

ein wunder

„Nach innen gehen.
Was meinst du wohl, was dich da erwartet an der grundlosen Kuhle, na, weiß meinst du?
Na sag schon!
Schweigen im Walde, was?

Da klopfst und hämmerst du seit Jahren verzweifelt an eine innere Tür, verbreitest monotonen Singsang und heilige Weihrauchschwaden um dich herum, um endlich, ja nur um endlich die Einflugschneise des gelobten Landes in deinem fein säuberlich gehegten Irrgarten zu erblicken.

Ha, das ich nicht lache.

Mit deinen in Halbwissen und Aberglauben ausgependelten Koordinaten aus weltlichem Katzenjammer und religiösen Leidensgängen, mit deiner in schwindsüchtiger Eile zusammen gezimmerten SOS-Meldungen, den so übernatürlichen Hatha-Übungen, diesem nasal, plärrenden "OM", diesem gottverkrampften Nirwanagesicht, mit deinem „Hilf mir“, „Hilf mir“, „Hilf mir“, mit diesem Triumvirat willst du ganz exklusiv, nur für dich allein, die Landeerlaubnis im Paradies erzwingen. Und ausnahmsweise soll dich der Herrgott auch noch persönlich, ganz exklusiv vom Flughafen abholen. Und das sage ich dir hier in Großbuchstaben, genau das wird er machen. Nur anders als du denkst.

O.k., o.k., klopf nur an die Himmelstür.
O.k., klopfe und dir wird aufgetan.
So ist es.
So war es immer und so wird es auch immer sein.
Seit ewigen Zeiten.
Du klopfst und dir wird aufgetan. 
Und ich sage Amen.

Was denkst du wohl, was dich da erwartet?
Himmlische Ruhe? Seelischer Reichtum?
Frieden allerorten? Engel überall? Ewigkeit?
Ha, das ich nicht lache, wenn ich das schon höre, Ewigkeit?

Wenn sich eines Tages da drinnen bei dir die Tür öffnet, und die wird sich öffnen, da kannst du sicher sein, das kannst du mit deiner auf dem Kopf stehenden himmlischen Bettelei gar nicht verhindern, dann stehst du exakt 1 Millimeter mit deinem hübschen Näschen vor dem erbetenen Höllenfeuer, du und zwar genau vor deiner eigenen Sonne.

So wie du es willst, von Angesicht zu Angesicht.

Ne, ne, meine Liebe, nicht symbolisch, nicht religiös, und auch nicht metaphysisch und all diesem spirituelle Plunder aus modischen Lumpen, supertiefen Atemzügen und erschöpftem Papier. Ne, ne, so wie du es liebst, nackte Tatsachen, Fakten, physisch, ganz und gar physisch stehst du dann vor deinem erflehten himmlischen Almosen.

Und solltest du während deines Meditationsaufenthalts hier auf diesem wunderschönen Planeten nicht ein Nanogramm Bewusstsein gesammelt haben, ne, meine Liebe, nicht dieses Jammertal an Büchergeist auf deinem Nachttisch, harte Münze, eine blitzfeine Legierung aus dem inneren Reaktor deiner Herzkammer, eine Fusion aus dem Stoff nach dem Big Bang und mit dem sagenumwobenen Fluidum vor dem Knall. Und solltest du nicht ein Gramm dieses Nektars in deinem von Übungen verdrehten, heiligen Hungerleib angesammelt haben, so wie die Bienchen Flug für Flug und Tropfen für Tropfen in ihre Wabe tragen, dann wirst du dir an der Himmelstür einen kleinen Sonnenbrand auf deinem hübschen Näschen holen.

Nur Mut, Madame Buddha, hier deine Sonnenbrille und jetzt einen Schritt nach vorn. Wir treffen uns Übermorgen in dem Land, wo Milch und Honig fließt. Und vergiss bitte dieses Mal nicht deinen Seelenleib, diesen wunderschönen, physischen Körper der Liebe, mitzubringen. Guck nach Hiroshima, der Aschekelch zeigt dir, was diese Welt aus begeistertem Kohlenstoff noch so treibt.“ 

  ©   by  J. G:


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