Sonntag, 23. Juni 2024

unterwegs



"Im Glanz der hellen Beugung kreist der blaue Stein durch die große Nacht.


„Sie sind Reisende mit einem vollkommenen Ziel“
Rig-Veda I.95.1


In seiner inneren Umarmung findet der Leib hinter allen Fluren des hominiden Schemens, hinter allen Herzkammern der sehnsüchtig Toten, hinter allen Schößen der endlos aufeinander folgenden Geburten, in all der Leere des unendlichen Nichts, glückselig zwei in einem Nest."  

©   by  J. G

Blumen aus dem eigenen Garten

Mein König, verehrte Mitglieder der königlichen Akademie

Bei dem kostbaren Gut, das in unserem Körper tagtäglich umgeschlagen wird, das unsere Lebensmaterie passiert, handelt es sich dem ersten Anschein nach um ein rein physisches Ereignis.

Diese Sicht der Dinge ist historisch wahr und ein fester Baustein in der Erkenntnis über das Wesen und die zyklischen Gerichtetheit der Evolution. 

Jedoch gehört sie ab heute offiziell in das Archiv der Geschichte.

Es handelt sich um ein Ereignis aus den frühen Anfangsbedingungen jenes Universums, das wir bewohnen. Eine radioaktiv verschlüsselte Botschaft, eine physikalische Information, eine strahlende, inwendige Begabung des kosmischen Geschehens, ein im Grunde die Materie aus ihrem unbewussten Schlaf aufhebendes Ereignis, das wir in unserer Kultur ganz allgemein in seiner ausgedehnten Verteilung mit dem Namen Geist beschriftet haben.


"die ununterbrochene Nachricht,
die aus der Stille sich bildet."
Rilke

Mein König,
dieses kosmische Ereignis, dessen lebendiger Ertrag und bewusster Übergang wir sind, dieses Ereignis beschrifteten die Schulen des Landes seit Jahrhunderten an der äußeren Seite mit der Zahl „Zwei“. Diese Zahl trägt physisch den Namen der sichtbaren Verteilung des Ereignisses im Kosmos, Materie.

Mit den überlieferten Koordinaten erkennt die Akademie des königlichen Hofes das kosmische Ereignis als eine stufenweise, aufwärtsgerichtete, bewusste Einheit in einer physikalischen Vielfalt der Verteilung von messbarer Energie und sichtbarer Masse.

Mit diesen Koordinaten erhält der Mensch einen täglich begehbaren lokalen Zugang zum kosmischen Ereignis auf der Innenseite seiner eigenen Lebensmaterie, der Passage im Zellkörper.

Dieser Körper, mein König, ist ein offenes Buch, nach oben und unten weit, nach innen hell erleuchtet.

Von der Innenseite ist dieses ultraleichte Buch mit wunderschön, strahlend hellen Zeichen beschriftet, die die Sänger, Nomaden, Handwerker und Sternendeuter seit Hunderttausenden von Jahren, seit acht Erden, als Poesie in den Fortgang der Welt eintragen.

Durch die poetische Aufdeckung und Aufhebung des schwarzen Todesurteils auf der Kinoleinwand des Körpers, der Zellmembran, der epidemischen Tradierung des Lebens als einer unumgänglichen Grablegung, gelangt der Mensch „ins Freie“, wie mein guter Gefährte aus Weimar in seinen geologischen Lichtstudien nicht müde wurde allen ans Herz zu legen.

Diese Innenseite der Lebensmaterie, so die mündlichen Überlieferungen der Freibeuter, ist nicht mit mathematischen Ziffern oder monotheistisch mit kryptischen Zeichen angeschwärzt und verstellt beschriftet, sondern sie trägt die Inschrift "zweifach eins".

Physikalisch strahlt der Wert der kosmischen Handelsware, nach Erkenntnissen der königlichen Akademie, supraschwach. Ist in allen Ecken und Kurven der Raumzeit gleichmäßig verteilt. Für jeden Wanderer zugänglich.

„Die Sonne, die in der Finsternis weilt“
Rig Veda III.39.5


Psychologisch, so die Überlieferung, ist diese Handelsware in der ursprünglichen Tiefe ihrer Lebensphysik jedoch schon vor allem lebensbewusst angelegt.

In der Rhythmik und in dem Klang des poetischen Wortes mündlicher Überlieferung erhebt diese freie Handelsware den denkenden Homo Sapiens auf die lichte Ebene eines bewussten Menschen, auf der er sich in der Klarheit eines schöpferischen Willens endlich im Unendlichen werden und erfüllt sieht.

aus: Casa Nova  ©   by  J. G:

veröffentlicht 28. 02. 2008

auf dem Tisch

 des Hauses

Der schöpferische Wille.

Zu sehen auf der Bühne des Welttheaters.

Dieser Lichtsatz überholt still das versagende, analytische „Verstehen“ des Sapiens, das so hilflos korrupt dahin debattiert, Krieg, Gewalt und Elend am Leben nicht zu beenden weiß.


Johan van der Leeuwen 



Sonntag, 16. Juni 2024

und du


ziehst du vorbei an homer
vorbei an columbus
vorbei am diabetiker rilke
und alle den schwergescheiten
und still geweinten
ziehst du vorbei
an all den namen und zahlen der jahrhunderte

mein könig
es ist zeit einen mantel zu tragen
aus der metropole zu fliehen wird nicht einfach sein
die grenzen sind bereits geschlossen und
mit doppelter bewachung versehen
der behämmerung der rasenden stadt
ihren verflucht günstigen krediten
und all den quoten und talktürmen
entfliehen wir am besten zu dieser frühen stunde

in solcher zeit bewahrt uns kein grundsatz
vor verfall und mordbanden
in solchen zeiten des irrsinns, mein könig
schwärze ich mir zum schutz gesicht und meine nackten füße
ziehe damit grundlos vorbei und hinunter
nah heran
und dann weiter

dann hocke ich so wie damals
dicht am geschichtslosen feuerrand
neben mir der wuchtige arthur rimbaud
immer noch ein frühreifer
nach monsieur izambart
ein jähzorniger, brutaler kerl
mit derben fäusten

mit diesen fäusten
schlägt er noch heute jedwedem erbe
eins in die fresse

aus der hosentasche
kramte der afrikanische waffenschieber damals
ein stückchen käsepapier
le bateau ivre
o du mein trunkener kahn
rotzte er in das himmelweite lager

alles fiebrig
und noch immer unfruchtbar für alles seßhafte geschreibsel

so stocherte er mit seinen kurzen fingern
ein stück hartkäse aus dem papier
schob es hungrig in den mund
den schmierigen zettel
stopfte er mir in die rechte hand

ich merkte wie meine augen
hinter zwei schmalen sicheln versanken
an die brandung damit
stieß er in seiner schwindsucht hervor
dann siehst du die millionen goldener fische

ein verknülltes stück papier hielt meine hände
es roch nach mutter, licht und ziegenkäse
na los, mach schon
oder willst du warten bis die diebischen augen alles verderben

ich strich das papier auf meinen knien glatt
hielt es hoch
höher
höher
fluchte er
schräg verdammt
da
sieh doch

mühsam beugte er vornüber
schlug dabei beide fäuste 
in das faulige wasser

was hielten damals meine hände, mein könig
was sah ich

ich sah hindurch
das erinnere ich noch gut
durch alles hindurch

seltsam
heute
ja heute
vor meiner flucht aus der großen stadt
kommt es mir so vor
als hätte ich nach unten gesehen
so wie man in eine hafenpfütze schaut
darin den himmel und eine halbe laterne erblickt

31.01.2008

© by  J. G: 

Donnerstag, 13. Juni 2024

in der Welt


Das kleine Mädchen

Mit einem rosa Kleid

Bummelt

Fünf Schritte

Dem Vater hinterher

Mit der rechten Hand

Schiebt sie

Ihre Babykarre

In der anderen

Ein halbes Brötchen

Den Blick im Himmel

Ihr Mund geöffnet 

Buchstabenlos




  ©   by  J. G


überaus

 still ein blatt im wind   ©   by  J. G: