Donnerstag, 4. Oktober 2012

kopfüber


Tot ist nicht genug“ lese ich, eine Anzeige des Rowohlt Verlages mit dem erläuternden Satz in weißen Buchstaben auf schwarzem Grund: „Jetzt wird es spannend“.

Drei Bücher werden vorgestellt, Kriminalromane: „48 Stunden“, „Schneeblüte“ und „Null“

Apokalypsis.

Zeit des Umblätterns.

Die eine kennzeichnet die dunkle, unbekannte, verriegelte Seite, markiert die geheimnisumwitterte Schädelstätte und den in ihm stattfindenden unbewussten Aufstand der Manipulierten und der in die Enge Getriebenen, der Unterdrückten und Ausgebeuteten, der Mörder und Vergewaltiger im Dienst der Gewöhnung an das jahrtausendealte Narrativ der Herrschaft der lichtlosen Gestalt.


Um an dieser monetären Grundausbildung zu partizipieren, als privater Vorlauf für den Häuserkampf im Treppenhaus der Nachbarn, im Wüstensand, an der Rampe und im Dschungel ferner Länder, werden unter dem Mangel an Leben und Spannung leidenden Lesekundigen und Fernsehsüchtigen Serienkiller rund um die Uhr frei Haus dargeboten. 

Gleichzeitig werden Novizen und Debütanten animiert einzutreten in das digitale Regiment armseliger Prosperität der Hormone. Üben in ihren überfüllten Kinderzimmern auf Spielkonsolen den digitalen Feldzug mit Level 23 und finalem Genickschuss. 

Gute Nacht und Licht aus im Kinderzimmer.


Erwachsenes Leben wie das der ABC-Schützen werden mit dem Klick zum bunten Zahlwort eines digitalen Schlachtengemäldes, gemalt mit dem schwarzen Strich einer geteilten Welt und der gerechten Waffe, unermüdlich gerichtet, die Guten gegen die Bösen. Sie füllen die feudalen Schatzkammern der Kriegskaste des unbewussten Betriebssystems. Verblendet werden die Hirne der Anfälligen und Naiven mit der gottgefälligen Segnung der Gewalt und der Mobilmachung. Wieder mal der wird der Götze neu lackiert, der endgültige Sieg, Talisman der Geld- und Menschenfresser.


Mit dieser Massenware, gefüttert mit entsicherter Erlösungstheologie, einer mit nur einem einzigen Schuss zu erreichenden Befreiung aus dem elenden, gepredigten Grab der Sterblichkeit, wird mit medialen Druckwalzen vergiftete Buchstaben in die Hirne planiert und mit der knallenden Zuchtpeitsche aus fleißiger Angst und kluger Dummheit zu einem erneuten Feldzug, an allen knalligen Werbebanden zu einem weiteren Marsch der Pistoleros, Loritas, Blinden und Einbeinigen ins Massengrab mobilisiert.


Versprochen wird wie immer die Freiheit.

Geplant wird wie immer der Krieg.
Schnell erreicht wird wie immer das Leichenfeld.
Gestanden wird wie immer vor dem Denkmal „Nie wieder“.
Vernichtet werden soll nicht der Gegner, der Feind der Freiheit, sondern vernichtet werden soll im Krieg der Brüder und Schwestern die kleine Flamme unsterblichen Lichts im Leib, ausgerottet werden soll das erste Flimmern, der Funke Seele in der Mitte aller Steine.

Umblättern.

Blank, die Seite, mit Wahrung beschriftet. 
Durch das schwarze, rissig gewordene Schild des vom übrigen kosmischen Geschehen isolierten und eingesperrten Geistes des Sapiens hindurch scheint es auf.

Schon seit Anbeginn der Zeiten tradieren die mündlichen Überlieferungen diese Wahrung als Aufschein in der kosmischen Nacht, hüten es als inneres Licht, als Leuchtfeuer der Auferstehung aus dem Denkgrab des Sapiens, zeichnen es mit feinem Kohlestrich seit Jahrtausenden als Aufgang, als das Menschliche, das Werdende an die Felsenwand.

Jahrtausende wurde das zum menschlichen Geschöpf erhobene, das Liebende, das Mitgefühl mit allem Sein, der in den Kosmos frei eingewobene Geist, das unermüdlich Kreative, das Unsterbliche Kleinod im Sterblichen, die helle Freude, das göttliche Kind, der Glückselige Hauch, all das wird immer noch ins Jenseits verbannt oder zwischen Wiege und Grab in einem religiösen und wissenschaftlichen Mauerwerk, in einem lichtlosen Bauwerk der Entmündigung leibeigen in Arbeitskonsum feudal begraben.

Kein Mensch steht noch an diesem Grab und hält Trauer.

Johan van der Leeuwen

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