Montag, 24. Mai 2010

bleiben

"In der Nacht noch, kurz vor dem hellen Schlaf, hauchte sie aus dem herrlich fallenden Ton des Körpers „Wie gern ich hier liege, mein Gott“.

Es war das erste Mal, dass wir gemeinsam in ihrem Haus in einem Bett einschliefen und aufwachten. An diesem Morgen, einem Mittwoch, lösten wir beide uns um viertel nach 6 Uhr aus der nächtlichen Umarmung. Das kleine Zimmer hatte ein rechteckiges Fenster, das den Blick nach Osten hin freigibt. Flach ausgestreckt auf dem Bett liegend sieht man am Morgen zwei Sensationen. Das durchsichtige Reich des Tages mit seinen vorbeiziehenden Wolken und das der Mähnen und Ohren von Pferden, die auf dem hinter dem Haus liegenden Auslauf ihr Dasein in das Blau des Himmels spielen.

An diesem Morgen, einem Mittwoch im Mai, sanken unsere Körper für einen Atemzug zurück in die Glut der Nacht.

Ich stand zuerst auf, ging ins Bad, kam nach 5 Minuten wieder und schlupfte zurück zu ihr unter die große, weiße Decke. Eine kleine Weile lagen die schlafenden Körper noch beieinander, dann huschte sie aus dem Schlummer des Leibes, stand auf, kam ebenfalls nach ein paar Minuten wieder und hielt zwei Gläser mit Saft in den Händen.
Wir tranken von diesem roten Fruchtsaft, ich liegend, sie am Bett stehend. Nach dem ich ihr mein nicht ganz leer getrunkenes Glas reichte, nickte sie kurz. Ich verstand die Geste und trank die kleine Pfütze, die im Glas verblieben war, folgsam aus. Sie stellte beide Gläser auf der Fensterbank ab, drehte sich, kam, beugte sich zu mir, nahm die große, weiße Decke hoch, setzte sich wie ein reitender Bote des Königs in meinem Schoß, neigte ihren Oberkörper, umarmte mich, legte ihren Kopf neben meinen, öffnete die Lippen und küsste den wachen Bogen zur Kehle. Umhüllt von der weißen Nacht des Schlafes, umschlungen von den festen Kurven des Weibes atmete der große Körper den Duft junger Erde. Aus dem grünen Licht der Bäume flocht das Gefieder jubelnd das morgendliche Canto selbstlos in die aufströmenden Duftfäden der Pflanzen, Blüten und Hölzer.

Sie stand auf, ging in die Küche, um das Frühstück zu richten. Nach einer halbe Stunde weckte sie mich zum Frühstück. Als ich aus dem Bad kam war der Tisch gedeckt. Sie hatte inzwischen mit den Mitarbeitern des Hauses gesprochen und die Dinge des beginnenden Tages geregelt, die zu regeln waren. Alltag.

Im zweiten Bild des Tages saßen wir am Küchentisch. Nach 36 Stunden „wahr“ ich bei ihr. Angekommen. Auf dem Tisch waren die Dinge mit großer Liebe angerichtet. Es war das Frühstück zum Abschied, nicht das Frühstück zur Ankunft. Ein Erdteil, driftet in zwei Kontinente auseinander.

Gegen halb 10 Uhr verließ ich ihr ländliches Zuhause. Es regnete zum Zeitpunkt des Abschieds. Sie hatte noch die Idee mir etwas für meinen Garten mitzugeben, Kräuter, Pfefferminze und Oregano. Sie drückte mir einen großen, schwarzen Regenschirm schnell in die Hand und dann stand ich den Schirm über sie haltend vor dem Haus, während sie die beiden Kräuter mit einer zu großen Schaufel ausstach und sie sorgsam in einen kleinen Karton packte. Zusammen stiefelten wir nebeneinander im Regen zum Auto, verstauten die Kräuter und luden kurzerhand noch Kaminholz ein. Ich nahm die Scheite von dem großen Holzhaufen, sie verstaute sie sorgsam. Dann gingen wir zurück zum Haus, ich schnappte meine Taschen und gemeinsam machten wir noch einmal den Weg zum Auto über die Unebene vor dem Haus, von der sie sagt, man stolpere hier leicht, wenn man nicht die Füße hebe, sie komme hier auch nachts nicht unbeschadet davon.

Zum Abschied stand sie am Weg mit dem großen, schwarzen Regenschirm, der Hund links neben ihr, sie winkte, beide schauten mir nach. Kaum dass ich um die erste Kurve war, drängte das Meer in mir über die grünen Hügel meiner Wangen heim nach Ithaka. In den 2 Stunden der Fahrt nach Hamburg ertrank ich rettend in den Wogen des Salzmeeres." 

© by  J. G: 

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