Montag, 20. November 2017

Irgendein


Der Sohn eines Freundes gastierte ein halbes Jahr auf Madagaskar, ein Studienaufenthalt, um dort die empirischen Grundlagen zu schaffen für seine Diplomarbeit. In der Nacht ging er auf die Pirsch, um das Verhalten irgendwelcher Katzen, Lemuren, die nur dort heimisch sind, genauestens zu beobachten.

Vor kurzem war ich bei ihm und seiner Familie zu Besuch und hatte das große Vergnügen eine ganze Bilderserie von diesem Land, seinen Menschen sowie Bilder von seinen biologischen Studien zu bestaunen. 

In seinem Gesicht sah man Dankbarkeit um das Erleben, ein vom zivilen Festland gelöstes Herz.

Die Tage waren leider ein wenig zu kühl, so dass ich in den letzten
Wochen mit dem Rennrad nicht sehr viel unterwegs sein konnte. Heute bin ich mit
meinem Freund, der mit seiner Familie um die Ecke wohnt, für zwei Stunden
unterwegs gewesen. Herrlich, dieser Wind, die Sonne.

Ich komme herein, schaue in die Post. Ein Brief von meinem alten Freund.

“In nova fert animus mutatas dicere formas corpora.”
In eine neue Gestalt verwandelte Wesen besingen heißt mich das Herz.
Liber Primus, Ovid Metamorphosen

Vor einigen Tagen sah ich eine Sendung „Woher kommt die Welt“.

In dem Versuch Relativitätstheorie und Quantentheorie zu einer
einheitlichen Feldtheorie zu vereinen, kamen die Zahlenjongleure der theoretischen
Physik lange Zeit über den eigenen Jägerzaun, den Ereignishorizont des
Urknalls, nicht hinaus. Auf Teufel komm raus ließen sich diese beiden
bezaubernden Herzensbrecher, so wie Beatrice und Benedict in Shakespeares „Viel
Lärm um nichts“, nicht so leicht vermählen.

Einige Zauberkünstler haben jetzt die akademischen Reservate von Raum und
Zeit verlassen, ihre alte Kreideformeln abgewischt von der Schultafel und
sich ins Freie begeben, zu all den anderen Taugenichtse und Sternendeutern.

All die pünktlichen Postpakete im universellen Rangierbahnhof lösen sich wie von Geisterhand im Quantenfeld, dort wo weit und breit keine gravitätischen Kaufhäuser, vollgepackt mit Vorstellungen von fester Materie mit dem Fernglas der Wissenschaften mehr zu sehen sind, in ein Alles und Nichts auf, verschwinden im Schnürboden des atomaren Revuetheaters.

Die Musik des Verschwindens gibt in den Hasenohren der Sternenfänger ein
rauschendes Fest.

Auch Jung in Küssnacht hat sich ja mit seinem Ruderboot des Archetypen
auf den See des Zeitlosen gerudert und draußen auf dem Wasser einen Schluck
genommen von dem Schnaps, den man im Anfang des 20. Jahrhundert
in den Gaststädte als feines Gesöff sich spendieren ließ. 

Auf dem Etikett stand kein Datum, aber das Anbaugebiet: „das Unbewusste“.

Töchter des Anius, Ovid, Metamorphosen
„…der sie die alte Mutter heißt suchen und ihrer Ahnen Küste.“

Mit der Aufdeckung eines kosmischen Atems, einem Hauch aus dem Hintergrund, der radioaktiven Depesche durch das All, dem herrlichen Fall von einer Kneipe in die andere, lässt sich ahnen, dass in jenem Anbaugebiet etwas Ominöses im Überall vor sich geht.

«Ante mare et terras et quod tegit omnia caelum
Unus erat toto vultus in orbe »
„Vor dem Meere, dem Land und dem deckenden Himmel
Zeigt die Natur in der ganzen Welt ein einziges Antlitz.“
Liber Primus, Ovid Metamorphosen

Von den Generationen der Arbeit pünktlich in den Weltenkörper
eingetreten, vibrieren die Millionen und aber Millionen Eisenspäne auf dem öligen
Grund wie glashelle Sterne am schwarzen Himmel. Alles strahlt. Das Lächeln.

Ich bleibe heimwärts.

  ©   by  J. G

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