"In unaufschiebbarer Ewigkeit stiehlt sich das Kleinod schon nach einer halben Sekunde aus dem unbeseelten Fest der Anverwandten, flieht aus dem alten Kindbett des Sapiens, einer Religion des Objekts und Wissenschaft der Fortpflanzung und stürzt naiv in einen haltlosen Urgrund, vorbei an all den Akademien, Kirchen, Moscheen, Schulen und Gefängnissen, vorbei und hinaus, vorbei an all den buddhistischen Sitzkissen, vorbei an all den Süchten, Erwartungen, Erlösungen und all dem alten Eisen an Belehrungen, vorbei und hinaus zum fallenden Schleier der Salome, dem kosmischen Sprungtuch, der Zellmembran von Nichts, hin an das glühende Herz der Ahnen, an des Feuerwächters Seite.
Dort, am geschichtslosen Feuerrand, von den Fälligkeitstagen und Datenströmen entbunden, erblickt das Juwel den hellen Schoß und sieht erstmals sich selbst, wie es aus dem Funken des Urteils wie ein frisch geschlüpfter Schmetterling seidig ins irdisch Helle flattert.
Noch werden die Lebenden und die Toten auf dem halbgaren Keimplatz der Wechselwirkung lichtlos hin und her geschoben. Eine Epidemie der Verlassensängste, der Raffgier und der ruchlosen Gewalt wuchert in den Generationen der Geschlechter. Elend monetäres in Besitznehmen eines herrlich gewichtslosen Motivs. Eine Katastrophe des Begreifens.
Für junges und altes Leben ein zu eng gewordenes Betriebssystem in der Weite der kosmischen Menagerie von 1000 Universen. Die Funken der Schmetterlinge an ihren Küchentischen und in den Straßencafes schlüpfen jetzt wie kleine, weiße Wölkchen aus den dunklen Kokons und beleuchten mit ihren eigenen kleinen Laternen Straßen und Plätze.
Die aufhebende Gleichung und das strahlende Urmotiv für die weite Reise kriecht unangemeldet aus dem Sternennebel hervor. Das, was wir vor allen Belehrungen, Zeugnisnoten, Einstellungsgesprächen, Werbesendungen, Arbeitsstunden und Einkaufstüten wirklich und wahrhaftig als Geschenk schon in unseren Händen halten.
Auf dem Rangierbahnhof der Geschlechter ist der schöne Schleier der Salome heiß begehrt. Der lichte Leib will zu sich selbst, will auf dem freien Markt des Haltlosen endlich mit dem Schleier fallen und schweben, will zu den ausgedehnten Weizenfeldern, will zu den smaragdgrünen Buchten der Erde, hin zu dem gewichtlosen Kuss der Materie, der vollendeten Teilung, Eros, der Lichtkanne am Anfang der Welt.
Die Geschlechter lösen sich leis aus dem Verlies ihrer sterblichen Umarmung, lösen sich aus dem Zelluloid einer in Gewalt und Elend zerrissenen Welt, weben im Flügelschlag des Schmetterlings das erhebende Wort. Hier, in diesem grandiosen Theater der Scheiterhaufen und Luftschlösser, können sie endlich das werden, was sie dort schon längst sind…“
4.11. 2017.
© J. G:
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