So fragte der Physiker Schrödinger „Was
ist Leben“.
Eigentlich
hätte er eine solch sündhafte Frage in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts gar nicht stellen dürfen, wo die bewusstlose
Scheidewand in Natur- und Geisteswissenschaften im säkularen
Halbfeld der Vermessung der Welt einen solchen akademischen Frevel
bei Verlust der Reputation strikt verbot und kategorisch dafür
sorgte, dass die blaue Kugel mit ihrer atmosphärischen Garnitur
weißer Wölkchen weiterhin im politischen Drahtgitter einer
geteilten Welt durchs All driftet.
„Weh,
weh! O unnützer Kadaver !“ Sophokles, Elektra
Mit
Hilfe der durch den astronomischen Spiegel hinaus ins Freie gelenkten
poetischen Anschauung, konnte Sapiens für einen
Augenaufschlag der weltgeglaubten Leibeigenschaft entkommen, konnte
aus dem kruden Dasein mit seiner Liebsten für eine Umarmung im
grünen Heu verschwinden, konnte aus dem mit Blut besudeltem
Ablasshandel und von drakonischen Katechismen eskortierten feudalen
Stellungsbefehl eines „ora et labora“, aus dieser Fron für eine
naive Beugung über den Horizont und einen fassungslosen Blick in den atemlosen Leib des weiblichen Kosmos desertieren.
Für
eine halbe Erdumdrehung und einen Sommermorgen konnte das lebende
Zwielicht dem gottesfürchtigen Verlies, dem von der Kanzelhöhe
erhobenen Wortschwert des sündigen Fleisches, in den strohwarmen,
leuchtend dunklen Anbeginn der Welt entfliehen.
Alles
geschehen in der Ewigkeit eines Glockenschlages, bevor der von den
Kanzeln, Kathedern und Feldherrnhügeln in den Dienst genommene
Erzengel das kinderzimmergroß geöffnete Tor achtlos zurück ins
eiserne Schloss der Untertänigkeit hämmerte und der aus der Erde zu
den Sternen hin erhobene Liebesleib wieder zurück kommandiert wurde
in den elend lichtlosen Gewinn der Geldfresser.
„Du
tötest dich langsam, ohne das es dir gelingt,
dich
von den Leiden zu befreien…“
Sophokles,
Ödipus auf Kolonos
Der
helle Atemzug, der Blick ins Freie, das kindliche Spiel, die Umarmung
der Liebenden wurde zurück in die Klöster, Akademien, Schulen und
Ämter und post mortem in die schöne Chimäre des Zelluloid
verbannt. Mit römischem Recht gerichtet, in Buchstaben und Zahlen
auf den Millimeter und die Sekunde im Evangelium der Arbeit
peinlichst genau berechnet, werden die Liebesgaben der Meere und
Winde noch immer allesamt in Büchern, Kellern, Museen und Archiven abgelegt,
dazu verurteilt, lebenslänglich sich im Schlafe des Unbewussten wie
Kasper Hauser mutterseelenallein zu Tode zu wiegen.
Da fragt Sie doch in ihrem Brief nach dem Warum, warum ich so frech das intime Zwischenreich der Buchstaben
veröffentliche?
Ich
war mir sicher, dass ihre angeordneten Bedingungen der kleinen und
großen Bedeutungen in ihrem Zettelbuch nicht faltenfrei überstehen, ihre Ordnung auf dem schicken Schachbrett der roten Münder über den Haufen werfen.
Ich sah, dass ihre Zinnsoldaten zu „halbwegs und ortsfremd“ um ihren König herum postiert waren,
eine offene Flanke, und das sie aus diesem von mir gebotenen Schach
nicht mehr herauskäme und wir, sie und ich, den letzten Brief
geschrieben haben werden und somit der kleine Funke Liebesfeuer
höflich verglüht.
„Dame
von c3 auf c4“
Vollendete
Vergangenheit.
Alles umsonst.
„love in vain“ Rolling Stones
Sie will es so.
Keinen
Preis zahlen.
„Ich, das sind die Leute, im Grunde die ganze Welt“ J.G:
Wenn
die „Leute“ das Private nicht gut „veröffentlichen“, den
lichten Leib im Alltag sich selbst und den anderen nicht „in communio“ jeden Tag aufs Brot
schmieren, das Kleinod nicht aufrichtig in die Pfandleihe geben, das
Lächeln nicht wonnetrunken an den Tischen der Kaffeehäuser
verschenken und das jüngste Gericht nicht mit Herz und Hand auf die
Küchentische stellen, dann werden den Liebesleibern erneut die
Silben aus dem frischen Wassergrün der Kehlen geraubt, noch bevor
das Ohr sie vernommen, und ihnen wird wiederkehrend und wiederkehrend
mit dem schwarzen Alphabet einer lichtlos gepredigten Ewigkeit das
Heimwärts verwehrt, da wo alle herkommen und noch nie waren."
© by J. G:
.
~
J.G:
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