"was du wohl gerade machst"
der indianer
"Den Brief legte ich für einen Augenblick
beiseite, hob im Sitzen mit Kopf und Atem den Körper und schaute durch das
vermooste Glasdach zu den eilig über mich dahinziehenden Wolken.
Nach einem Monat der Einkehr und der Hinwendung
zu den Dingen, Ermutigungen und Talenten, die aus einem Geständnis ihren
sichtbaren Platz neben Teetasse, Tageszeitung und Tintenfass auf dem
Küchentisch fanden, hielt ich einen handschriftlich verfassten Brief vom
Indianer in den Händen.
Gliederlösend.
Bevor ich weiter las, ging ich mit dem Brief in
der linken Hand zum Kühlschrank, öffnete die Tür mit der gleichen, entnahm
einen Fruchtsaft und füllte mir ein Glas halb voll. An der geöffneten Tür
fühlte ich wie das kostbare Salz der sich erinnernd mit Tränen aus dem Felsen
tropfte und selig erlöst in das unteilbare Flussbett fiel.
Am nächsten Morgen habe ich mir in der Schnelle
den Text der Bhagavadgita zusammen mit Bettine von Arnim in die Tasche
gestopft. Folgende den Textstelle erinnere ich:
„Der Mensch
aber, dessen Glück im Selbst ruht
und der volles
Genüge findet in der Freude am Selbst und in dem Selbst,
der ist
zufrieden.
Für ihn
besteht kein Zwang zum Handeln.“
Nach dem Telefonat lag ich noch lange wach und
mein kleiner Zirkus von Akrobaten, Gauklern, Taschenspielern gab noch bis spät
in die Nacht hinein ein Vorstellung.
Kurz vor dem Einsinken in den Schlaf tanzte mit
rosa Schühchen und einem hellweißen Röckchen eine Ballerina einen hinreißenden
Tanz in meiner Manege. Lange silberne und goldene Fäden waren an ihre Arme
gebunden und im Drehen des Körpers flirrten die Fäden wie Wölkchen und
schmiegen nach und nach um ihren zarten Leib. Stunde um Stunde schaute ich
fasziniert den anmutig federnden Drehungen, Verbeugungen und Neigungen zu, bis
ich im Morgengrauen in den ersehnten Schlaf fiel. Was ich noch mitnahm in die
Süße Ruhe war, dass sie die goldenen und silbernen Fäden nicht ein einziges Mal
abstreifte, die feste Form der Bindung, die ihr die Fäden im Tanz schenkten,
gab das, was den Sinnen immer verborgen frei. Das Antlitz des Selbst.
Am nächsten Morgen, im Zustand des groben
Zuschnitts, vermag ich zu deuten, dass der wiegende und springende Tanz Liebe
war und die Bänder die ungeheure Anzahl der Bindungen des Leben.
Die Fäden jedoch die Tänzerin nicht festhielten,
sondern sie mit dem Tanz einen Kokon spann, der dann zum Morgen hin ihr
„Alleiniges“ sichtbar machte.
In dem zweiten Buch fand ich Worte der liebenden
Hingabe Bettine von Arnim an Wolfgang aus Weimar.
„Sie liebte
nur die Liebe,
sie kniete nicht vor Goethe sondern in ihm;
er war ihr Tempel nicht ihr Gott“
schrieb Ludwig Börne 1862.
sie kniete nicht vor Goethe sondern in ihm;
er war ihr Tempel nicht ihr Gott“
schrieb Ludwig Börne 1862.
Auch für die nachfolgenden Geister dieser Zeit,
Rilke, Romain Rolland, Hesse, gab dieser Satz Anlass für vielfältige Deutung.
Auf Seite 163 heißt es: „Sie verabsolutiert,
sehr weiblich, nicht nur den Partner, sondern auch die Liebe, die das Geschöpf,
die Geliebte, die Frau schöpferisch macht und sie aus der gesellschaftlichen
und biologisch vorgegebenen Passivität entlässt. © by J. G:
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