Freitag, 2. November 2012

Es ist Nacht

und ich nehme in dieser Stunde das Buch von Christoph Ransmayr, "Atlas eines ängstlichen Mannes", in die Hand.


Es ist lange her, dass ich mal ein paar Zeilen von ihm gelesen habe. Er ist ein Guter. Vielleicht ein bisschen, vom fotografischen Standpunkt her zu melancholisch, verweilt gut im Augenblick, doch überbelichtet ein wenig. Details halt, doch sie sind manchmal wichtig für die eigene Position im All.

Nun, ich erinnere vor vielen Jahren eine Feier in meinem gemieteten Garten, draußen vor den Toren der Stadt. Alle Gäste waren schon fort, die Kiste fast leer, nur wir beide saßen noch herum. Du hattest ganz schön einen Sitzen. Ich glaube, dass letzte Bier wollte auch nicht mehr rein. Du erinnerst Dich? Bewunderung und Klagemauer, die illustren Gäste der Vorstellung, extrapolierten mit etwas zu viel Hopfen und Malz das Leuchten der Sterne.

Viele Jahre später schreibst Du Reisenotizen.
Ausgebüxt, sagte man im Norden.
Endlich aufgemacht, die Büchse.
Gut so.

Doch eine Frage hätte ich.
Jetzt erst, nach vielleicht 6-7 Jahren, nach unserem Upa-ni shad, wie die alten Inder es nennen, nach unserem niederen Zusammensitzen, fällt mir diese Frage ein.

Den Mikrokosmos deiner Reise, den Augenblick, die eigene Welt in alle der äußeren Bilderflut, wie erlebst du diese Flut? Wie tritt sie an dich heran? 
Welche Sprache spricht sie?
Hat man in seiner Wahrnehmung für solch ein Standbild die Zeit?
Oder erledigt man das mit einem Klick auf den Apparat?
Rast alles so dahin, Bild auf Bild, das einem fast schwindelig wird von diesem Wunderleben.

Ransmayr hat schon immer Reiseliteratur geschrieben.
Ich schreibe Dir einmal ein paar Zeilen aus seinem neuen Buch.
Vielleicht regt es Dich an, die schönen Aufnahmen deiner Reise zu erweitern.

Liebe Grüße an das Sonnentor

  ©   by  J. G:


PS.
"Ich sah die Heimat eines Gottes auf 26 Grad 28` südlicher Breite und 105 Grad 21` westlicher Länge, eine menschenleere, von Seevögeln umschwärmte Felseninsel, weit, weit draußen im Pazifik. Mehr als 3200 km von diesem umbrandeten, baum- und strauchlosen Klippen, ohne Süßwasser, ohne Gras, ohne Blütenpflanzen und Moos, bis zur chilenischen Küste, von wo mein Schiff vor einer Woche mit Kurs auf Rapa Nui, die Osterinsel, ausgelaufen war.
An die Rehling gelehnt, an der ich mich wegen der hohen Dünung immer wieder mit beiden Händen festhalten musste, beobachtete ich seit einer Stunde wie der am Ende kaum 30 m aus dem Wasser ragende Umriß der Insel zwischen Wellenbergen aufgetaucht und wieder versunken und schließlich doch über den Horizont gestiegen war und nun dem Schiff so nahe kam, dass die verwehenden Wasserstaubfahnen der gegen die Felsen donnernden Brecher Bullaugen und Ferngläser beschlugen." Ch. Ransmayr

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

sapiens revue

„Die alten Kaiser besetzten das öffentliche Wort negativ.  Die Neuen machen das auch. Mit Macht. Der Mensch soll tunlichst seine sterbliche ...