Dienstag, 9. August 2022

soweit

 
Von allem bist du so los gebunden, frei schwebend im All, in allem da, nah bei mir, den Himmelsschlüssel in der Hand. Das Blau des Himmels färbt dich in die Weite, wo das weiche Blei meines Stiftes in der großen Andacht seinen Horizont sucht.

Behängt mit dem Ornat der lila Bevormundung, entwendet das lumpige Gewand im Beichtstuhl den strahlenden Kuss der Materie, das Lid des göttlichen Kindes, verlangt am Ausgang sich ergebend den ewigen Stoffwechsel, das Eisen der blanken Münze im Opferstock, befiehlt mit dem Kreuzzug das fromme Bekenntnis des Untertans, als höriges Brandzeichen auf nacktem Gebein.
 
Ich bin kurzsichtig, sehe nur schemenhaft in die Ferne, muss mir im Kinosaal des Lebens, um die handelnden Personen und ihre Hinwendungen, um die eine oder andere Kehrtwendung, Seitenstepp und auch Rückwärtssalto genau zu verfolgen, eine Brille aufsetzen. Am Sonntag, bei einem Spaziergang mit Freunden am Fluss der Ereignisse, zerbrach die randlose Brille unglücklich in der Reverstasche meines Jacketts. Zwei Tage fehlte mir das feine Glas. Vielleicht daher die dreiste Unschärfe, mit der ich die Buchstabensuppe weiterhin versalze.
 
Als C. G Jung auf seinem Totenbett lag, richtete er sich noch einmal auf, hob seinen bleichen Kopf und mit den Augen, die bereits fliehend Ausschau hielten nach dem nahen Aufenthaltsort, hauchte er mit jenem klaren Ton der Nomaden und Sternendeuter in die Myriaden Pulsare : „Ach, bin ich immer noch in dem kleinen Kästchen“.

Wie soll auch die strahlende Schönheit des Weiblichen in ein kleines Denkkästchen passen? Ganze Armeen von Ideologien, Religionen, Schleier, Kopftücher und Küchenzeilen haben das in den letzten Jahrhunderten versucht und sind an der bewussten Ausdehnung von Nichts und Materie armselig mit ihrem Hirn verdurstet, an jener Quelle, aus der wir sattsam schon vor allem schöpfen. 

© J. G:  

 

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überaus

 still ein blatt im wind   ©   by  J. G: