"Ein unglaubliches Experiment begann vor über 4 Milliarden Jahren in einer randständigen Provinz dieses Sonnensystems.
Ein unwirtlich, nach Pech und Schwefel stinkender toten Steinball hatte sich ganz in der Nähe seines Muttersterns, nur 150 Millionen km entfernt, in eine elliptische Bahn werfen lassen und treibt seitdem mit anderen Planeten mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/s +- gähnend um sein kleines, sonniges Kaufhaus.
Keiner, wenn er in jener Zeit in einem Überflug aus dem Fenster seines Raumfahrtzeug auf diesen Planeten geschaut hätte, wäre auf den Gedanken gekommen, dass sich dort, in diesem brodelnden Pfuhl aus glühendem Stein, speienden Geysiren und giftigen Gasen auch nur ein Funken Leben finden würde.
Nun, heute, gut 4,5 Milliarden Jahre später, sitze ich in einem Café und lese in einer Zeitung, bestelle bei diesem schönen Wetter noch einen zweiten, schlage die Zeitung auf und lese die neuesten Nachrichten.
Ja, was?
Frage ich mich an meinem Café-Tisch in der belebten Nebenstraße der Stadt, was hat sich getan in jener Zwischenzeit, zwischen jenem rotierenden glühend heißen Stein und meiner zweiten Bestellung eines Kaffees?
Wie konnte sich dieses dahintreibende tote Ding aus brennendem Stein, am Rande einer mit über 100 Milliarden Sternen ausgestatteten Galaxie, in ein nicht nur von Lebensmaterie bewohnten Planeten verwandeln, sondern auch mentale Kreaturen auf zwei Beinen aus dem Hut zaubern, die ihre eigene Existenz beginnen selbstreflexiv zu befragen, von einem sagenumwobenen Eingang und einem unbekannten Ausgang wissen, diesem offenen Gartentor, dem Lebenstod, wie nur konnte diese Kreatur davon Kenntnis erlangen?
Ja, wie denn?
Abends dann, bei meinen Gästen, beim kurzen Rühren in der Suppenschüssel, um all die feinen Zutaten in einer Kelle auf den Porzellanteller zu bringen, ist der gedankliche Weg vom Ursprung in die Gegenwart nicht weit.
All die aus einem Ursprung Geworfenen, all die Nomaden, Vagabunden, Dampfplauderer, Landstreicher, Entertainer des Weltalls, wie Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Phosphor und noch andere atomare Herumtreiber, Antihelden, Hungerleiber, dunkle Gesellen, all die Songschreiber mit ihren molekularen Schlagertexten, all die Myriaden von bakteriellen Literaten, all das junge Gemüse und die bunten Fische, die überall in diesem Riesenreich seitdem ihre Theater- und Opernbühnen heiß applaudiert bespielen, haben das Copyright auf einen sehr guten Geschmack und auf das Skript eines ausgezeichneten Rezeptes, dass mich an diesem Abend in geselliger Gegenwart mit meinen Freunden am Tisch des Hauses, beim seichten Umrühren der heißen Suppe, das Wasser im Munde laufen und gut beisammen sein lässt."
© by J. G: