Dienstag, 2. Juli 2024

Gleis 4

Ein völliges Dahinschwinden aller erdachten Größen. 



Neonlicht der Moderne.

Erloschen.

Mekka der Gedanken

Verschwunden.

Sapiens Hirn

Im Museum.



 “Don´t worry about this. 

You have much more consciousness 

in the matter of your own 100 Billion cells.”

 


Flucht in der Früh.

Abschied der Moderne. 

Betrete das Haus des belebten Kohlenstoffs.

Die alte Werksuhr des Denkens vor dem Fabrikgelände geht zwei Minuten nach.


Mit einem Schritt nur auf die andere Seite.

Alle Dinge  sind hier winzig klein und riesig groß, gleichzeitig da und wieder weg.

Zeitlos.

Ungeheuerlich, diese Ausdehnung.

In der Röntgenbeugung der Zellen passiert es mich.


Früher oder später wechseln die Kulissen sowieso.

Egal.

Dann krachen Wolkenkratzer wie Fliegen in riesige Kinoleinwände.

Und auf den Straßen liegen 1000de von Korsetts und langen Messern.


Am Abend im Theater.

Ein  blauer Mantel und ein paar hellbraune Lederhandschuhe liegen mondän neben mir vor der Theaterkasse.


Was inszeniert die Spezies Sapiens auf dieser kleinen Bühne?

An der Bar frage ich mich, was will sie nur auf dieser Umlaufbahn, Unsterblicher? Und wer setzt hier in schwindelnder Höhe die Kommas in dem Skript, während all die Kinder artig auf der Schulbank sitzen und die gute Frau im Labor seltsame Bakterien unter dem Amtsmikroskop findet?

 

Mit dem Bus heimgekehrt sehe ich in der halben Nacht das buchstabierte Blatt des Tages lautmalend vor mir liegen. 


Tief in den Katakomben des Geschehens, einer unbekannten Art von Materie, aufgerieben vom  neuronalen Zündholz in meinem Hirn, flammt ein Film mit Myriaden autistischer Mücken, Wellen und Teilchen auf.


In dieser mondlosen Nacht stehe ich im Wartesaal zum großen Glück, inmitten einem jahrtausendealten Monumentalbild der Erwartung.


Es ist still.


In diesem Nichtlokal lege ich mich auf meine Holzbank. Durch das Glas des Wintergartens schaue ich hinaus, rüber auf die andere Seite, hin zu dem kleinen Bahnhof. 


Ausgestreckt, mit der gelösten Fahrkarte in meinen beiden Händen, warte ich auf den Personenzug, höre radioaktiv das goldrauschend flimmernd leis anrollende „we“ auf den Schienen, das uralte Lied über zwei, drei Gleise hinweg." 


aus: Casa Nova  2002 ©   by  J. G:










 

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