Montag, 14. April 2008

so wie es mir gefällt

„Im letzten Akt, in der Vorbereitung auf die unerlässliche Szene, die zur vergnüglichen Eintracht der gesamten Gesellschaft, Schauspieler wie Publikum führen sollte, bekam ich unerwartet meinen zweiten Auftritt, den ich dem geplatzten Hosenband des Herrn zu verdanken hatte.

In Aufbietung meines gesamten Mobiliars menschlicher Verbrüderung sprang ich wie vom Blitz getroffen mit einem überschäumendem Tatendrang der Hingabe an die Harmonie des Lebens wie ein schottischer Schafsbock auf die bedeutungsvolle Lichtung der Weide der Liebe und war zutiefst gerührt und überwältigt von dem Anblick, der sich mir im letzten Akt darbot.

Erstmals sah mein junger Leib in einer fassungslos, brillanten Klarheit von der Innenseite der Weltenbühne freimütig in das Angesicht einer wahrhaftigen Welt.

In meiner unbändigen Freude der lebendigen Teilnahme am Geschehen erstarrte ich vor Glück und war einen ewigen Augenblick lang saumselig für das nötige Geschehen in der Dramaturgie des Schauspiels. Ich sah mit meinem Milchgesicht in das weite Rund des Theaters und eines der Wunder des Lebens breitete sich episch in seiner ganzen Pracht für nur einen Moment lustvoll vor mir aus.

In diesem stillen Glanz des Verlangens der Welt trat ich mit der ganzen Not eines Grünlings ahnungslos und mit glühenden Wangen vor den samtroten Rocksaum der Dame des Herrn.

Nun war der Herr der Dame ja nicht fort, wie bei der Generalprobe, in der ich die gesamte Rolle des Liebhabers zu spielen hatte, sondern der Liebhaber Höchstselbst stand in der entscheidenden Schlüsselszene mit gerissenem Hosenband bereit zur dramatisch gespreizten Liebesdeklamation.

Der Liebhaber jedoch verschwand auf dem Höhpunkt des Schauspiels plötzlich von den Brettern der Welt. Wie von einem schottischen Blitz getroffen eilte er peinlichst betreten mit einem von seinem Diener unglücklich über ihn geworfenen Mantel von der Bühne.

Stattdessen kniete ich wie von Zauberhand aus dem Nichts geschaffen vor der Dame des Herrn, so als hätte Schauspielmeister William sich im letzten Augenblick doch noch kurzerhand für eine Änderung des Manuskripts entschieden.

Das Bild muss erbärmlich, ja jämmerlich ausgesehen haben und doch bin ich zurückschauend beruhigt. Sind es doch offensichtlich die unvorhergesehenen Ereignisse im Theater des Daseins, die bei allen Zuschauern des lebendigen Gemäldes, schlagartig in nur kurzer Zeit eine bis ins unendlich hineinreichende Raserei von Frohsinn und Begeisterung auslösen.

Ausgesehen muss ich haben wie der heilige Antonius zu Füssen des Herrn Jesu im Beisein seiner Geliebten Maria, derentwillen er ja später auch aus dem Grab auferstanden ist, weil sie ihn so überirdisch geliebt habe, als ich Jüngling und nicht der Herr der Dame die Worte sprach.

„O Madame, sie schon immer göttlich
und alles ich noch Mensch“

Das im Welttheater der irdischen Provinz versammelte Publikum vergnügte sich zu meinem Behagen gelungen und dabei herrlich frei an meinem Kniefall und johlte über die ungeahnte Hochzeit in einer vor Beglückung trunkenem Wahn.“ 


©   by  J. G:


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überaus

 still ein blatt im wind   ©   by  J. G: