Freitag, 7. März 2008

alles sterne





"was du wohl gerade machst"
der indianer



"Den Brief legte ich für einen Augenblick beiseite, hob im Sitzen mit Kopf und Atem den Körper und schaute durch das vermooste Glasdach zu den eilig über mich dahinziehenden Wolken.

Nach einem Monat der Einkehr und der Hinwendung zu den Dingen, Ermutigungen und Talenten, die aus einem Geständnis ihren sichtbaren Platz neben Teetasse, Tageszeitung und Tintenfass auf dem Küchentisch fanden, hielt ich einen handschriftlich verfassten Brief vom Indianer in den Händen.

Gliederlösend.

Bevor ich weiter las, ging ich mit dem Brief in der linken Hand zum Kühlschrank, öffnete die Tür mit der gleichen, entnahm einen Fruchtsaft und füllte mir ein Glas halb voll. An der geöffneten Tür fühlte ich wie das kostbare Salz der sich erinnernd mit Tränen aus dem Felsen tropfte und selig erlöst in das unteilbare Flussbett fiel.

Am nächsten Morgen habe ich mir in der Schnelle den Text der Bhagavadgita zusammen mit Bettine von Arnim in die Tasche gestopft. Folgende den Textstelle erinnere ich:

„Der Mensch aber, dessen Glück im Selbst ruht
und der volles Genüge findet in der Freude am Selbst und in dem Selbst,
der ist zufrieden.
Für ihn besteht kein Zwang zum Handeln.“

Nach dem Telefonat lag ich noch lange wach und mein kleiner Zirkus von Akrobaten, Gauklern, Taschenspielern gab noch bis spät in die Nacht hinein ein Vorstellung.

Kurz vor dem Einsinken in den Schlaf tanzte mit rosa Schühchen und einem hellweißen Röckchen eine Ballerina einen hinreißenden Tanz in meiner Manege. Lange silberne und goldene Fäden waren an ihre Arme gebunden und im Drehen des Körpers flirrten die Fäden wie Wölkchen und schmiegen nach und nach um ihren zarten Leib. Stunde um Stunde schaute ich fasziniert den anmutig federnden Drehungen, Verbeugungen und Neigungen zu, bis ich im Morgengrauen in den ersehnten Schlaf fiel. Was ich noch mitnahm in die Süße Ruhe war, dass sie die goldenen und silbernen Fäden nicht ein einziges Mal abstreifte, die feste Form der Bindung, die ihr die Fäden im Tanz schenkten, gab das, was den Sinnen immer verborgen frei. Das Antlitz des Selbst.

Am nächsten Morgen, im Zustand des groben Zuschnitts, vermag ich zu deuten, dass der wiegende und springende Tanz Liebe war und die Bänder die ungeheure Anzahl der Bindungen des Leben.
Die Fäden jedoch die Tänzerin nicht festhielten, sondern sie mit dem Tanz einen Kokon spann, der dann zum Morgen hin ihr „Alleiniges“ sichtbar machte.

In dem zweiten Buch fand ich Worte der liebenden Hingabe Bettine von Arnim an Wolfgang aus Weimar.

„Sie liebte nur die Liebe,
sie kniete nicht vor Goethe sondern in ihm;
er war ihr Tempel nicht ihr Gott“
schrieb Ludwig Börne 1862.

Auch für die nachfolgenden Geister dieser Zeit, Rilke, Romain Rolland, Hesse, gab dieser Satz Anlass für vielfältige Deutung.


Auf Seite 163 heißt es: „Sie verabsolutiert, sehr weiblich, nicht nur den Partner, sondern auch die Liebe, die das Geschöpf, die Geliebte, die Frau schöpferisch macht und sie aus der gesellschaftlichen und biologisch vorgegebenen Passivität entlässt.  ©   by  J. G: 

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