Donnerstag, 6. September 2012

paarweise




Der Korken für das 20. Jahrhundert war aus der Flasche und all die großen Angsthasen und Liebhaber des ungebundenen Lebens, all die Taugenichtse und Nachtigallen der Boheme, all die konservierende Spreu der Räsonierer, all die Klugscheißer mit ihren peniblen Bleistiften, ihren malerischen Stummelschwänzchen und alkoholisierten Wagenladungen von Revolutionen wagten sich in den Jahren danach aus ihren kleinbürgerlichen Verstecken, von ihren verschulten Schreibstuben, ihren kalten Ateliers, malten, schlugen, kratzten und schrieben sich mit ihren elend hellen Brüchen nieder in das Ringbuch der Welt. 

In den Dachrinnen der Häuser paaren sich unbeschriebene Blätter mit rehbraunem Hochzeitsschmuck, laichen im Licht der Laternen heimlich zur Quelle fruchtbaren Vergehens.

Seit Wochen erkältet, schnupfe mich von Tag zu Tag, schlafe unruhig, wühle durch die Nacht und hoffe mit dem ersten Augenaufschlag am Morgen auf Genesung. Über die Tage und Wochen wird das einfache Gemüt daran mürbe. Die bleiche Aufführung verdunkelt mir meinen schönen, auf der Anhöhe meiner Buchstaben erspähten Horizont.

So irre ich an Wochentagen über die Flure der Zahlen, durch die Klassen der Buchstaben, renne mit Papierworten durch die Jahrhunderte, stürme durch das Blitzlichtgewitter des erwartungsfrohen Lebens, sitze in den Belehrungspausen mit den Mitgefangenen der Anstalt schwätzend da und sehe vor dem Klingelzeichen wie alle anderen auch, ganz kurz, so als sehe man das helle Ziel der Menschenbildung, durch die vergilbten Vorhänge." 

 ©   by  J. G:

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